Was sind typische Anzeichen für Magersucht? Neigen die Betroffenen zu anderen psychischen Störungen? Wie können Angehörige helfen? Wo können sich die Erkrankten ausführlich beraten lassen? Und wie sieht die Behandlung bei Magersucht aus? Antworten auf diese und viele weitere Fragen zum Thema Magersucht finden Sie in folgendem Beitrag.
Basiswissen
Was ist Magersucht?
Die Magersucht (Anorexia nervosa) ist eine psychosomatische Erkrankung im jungen Erwachsenenalter. Wesentliches Merkmal ist eine absichtlich und selbst herbeigeführte Gewichtsreduktion. In den meisten Fällen sind Mädchen bzw. junge Frauen betroffen.
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Häufigkeit und Alter
Wie häufig kommt die Magersucht vor?
Die Häufigkeitsangaben schwanken je nach Untersuchung zwischen 0,5 bis 1%. Demnach entwickeln von 1.000 Personen also etwa 5-10 eine Magersucht.
Eine deutsche Untersuchung ergab allerdings höhere Zahlen. Danach ist jede 30. Frau zwischen 14 und 24 Jahren betroffen, so die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
Können auch Männer magersüchtig sein?
Ja, auch Jungen und Männer können an Magersucht erkranken, wenn auch nicht so häufig wie Mädchen oder Frauen. Allerdings nimmt ihr Anteil in jüngerer Vergangenheit kontinuierlich zu.
Magersucht betrifft aber derzeit noch am häufigsten intelligente Mädchen und Frauen zwischen 15 und 25 Jahren. Unter allen Erkrankten sind etwa 5% männlichen Geschlechts.
Magersucht und Bulimie: Die Männer holen auf
Essstörungen sind bekanntermaßen eher eine Krankheit der jungen Frauen. Aber die Häufigkeit bei Männern nimmt zu. Eine Studie zeigt, dass unter Störungen im Essverhalten wie Magersucht, Bulimie und dem sogenannten Binge-Eating (im weitesten Sinne Fress-Anfälle) derzeit 5,9% der Frauen und 1,5% der Männer leiden.
Männer eher später betroffen
Die Studie der Leipziger Wissenschaftler hat vieles bestätigt, was wir schon lange wissen, aber einige Erkenntnisse sind auch noch relativ neu: So fiel in der Untersuchung auf, dass Symptome und Auffälligkeiten bei Männern im Vergleich zu vorherigen Studien zugenommen haben. Und während Frauen besonders vor dem 24. Lebensjahr gefährdet sind, leiden Männer am häufigsten im Alter zwischen 55 und 64 Jahren unter Essstörungen.
Aufgefallen ist den Wissenschaftlern auch, dass das Risiko bei Fettleibigen noch höher liegt. So war eine Essstörung bei stark übergewichtigen Frauen 11mal und bei stark übergewichtigen Männern 20mal häufiger als bei Normalgewichtigen.
Können bereits Kinder unter einer Essstörung leiden?
Bereits kleinere Kinder können eine Essstörung entwickeln. Dabei kann das Verhalten der Eltern eine große Rolle spielen. Wichtig ist der entspannte Umgang mit dem Thema Essen sowie eine Esskultur der Familie, die Kinder mit der Nahrungsaufnahme angenehme Gefühle verbinden lässt.
Bei kleineren Kindern gibt es offenbar häufiger akute Anlässe und Probleme, weshalb sie etwa das Essen verweigern.
In den letzten Jahren fällt auf, dass Patienten mit Essstörungen tendenziell immer jünger werden. Patienten mit zehn oder zwölf Jahren sind keine Seltenheit. Hier haben möglicherweise bereits die Medien und falsche Vorbilder einen großen Einfluss.
Richtiger Ansprechpartner bei Verdacht auf eine Essstörung bei Kindern ist zunächst der Kinderarzt.
Können auch ältere Menschen eine Essstörung entwickeln?
Auch ältere Menschen können eine Essstörung entwickeln. Dies kommt jedoch nicht so häufig vor wie bei Jugendlichen oder jungen Menschen. Handelt sich um Essstörungen wie Magersucht und Bulimie, besteht die Erkrankung meist schon entsprechend lange.
Essstörungen älterer und alter Menschen machen sich meist als Unter- oder Mangelernährung bemerkbar. Denn die Nahrungsaufnahme alter Menschen ist sehr störanfällig. Ursachen von Essstörungen im Alter sind sozialer, psychischer und medizinischer Natur. Nicht selten liegt eine Schluckstörung (Dysphagie) zugrunde.
Ursachen
Welche Ursachen stecken hinter der Magersucht?
Das gestörte Essverhalten ist Symptom tiefer liegender Probleme und Konflikte. Die zugrundeliegenden Probleme sind jedoch individuell unterschiedlich und meist nicht so leicht zu erkennen oder gar zu ändern.
Beteiligte Einflussfaktoren und Auslöser sind der Schlankheitskult in der Gesellschaft und der häufig frühe Beginn von Diäten. Auslösend kann eine schwierige Familiensituation, aber auch eine problematische eigene Situation sein.
Hinzu kommt, dass sich die Krankheit irgendwann verselbstständigt und Lernvorgänge eine große Rolle spielen. Zugrundeliegende Probleme und das immer gleiche Verhalten in Konfliktsituationen bedürfen der Aufdeckung und Bearbeitung – und gleichzeitig der Verhaltensveränderung. Neues Verhalten muss eingeübt werden.
