Haupt-Autor des Artikels
Dr. med. med. Jörg Zorn
Arzt / medizinischer Fachautor
Wie wirkt eine Plasmapherese bei Multipler Sklerose? Wie läuft die Behandlung ab und für wen ist die Maßnahme geeignet? Diese und weitere Fragen beantworten wir in folgendem Beitrag.
Ablauf
MS: Was ist eine Plasmapherese?
Plasmapherese ist ein Verfahren, bei dem Blutplasma, d.h. der flüssige Teil des Blutes, von den festen Bestandteilen, den Blutzellen, außerhalb des Körpers getrennt wird. Die Plasmapherese ist eine Option zur Behandlung des MS-Schubes, wenn Medikamente nicht zu einer ausreichenden Besserung führen.
In der Behandlung der Multiplen Sklerose erfolgt kein kompletter Austausch des Plasmas, es werden jedoch über Membranen schädliche Bestandteile des Immunsystems (Antikörper) aus der Flüssigkeit entfernt.
Antikörper werden ausgewaschen
Für die Plasmapherese, umgangssprachlich auch „Blutwäsche“ genannt, wird über eine oberflächliche Vene das Blut über Infusionsschläuche zum Plasmapherese-Gerät geleitet, das flüssige und feste Bestandteile mithilfe von Filtern oder Zentrifugen trennt. Die festen Bestandteile, die Blutzellen, werden wieder in die Blutbahn geleitet, das Plasma aufbereitet oder ersetzt.
Das ganze Verfahren ähnelt der Dialyse bei Nierenerkrankungen, nur dass hier tatsächlich nur das Blutplasma ausgewaschen wird. Und im Gegensatz zur Dialyse bei schweren Nierenleiden ist die Plasmapherese bei der MS zum Glück meistens nur ein eher singuläres oder zumindest seltenes Ereignis. Der Name Plasmapherese kommt übrigens aus dem Griechischen (Apherese = "wegnehmen, entfernen").
Einsatz bei MS
MS: Wem kann eine Plasmapherese helfen?
Das ist leider im Vorfeld gar nicht so einfach zu beantworten. Die Plasmapherese ist grundsätzlich nur eine Option für den schweren Schub einer Multiplen Sklerose, der auf medikamentöse Immunblocker (Kortison) nicht anspricht. Und sie hilft nur denjenigen mit MS, in deren Entzündungsherden sich lösliche Antikörper finden.
Zum Hintergrund: Forscher stellten fest, dass die mikroskopischen Vorgänge in den Entzündungsherden der MS nicht bei allen Erkrankten die gleichen sind. Bei einer Subgruppe von Betroffenen kommt es in den entzündlichen Veränderungen zur Ablagerung bestimmter Antikörper, die mit der Plasmapherese aus dem Blut entfernt können, so dass sie nicht mehr abgelagert werden können. Bei diesen Personen kann die Plasmapherese die Beschwerden oft relativ gut lindern.
Letztlich ein Versuch auf Verdacht
Aber ob man zu diesem Subtyp gehört, lässt sich vor einer Behandlung nicht klären, denn dazu müsste Hirngewebe entnommen werden. Einfache Tests dazu gibt es nicht. Deshalb ist die Plasmapherese letztlich fast immer ein "Try and error"-Verfahren. Sprich: Man weiß erst hinterher, ob es funktioniert.
Ein Behandlungsversuch mit der Plasmapherese ist kein Bagatell-Eingriff und gehört in die Hand von Experten. Lassen Sie sich in jedem Fall von den Ärzten vorher sehr ausführlich über alle Chancen und Risiken informieren.
Ist eine Plasmapherese auch für die Langzeitbehandlung geeignet?
Nein, die Plasmapherese ist nur eine Behandlungsoption für Menschen mit Multipler Sklerose mit einem schweren Schub, denen Kortison nicht hilft. Kommt es unter den Medikamenten nicht zu einer spürbaren Verbesserung, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Neurologie einen Versuch mit der "Blutwäsche". Das sollte allerdings spätestens vier bis sechs Wochen nach Beginn des Schubes geschehen.
Bei der Plasmapherese werden durch ein äußeres Filtersystem bestimmte Antikörper aus dem Blut "rausgewaschen". Bei einem bestimmten Typ der MS kann diese Methode helfen. Es geht um den sogenannten Typ 2, bei dem es zu Antikörper- und Komplement-Ablagerungen (das sind andere Entzündungsmarker im Blut) in den MS-Plaques kommt. Da man ohne Gewebeentnahme nicht beurteilen kann, welcher Typ vorliegt, ist die Plasmapherese letztlich ein Behandlungsversuch auf Verdacht.
Als Langzeitmaßnahme, zur Vorbeugung oder in fortgeschrittenen Krankheitsstadien ist die Methode nicht geeignet.
Quellen:
- Leitlinienprogramm Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF), verfügbar unter: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030-050LGl_S2e_Diagnose-Therapie-Multiplen-Sklerose-Neuromyelitis-Optica-Spektrum-MOG-IgG-assoziierte_Erkrankungen_2021-05_1.pdf