Stimmt es, dass sich Magersüchtige vor dem Erwachsenwerden flüchten?
Es gibt zumindest einige Experten, die das so sehen. Insbesondere, wenn man sich der Entstehung einer Magersucht psychoanalytisch nähert, ergibt diese Annahme auch durchaus Sinn.
Demnach haben die Betroffenen eine unbewusste Angst vor dem Erwachsenwerden. Den damit verbundenen Herausforderungen und Anforderungen (unter anderem auch der Sexualität) gehen sie dadurch aus dem Weg, dass sie versuchen, ihre Kindergestalt beizubehalten. Wohlgemerkt, all dies ist den Jugendlichen nicht bewusst. Es würde aber ganz gut erklären, warum Magersucht so häufig in der Pubertät beginnt.
Insgesamt geht man heute davon aus, dass Essstörungen nicht auf eine Ursache zurückzuführen sind, sondern eher mehrere Ursachen zusammen: psychische Faktoren, gesellschaftliche Einflüsse und möglicherweise sogar genetische Veranlagung.
Familie und Gene
Tragen die Eltern an der Essstörung ihres Kindes Schuld?
Nein, von Schuld zu sprechen, macht wenig Sinn. Und es wäre, selbst wenn elterliche Strukturen im Einzelfall eine Rolle spielen, auch ungerecht. Alle Eltern wünschen ihren Kindern das Beste und versuchen ihr Möglichstes.
Allen Eltern unterlaufen dabei auch Fehler, die sie vielleicht erst viel später erkennen können. Schuldzuweisungen sind aber wenig hilfreich, zumal die Eltern oft eng in die Behandlung eingebunden sind. Vielmehr sollte es darum gehen, Schwierigkeiten in der Familie, in familiären Strukturen und Beziehungen zu erkennen und zu verändern. Veränderung ist allerdings nur möglich, wenn alle Beteiligten offen für einander sind und bereit sind, dazuzulernen.
Gibt es familiäre Strukturen, die eine Magersucht oder Bulimie begünstigen?
Die Familien essgestörter Patienten haben sicher nicht alle die gleichen oder sich ähnelnde Strukturen, so dass sich diese Frage nicht pauschal beantworten lässt. Aber es gibt Studien zufolge zumindest bestimmte Familienmerkmale, die die Entwicklung einer Magersucht zu fördern scheinen.
Überzufällig häufig kommen Mädchen mit Magersucht oder Bulimie zum Beispiel aus gebildeten und leistungsorientierten Familien. Häufig herrscht auch ein ausgeprägtes Harmoniebedürfnis: Konflikte und Auseinandersetzungen werden vermieden. Magersüchtige Patienten erfuhren häufig eine übermäßige Behütung.
Nicht selten halten oder hielten Familienmitglieder wiederholt Diäten. Essgestörte Patienten haben in ihrer Kindheit oder Jugend auch im Schnitt häufiger Kritik an Essverhalten, Figur oder Gewicht erhalten.
Bei bulimischen Patienten konnte nachgewiesen werden, dass häufiger Eheprobleme der Eltern vorliegen als in der "Normalbevölkerung".
Spielt Vererbung bei der Entwicklung einer Magersucht oder Bulimie eine Rolle?
Neben individuellen und gesellschaftlichen Faktoren scheint die Veranlagung für Essstörungen eine gewisse Rolle zu spielen. Dies zumindest ergaben Zwillingsstudien.
Doch eine entsprechende Erbanlage bedeutet noch nicht, dass man auch eine Krankheit entwickelt. Deshalb kommt der Vorbeugung und Sensibilisierung für die Problematik bei Eltern und Jugendlichen eine wichtige Rolle zu.
Stimmt es, dass Magersüchtige häufig zwanghaft sind?
Es ist zumindest richtig, dass Jugendliche mit Magersucht relativ häufig eine eher introvertierte und pflichtbewusste Persönlichkeitsstruktur haben. Auch ein Hang zum Perfektionismus und zur Zwanghaftigkeit ist häufiger anzutreffen als bei Menschen ohne Essstörung.
Allerdings leitet sich aus dieser Tendenz keine Regel ab. Das heißt: Die meisten Jugendlichen mit Hang zum Perfektionismus werden nicht magersüchtig. Und unter den Betroffenen gibt es selbstverständlich auch viele, die nicht den geringsten zwanghaften Zug haben. Dies sei betont, um voreiligen Rückschlüssen vorzubeugen.
Wieso steigert Perfektionismus das Risiko an Anorexie zu erkranken?
Wir alle kennen den Drang danach, etwas perfekt zu machen, besser als jemand anderes zu sein und sich selbst etwas beweisen zu wollen. Zumindest vereinzelt erlebt solche Gedanken jeder einmal.
Bei Sport ein bisschen schneller zu sein, in der Schule oder während der Arbeit ein bisschen mehr Erfolg zu haben, oder auch das Gefühl sich zu ärgern, wenn ein Anderer besser war. Auch das Gefühl, etwas schlanker, sportlicher oder hübscher sein zu wollen, oder einfach nur in dem Kleid besser auszusehen als die gute Freundin, dürfte besonders Frauen, bekannt sein. Diese Gefühle und das Streben nach Perfektion sind völlig okay und zeitweise auch sehr gesund. Allerdings ist, wie bei allen Dingen im Leben, auf das richtige Maß zu achten.
Wenn körperlicher Perfektionismus zum Problem wird
Perfektionismus kann auch ein Teufelskreis werden, wenn man ihn zu stark auslebt. Das Verfolgen eines auf Dauer unrealistisch hohen Ziels ist ein typischer Auslöser für das Auftreten von Symptomen von Magersucht. Der Drang nach dem Wunsch schlank zu sein wird mit einem hohen Grad an Perfektionismus getriggert und oftmals auch besonders gut umgesetzt. Es geht hierbei nicht zwingend darum, besonders dünn sein zu wollen, sondern darum, seinen eigenen Ansprüchen und den gesellschaftlichen Normen genügen zu wollen.
Faktoren, warum gerade das Hungern ebenfalls wichtig ist, sind viele vorhanden. Besonders das derzeitige gesellschaftliche Bild, dass Erfolg mit Schlanksein und Schönheit einhergeht, führt dazu, dass ein Streben danach stark unterstützt wird.
Je höher der Perfektionismus, desto schwieriger die Behandlung
Menschen, die also stark perfektionistisch veranlagt sind und zusätzlich sich selbst auch als wenig selbstwirksam in Interaktion mit der Umwelt sehen, im Gegensatz dazu jedoch in Bezug auf das Diäthalten eine hohe Selbstwirksamkeit erleben, haben eher ein Risiko, an einer Anorexie nervosa (Magersucht) zu erkranken als andere.
Auch der Therapieerfolg wird durch diese Persönlichkeitseigenschaft behindert. Studien haben ergeben, dass die Stärke der Ausprägung des Perfektionismus den Erfolg der Behandlung beeinflusst. Menschen mit Magersucht oder Bulimie erlauben sich hierbei nicht das Erleben von unangenehmen Gefühlen in Bezug auf sich selbst, sondern fokussieren sich weiterhin auf Figur und Gewicht. Das Verständnis, dass dieser Fokus nur Ausdruck von tieferliegenden Gefühlen ist, wird oft erst nach sehr langer therapeutischer Arbeit aufgebracht.
Mehr zu den Ursachen
Welche Sportarten oder anderen Aktivitäten erhöhen bei Jugendlichen das Risiko für eine Magersucht?
Eine der wesentlichen Ursachen der Magersucht (und vor allem ihrer Zunahme) ist der weit verbreitete Schlankheitswahn in unserer Gesellschaft. "Superschlank sein" steht für Erfolg und Anerkennung. "Wer dick ist, steht auf der Verliererseite.
Wer diesem Ideal nacheifert, ist im Prinzip schon in Gefahr. Bei vielen jugendlichen Mädchen (seltener auch Jungen) beginnt die Essstörung damit, dass sie sich zu dick fühlen, obwohl sie es gar nicht sind. Eine Diät und die mit ihr verbundenen "Erfolge" ("sag' mal, hast Du abgenommen?") können dann bei einigen in ein Suchtverhalten münden, das sich gewissermaßen verselbständigt.
Sportarten oder Tätigkeiten, die per se einen besonders schlanken Körper verlangen, erhöhen somit das Risiko für eine Magersucht - auch wenn natürlich eine entsprechend labile Psyche hinzukommen muss. Zu nennen sind hier z.B. Ballett, Turnen, Leichtathletik, Eiskunstlauf oder auch Skispringen. Und natürlich "modeln": Mädchen, die sich vom grassierenden Model-Wahn anstecken lassen und selbst eines werden wollen, stehen unter erheblich erhöhtem Risiko für eine Essstörung.
In diesem Zusammenhang lohnt sich vielleicht folgender Hinweis: Ein relevanter Anteil der Schaufensterpuppen, an denen man so vorüberschlendert, wäre, handelte es sich um lebende Körper, massiv unterernährt.
Stimmt es, dass Magersucht- oder Bulimie-Patientinnen mit ihrer Rolle als Frau Probleme haben?
Immer wieder wird postuliert, dass magersüchtige Mädchen und Frauen die Frauenrolle ablehnen und gegen diese rebellieren. Tatsächlich sind viele Betroffene froh, dass die Periode ausbleibt und weibliche Formen aufgrund des starken Untergewichts verschwinden.
Die Magersucht tritt schließlich auch meist in der Pubertät auf, einem Alter, in dem junge Mädchen in ihre Rolle hineinwachsen und sich mit dieser auseinandersetzten und identifizieren.
Allerdings vermitteln insbesondere die Medien ein Frauenbild, das nicht der Realität entspricht, mit dem sich aber viele junge Frauen identifizieren. Magersüchtige müssen also nicht in jedem Fall die Frauenrolle ablehnen, sondern jagen nicht selten einem falschen Frauenbild nach.
Stimmt es, dass homosexuelle Jugendliche häufiger eine Magersucht entwickeln?
Ja, und zwar deutlich. In einer Untersuchung zu diesem Thema waren 53% aller Jungs und Männer mit Essstörungen homosexuell. Das ist enorm viel, wenn man sich vor Augen führt, dass die Gesamthäufigkeit der Homosexualität nur bei 1-5% liegt.
Dir Ursachen dieses Zusammenhangs sind unklar, zumindest aus wissenschaftlicher Sicht. Als ein möglicher Grund wird von Psychologen angeführt, dass die Homosexualität häufiger zu Konflikten mit dem eigenen Ich führt, was einer Magersucht den Boden bereiten kann.
Schlankheitswahn die Hauptursache?
Vielleicht ist der Zusammenhang aber auch viel trivialer. Eine geläufige Alltagserfahrung ist, dass sich homosexuelle Männer sehr viel intensiver um ihr Äußeres bemühen als heterosexuelle Männer (und im Schnitt auch tatsächlich besser aussehen). Wer aber hübsch und schlank aussehen will, ist auch potentiell stärker gefährdet, eine Essstörung zu entwickeln. Die starke Zunahme von Magersucht und Bulimie in den letzten beiden Jahrzehnten (nicht nur bei Mädchen, auch bei Jungen) wird ja schließlich auch vor allem damit erklärt, dass wir über die Medien ständig vorgebetet bekommen, dass man nur mit Model-Maßen so richtig erfolgreich werden kann.
Stimmt es, dass essgestörte Patienten überzufällig häufig Erfahrungen mit Missbrauch gemacht haben?
Tatsächlich haben essgestörte Patienten häufiger als Personen ohne Essstörungen Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch gemacht. Dies ergaben Studien.
Erklärt wird das damit, dass der Bezug zum eigenen Körper infolge des Missbrauchs gestört ist und der eigene Körper abgelehnt wird.
Aber hüten Sie sich vor vorschnellen Verdächtigungen, denn es handelt sich hier nur um eine relative Größe. Der weit überwiegende Teil der Patienten mit Magersucht oder Bulimie wurde nicht sexuell missbraucht.
Weitere Einflussfaktoren
Was ist gemeint mit: Essgestörte ziehen aus ihrer Krankheit einen Gewinn?
In gewisser Weise erleben viele Menschen mit Krankheiten, dass ihre Krankheit nicht nur Nachteile mit sich bringt. Auch Patienten mit Magersucht oder Bulimie erleben möglichweise durch die Besorgnis bei Freunden, Eltern oder Angehörigen ein höheres Maß an Aufmerksamkeit.
Sie erhalten vielleicht mehr Zuwendung, andere nehmen mehr Rücksicht und bestimmte Pflichten müssen nicht mehr übernommen werden. Bei solchen die Krankheit aufrecht erhaltenden Bedingungen spricht man von sekundärem Krankheitsgewinn.
Ein primärer Krankheitsgewinn liegt vor, wenn aus der Krankheit direkte innere Vorteile entstehen. Ein Fressanfall und anschließendes Erbrechen etwa könnte einen von Bulimie betroffenen Patienten daran hindern, sich auf eine unangenehme Prüfung vorzubereiten. Dem primären Krankheitsgewinn liegen oft innere Konflikte zugrunde.
Welchen "Zweck" erfüllt die Essstörung bei den Erkrankten?
Mit der Kontrolle von Menge und Art der Nahrungsaufnahme bei Magersucht und Bulimie haben Essgestörte auch das Gefühl der Kontrolle von Gefühlen und hier vor allem von unerwünschten, als negativ empfundenen Gefühlen.
Patienten mit Bulimie etwa werden eher eine Fressattacke haben, wenn sie sich in einer Stress-Situation befinden.
Wer das Elementarste, das uns am Leben erhält, nämlich den Nahrungsbedarf steuern kann, fühlt sich in anderen Situationen auch stark und mächtig – auch wenn das letztlich ein Trugschluss ist.
Ist Magersucht ansteckend?
Magersucht wird nicht durch Krankheitskeime übertragen und ist insofern natürlich nicht ansteckend. Tatsächlich stecken sich manche Mädchen aber mit ihrem Schlankheitswahn gegenseitig an.
Hungern wird etwa in bestimmten Internetforen zum Wettbewerb, bei dem die Dünnste der Dünnen gewinnt. Auch die fast allesamt unterernährten Models kann man ohne rot zu werden als Krankheitserreger bezeichnen (auch wenn die Models selbst meist mehr Opfer als Täter sind).
Anzeichen
Wie bemerkt man eine Magersucht?
Es gibt einige Hinweise darauf, dass eine Person an Magersucht erkrankt ist. Dabei ist Untergewicht ein Hinweis unter mehreren. Das Körpergewicht liegt mindestens 15% unterhalb des Normalgewichts (BMI bei oder unter 17,5) bzw. unterhalb des alters- und geschlechtsentsprechenden Normalgewichts.
Patienten mit Magersucht kontrollieren und reduzieren ihr Gewicht, indem sie die Nahrungsaufnahme einschränken, hochkalorische Speisen meiden, übertrieben körperlich aktiv sind (Sport), Erbrechen selbst herbeiführen oder Abführmittel benutzen. Dabei kreisen die Gedanken ständig um Nahrung und Gewicht. Die Angst vor Gewichtszunahme ist sehr groß.
Daraus ergeben sich folgende typische Hinweise auf das mögliche Vorliegen einer Magersucht:
- sehr geringe Nahrungsaufnahme
- viele selbst aufgestellte Verbote bezüglich bestimmter Nahrungsmittel
- tägliches Wiegen, das Gewicht ist ständig ein Thema
- die Betroffenen betreiben häufig sehr aktiv Sport
- sie sind auch häufig sehr ehrgeizig und verfolgen fast verbisssen die verschiedensten Ziele
- obwohl sie sich selbst das Essen versagen, versorgen sie häufig andere gerne mit Nahrung und kochen oder backen z.B. gerne für die Familie
Wichtig: An Magersucht leidende Menschen empfinden sich selbst nicht als krank und lassen sich nicht so ohne weiteres von anderen überzeugen, an einer Krankheit zu leiden.
Hinweise auf Magersucht
Magersucht: Woran kann man die extreme Gewichtskontrolle im Alltag erkennen?
Für die Angehörigen und Freunde von Magersüchtigen ist die extreme Gewichtsabnahme natürlich oft das auffälligste Anzeichen, dass vielleicht irgendetwas nicht stimmt. Es gibt aber auch noch andere Hinweise, bei denen Sie stutzig werden und vielleicht doch mal etwas genauer hinschauen sollten.
Mögliche Rituale bei Menschen mit Essstörungen sind:
- Sie wiegen sich extrem oft. Das Gewicht wird oft mehrmals am Tag kontrolliert.
- Lebensmittel werden vor dem Verzehr pedantisch auf Inhaltsstoffe geprüft.
- Nährwerte und Kalorien einzelner Lebensmittel sind aus dem ff bekannt.
Allerdings muss dabei auch etwas anderes berücksichtigt werden. Liegt tatsächlich eine Essstörung vor, sind diese Verhaltensweisen aus Sicht der Betroffenen völlig normal. Und auch nicht wegzudenken. Die Lösung liegt also nicht darin, ihnen zu sagen, dass sie das nicht machen sollen.
Stimmt es, dass Magersüchtige sich manchmal auffällig kalt anziehen?
Ja. Es gibt Jugendliche mit Magersucht, die sich absichtlich nicht warm genug anziehen, um durch das Frieren stärker abzunehmen. Meist haben sie zuvor irgendwo gelesen oder gehört, dass man beim Frieren mehr Energie verbraucht.
Dieses Beispiel zeigt, wie "ernst" es den Betroffenen mit dem Abnehmen ist und welche – für Außenstehende kaum mehr nachvollziehbaren – extremen Mittel angewandt werden, um das Ziel zu erreichen. Im übrigen neigen Magersüchtige aufgrund der Unterernährung ohnehin oft zu stärkerem Frieren, was die oben genannte Selbstkasteiung noch leidvoller macht.
Was sind ernstzunehmende Anzeichen für eine Magersucht oder Bulimie?
Nicht immer ist es einfach eine Essstörung zu erkennen. Ist ein Patient sehr untergewichtig, kommt leichter der Verdacht auf eine Essstörung auf.
Gerade bei einem normalem Gewicht aber, wie dies viele Patienten mit Bulimie aufweisen, merken Angehörige und Freunde oft sehr lange Zeit nicht, dass etwas nicht stimmt. Denn die Fressattacken, Erbrechen und Medikamentenmissbrauch bei der Bulimie werden von den Betroffenen verheimlicht.
Verhaltensauffälligkeiten und Anzeichen einer Essstörung können sein:
- Die oder der Betroffene ist über längere Zeiträume bedacht wenig und kalorienarm zu essen oder lässt gemeinsame Mahlzeiten gerne ausfallen. Argumente dafür könnten sein, keinen Hunger zu haben, bereits gegessen zu haben, unter Magenproblemen zu leiden, u.a.
- Die oder der Betroffene wechselt von einer Diät zur nächsten, obwohl kein Übergewicht vorliegt.
- Die oder der Betroffene ist zu viel mit seinem Gewicht und dem Thema Essen beschäftigt.
- Die oder der Betroffene verschwindet nach dem Essen regelmäßig auf die Toilette.
- Man findet Abführmittel oder Diuretika.
Bei Verdacht auf eine Essstörung des eigenen Kindes, der Freundin/des Freundes oder der Partnerin/des Partners sollte man die Person direkt ansprechen, die Sorge mitteilen, jedoch keine Vorwürfe machen. Direkte Ansprache wie etwa „Ich habe den Eindruck, dir geht es nicht so gut“ oder die Frage „Wie geht es dir zur Zeit?“ ist besser als mit der Tür ins Haus zu fallen, nach dem Motto „Ich glaube, du hast eine Essstörung!“
Warum können sich magersüchtige Patienten oft schlecht konzentrieren?
Unter Belastung kommt es bei magersüchtigen Patienten leichter zur Unterzuckerung (Hypoglykämie). Die körpereigene Herstellung von Zucker verläuft zu langsam, um bei stärkeren Belastungen genügend Zucker (Glukose) bereitstellen zu können.
Mögliche Symptome einer Unterzuckerung können Konzentrationsstörungen sein. In schwereren Fällen können auch Übelkeit, Schwindel und Kreislaufprobleme auftreten. Bei schwerer Unterzuckerung kann es zur Bewusstlosigkeit kommen.
Beeinträchtigt eine Essstörung die geistigen Fähigkeiten?
Wenn auch magersüchtige Patienten häufig intelligent, fleißig und geradezu verbissen ehrgeizig sind, lassen nicht nur die körperlichen Kräfte mit schwindendem Gewicht nach, sondern auch die geistigen. Das hat dann nichts mit einer nachlassenden Intelligenz zu tun, sondern schlicht mit einem Nährstoffmangel, der auch den Stoffwechsel im Gehirn beeinträchtigt. Denn auch unsere Denkzellen brauchen Futter.
Außerdem führt die ständig bestehende, leichte oder ausgeprägte Unterzuckerung auch häufig zu Konzentrationsstörungen, vor allem bei körperlicher Belastung. Die kleinen Schwächen des Denkvermögens und der Konzentration werden von den Betroffenen dann häufig mit einem noch größeren Ehrgeiz bekämpft.
Liegt immer eine Magersucht vor, wenn der Body-Mass-Index (BMI) unter 17,5 liegt?
Nein, stärkeres Untergewicht kann natürlich auch andere Ursachen haben.
Der Diagnose Magersucht liegen bestimmte Verhaltensauffälligkeiten zugrunde. Deshalb gibt es für die Magersucht und Bulimie Diagnosekriterien, die erfüllt sein müssen. Bei manch einem untergewichtigen Jugendlichen oder jungen Erwachsenen ist das Essverhalten trotz Untergewicht vollkommen unauffällig.
Körperliche Symptome
Warum frieren Magersüchtige ständig?
Aufgrund des Nähstoffmangels schaltet der Köper magersüchtiger Patienten auf „Sparmodus“. Die Temperaturregulation ist gestört, und die Köpertemperatur ist reduziert. Die Betroffenen frieren deshalb sehr leicht.
Mit den mangelnden Fettpolstern, an die man vielleicht zuerst denkt, hat das also nichts zu tun, zumindest nicht direkt. Dieser "Energiesparmodus" kann im Extremfall so weit führen, dass sogar Erfrierungen auftreten.
Folgen für Haut, Haare und Co.
Warum wird die Haut so trocken, Haare und Nägel brüchig?
Bei zu viel Untergewicht schaltet der Körper auf Sparflamme. Stoffwechselprozesse sind verlangsamt. Haut und Haare erneuern sich normalerweise ständig. Dafür benötigen sie aber eine ausreichende Nährstoffversorgung, die bei Magersucht nicht gegeben ist.
Fehlen bestimmte Nährstoffe wie Vitamine und Spurenelemente, etwa Folsäure, Eisen, Vitamin B12, ist die Neubildung der Haut und Hautanhangsgebilde (Haare, Nägel) gestört. Trockene Haut hängt natürlich auch mit einer zu geringen Trinkmenge zusammen.
Warum fallen bei Essstörungen die Haare aus?
Aufgrund der Mangelernährung kann es sowohl bei der Magersucht als auch bei der Bulimie zu verstärktem Haarausfall kommen. Ursache sind die oft extremen Nährstoffverluste. Die führen unter anderem zu trockener, schuppiger Haut, zu brüchigen Nägeln und eben auch zu unterversorgten Haaren. Im günstigsten Fall sehen die Haare dann einfach nur etwas schlapper aus, im ungünstigeren Fall kann das einen massiven Haarausfall zur Folge haben.
Dieser Zusammenhang ist vielen Betroffenen nicht klar, weshalb sie nicht selten einen Arzt aufsuchen und dort nur das Haarausfall-Problem schildern. Ohne Wissen um die Magersucht und ohne diese Diagnose im Kopf zu haben wird der Arzt damit dann tendentiell im Dunkeln tappen.
Wie häufig kommt es bei der Magersucht zum Ausfall der Monatsblutung?
Bei länger bestehender Magersucht setzen die Monatsblutung und der normale Zyklus fast in allen Fällen aus. Ursache ist die Mangelernährung, die unter anderem auch den Hormonhaushalt durcheinander bringt.
Sind die Fettreserven des Körpers einer Frau nahezu aufgebraucht, stellt er unter anderem kaum noch Östrogen her. Dieses weibliche Geschlechtshormon ist aber zur Heranreifung der Eizellen und für den Eisprung unbedingt erforderlich. Magersüchtige Frauen sind deshalb häufig unfruchtbar. Allerdings kehren Periode und Eisprung meist rasch wieder zurück, sobald wieder normal gegessen wird.
Warum schimmert die Haut an Händen und Füßen bei Magersüchtigen manchmal so bläulich?
Was man an den Händen und Füßen von Menschen mit Magersucht manchmal bläulich schimmern sieht, sind die Venen. Die Unternährung führt dazu, dass immer mehr Unterhautfettgewebe abgebaut wird und das wiederum lässt die Venen stärker hervortreten.
Auch an den übrigen Hautpartien sind die bläulichen Venen oft deutlich stärker sichtbar als normalerweise.
Der Abbau des Unterhautfettgewebes hat auch zur Folge, dass Menschen mit Magersucht häufig auffällig stark frieren. Es ist ja praktisch kein Wärmepolster mehr da. Das kann soweit gehen, dass an den Armen, am Rücken oder auch im Gesicht eine flaumartige Behaarung auftritt. Mit dieser sogenannten Lanugobehaarung will der Körper instinktiv verhindern, zu stark auszukühlen.
Weitere körperliche Anzeichen
Magersüchtige haben einen niedrigen Puls. Stimmt das?
Nein. Zwar ist die Herzfrequenz bei Magersüchtigen tatsächlich häufig niedriger (bei etwa jedem dritten Patienten), der langsame Puls ist aber kein verlässliches Diagnose-Kriterium, zumal er auch andere Ursachen haben kann.
Woran kann der Zahnarzt eine Magersucht manchmal erkennen?
Anhand des Zahnstatus kann ein erfahrener Zahnarzt zumindest den Verdacht auf eine Essstörung haben. Magersüchtige Patienten haben im Rahmen der Mangelernährung häufig Zahnfleischprobleme. Aufgrund des Körpergewichts liegt dann manchmal die Vermutung nahe, dass eine Magersucht die Ursache dafür sein könnte.
Da Patienten mit Bulimie manchmal sehr häufig erbrechen und die Zähne deshalb mehrmals täglich mit schädlichen Säuren des Magersaftes Kontakt haben, können Schäden am Zahnschmelz entstehen. Auch diese kann der Zahnarzt erkennen.
Patienten mit Essstörung sollten wie alle anderen auch zweimal pro Jahr zum Zahnarzt gehen. Gut ist, wenn der Zahnarzt über die Essstörung informiert ist, um so möglicherweise Empfehlungen zur Pflege der Zähne geben zu können.
Kommt es bei Magersucht zu Veränderungen im Gehirn?
Tatsächlich ließen sich bei Patienten mit Magersucht Veränderungen in der Hirnstruktur nachweisen. Das Gehirn besteht aus grauer und weißer Hirnsubstanz. Die graue Hirnsubstanz ist bei vielen Magersüchtigen vermindert. Allerdings tritt dieser Effekt erst bei länger bestehender Unterernährung ein.
Warum es zu diesem leichten Verlust an grauer Hirnsubstanz kommt, ist unklar. Im Verlauf der Gewichtszunahme sind diese Veränderungen rückbildungsfähig. Die Rückbildung bei Gewichtszunahme hängt offenbar auch mit einer hormonellen Erholung zusammen.
Verdacht auf Magersucht: Was kann es noch sein?
Es ist wichtig, körperliche Erkrankungen, die möglicherweise zu starkem Gewichtsverlust und Erbrechen führen, diagnostisch auszuschließen. Dies gilt vor allem bei untergewichtigen Mädchen und Jungen, die sehr rasch Gewicht abnehmen.
Grundsätzlich können alle bösartigen Erkrankungen und auch andere chronische Krankheiten mit einer starken Gewichtsabnahme einhergehen. Die krankheitsbedingte Appetitlosigkeit kann als (vermeintliche) Essstörung missgedeutet werden. Auch wenn Erkrankungen wie Krebs als Ursachen einer Gewichtsabnahme bei jungen Menschen selten sind, muss man zumindest daran denken, dies auszuschließen.
Symptome aus Sicht der Betroffenen
Warum erkennen Magersüchtige nicht, dass sie viel zu dünn sind?
Die Eltern sorgen sich, selbst Freunde sagen der Betreffenden, sie sei viel zu dünn – aber sie selbst findet sich zu dick. Selbst wenn die Waage beweist, dass das Gewicht hinuntergeht, sagt das Spiegelbild etwas anderes - nämlich viel zu dick. Warum können Magersüchtige selbst nicht sehen, dass sie untergewichtig sind?
Magersuchtpatienten leiden unter einer sogenannten Körperschemastörung, d.h. sie sehen sich nicht so wie sie tatsächlich aussehen. Sie sehen sich selbst verzerrt, während sie die Formen anderer Menschen realistischer einschätzen können.
Natürlich ist dies nicht zu verallgemeinern. Es gibt durchaus auch Patienten mit Magersucht, die trotz der Erkenntnis extremer Schlankheit sich weiterhin einer Diät aussetzen. Dennoch haben die meisten Menschen mit diesem Problem große Schwierigkeiten, sich und ihren Körper vollständig und richtig wahrnehmen. Das heißt, sie nehmen sich als dick wahr, obwohl sie bereits oft lebensbedrohlich abgemagert sind.
Mit einer Therapie und langsamen kontrollierten Gewichtszunahme lernen sie, sich selbst wieder realistischer zu sehen und einzuschätzen.
Nachweisbare Veränderungen im Gehirn
Aber warum ist das so, woher kommt diese Wahrnehmungsstörung? Die Gründe hierfür werden kontrovers diskutiert und viele Faktoren spielen hierfür eine Rolle.
Studien haben inzwischen belegt, dass die Ursache hierfür schon neuronal, also im Gehirn nachzuweisen ist. Mit Hilfe einer FMRTs (Funktionelle Magnetresonanztomographie) konnte man feststellen, dass die Bereiche, die für die Verarbeitung und Wahrnehmung von Körperbildern relevant sind, weniger stark miteinander verbunden sind als bei gesunden Menschen. Die ersten visuellen Eindrücke gelangen vom Okzipitallappen in die sogenannte "Fusiform Body Area" und von da aus in die „Extrastriate Body Area“. Bei gesunden Menschen ist eine starke Verbindung zwischen diesen beiden Arealen vorhanden, die zu einer realistischen Einschätzung des eigenen Körperbildes führt. Die Verbindung bei Patienten mit Magersucht ist allerdings deutlich schwächer und zeigt so, dass das neuronale Netzwerk für Körperwahrnehmung funktionell beeinträchtigt ist.
Die Gründe hierfür und vor allem die Frage, ob zuerst die Anorexie nervosa oder die funktionelle neuronale Veränderung entstanden ist, bleiben allerdings weiterhin offen. Durch kognitive Verhaltenstherapie, körperschematischen Übungen und wiederholter Konfrontation des eigenen Körperbildes können diese Verbindungen allerdings eventuell wieder verstärkt werden.
Begleiterkrankungen und Folgen
Welche Begleiterkrankungen kommen bei Magersucht und Bulimie häufig vor?
Sehr häufig leiden die Betroffenen zusätzlich an einer Depression. Auch Angsterkrankungen und Zwangsstörungen kommen vor und müssen möglicherweise gleichzeitig behandelt werden.
Wenn man sich vor Augen führt, dass die Magersucht und die Bulimie psychische Erkrankungen mit einer ausgeprägten Zwangskomponente sind, ist das nicht wirklich überraschend. Außerdem ist auch die Erkrankung selbst natürlich belastend, so dass eine depressive Veranlagung auf fruchtbaren Boden fällt.
Antidepressiva keine Dauerlösung
Ist die Stimmung gerade sehr depressiv geprägt, kann eine medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva zeitweise durchaus sinnvoll sein. Dies sind Medikamente, die die Stimmung positiv beeinflussen. Daneben können diese Medikamente auch Symptome der Essstörung lindern. Als Dauermaßnahme sind sie aber eher nicht geeignet, zumal sie de Ursachen der Essstörung kaum beeinflussen können.
Die zahlreichen körperlichen Folgen einer Magersucht infolge der Mangelernährung führen wir hier nicht auf, weil sie nicht im eigentlichen Sinne Begleiterkrankungen sind. Diese direkten Krankheitsfolgen werden in anderen Fragen beantwortet.
Magersucht und Psyche
Neigen essgestörte Patienten zu weiteren psychischen Störungen?
Nicht selten leiden essgestörte Patienten entweder bereits vor Auftreten der Essstörung oder aber begleitend zur Essstörung unter weiteren psychischen Erkrankungen. Dies können in der Hauptsache Depressionen, Ängste oder Zwänge sein.
Auch Suchtmittel können eine Rolle spielen oder Persönlichkeitsstörungen sowie Störungen der Impulskontrolle (etwa selbstverletzendes Verhalten, Ladendiebstahl, u.a.).
Wie häufig geht eine Magersucht mit psychischen Auffälligkeiten einher?
Untersuchungen haben gezeigt, dass rund 95% aller Magersucht-Patienten auch mehr oder minder ausgeprägte psychische Auffälligkeiten oder Störungen zeigen, die die Essstörung begleiten.
Da die Essstörung selbst eine im weitesten Sinne psychische Erkrankung ist, die mit einer Selbstwahrnehmungsstörung einhergeht, ist dieser hohe Wert weniger überraschend, als er vielleicht zunächst wirkt. Außerdem ist die Erkrankung natürlich auch emotional sehr belastend, auch wenn sich das die Betroffenen lange Zeit nicht eingestehen. Die Frustrationen ("schon wieder zugenommen") und die soziale Isolation ("alle Konzentration gilt dem eigenen Körpergewicht") bleiben nicht ohne Folgen, so dass depressive Verstimmungen bei Menschen mit Magersucht und Bulimie sehr häufig sind.
Sind Patienten mit Magersucht gefährdet, andere Essstörungen zu entwickeln?
Essstörungen können ineinander übergehen und sich abwechseln. Patienten mit Magersucht z.B. entwickeln häufiger eine Bulimie.
Es gibt auch Essstörungen, die Merkmale beider Erkrankungen erfüllen, so dass eine Trennung dieser beiden Essstörungen schwer fällt.
Warum haben Patienten mit Essstörung häufig einen Kaliummangel?
Zum einen haben Patienten mit Magersucht und Bulimie häufig bereits durch die Mangelernährung einen Kaliummangel. Zum anderen führt das Erbrechen bei Bulimie zu weiteren Kaliumverlusten.
Das ist nicht einfach nur ein harmlos veränderter Laborwert. Ein Kaliummangel erhöht unter anderem das Risiko für Herzrhythmusstörungen.
Können Frauen mit Magersucht oder Bulimie ein Kind bekommen?
Solange Frauen mit einer Magersucht oder Bulimie regelmäßig ihre Periode bekommen, können sie auch schwanger werden und ein Kind bekommen. Ob dies allerdings bei dem vorliegenden Untergewicht und der Mangelernährung oder den Fressattacken mit Erbrechen und anderen gewichtsreduzierenden Maßnahmen sinnvoll ist, ist fraglich.
Denn zum einen ist natürlich die Entwicklung des Kindes im Mutterleib gefährdet, wenn die Mutter an einer Essstörung leidet. Ist die Mutter mangelernährt, wird auch das ungeborene Kind nicht genug Nährstoffe erhalten, um sich gesund zu entwickeln.
Ehrlich hinterfragen – dem gesunden Kind zuliebe
Zum anderen muss man sich als betroffene Frau ehrlich die Frage stellen, wie man mit der Gewichtszunahme zurechtkommen würde. Die ist ja in der Schwangerschaft nicht mehr zu vermeiden. Und wenn dann während der Schwangerschaft die Magersucht nicht beherrschbar ist, entsteht große Gefahr für das Kind.
Nicht zuletzt sollten Sie auch die Vorbildfunktion in punkto Essen nicht vergessen. Nur Eltern, die ein gesundes Essverhalten haben, können das auch an ihre Kinder weiter geben.
Deshalb macht es viel Sinn, sich vor der Planung einer Schwangerschaft vernünftig behandeln zu lassen, um die Essstörung wirklich in den Griff zu bekommen.
Alltag mit Magersucht
Warum haben Menschen mit Magersucht oft keine sexuelle Beziehung?
Die meisten Menschen mit Magersucht legen keinen großen Wert auf eine Partnerschaft und ziehen sich allgemein eher zurück. Sie vermeiden sexuelle Kontakte in der Regel.
Die Gründe haben mit den Ursachen der Erkrankung zu tun. Eines der prägenden Elemente der Magersucht ist ja, dass der Körper vor allem in Bezug auf sein Gewicht wahrgenommen wird. Und dass jedes Vergnügen, jedes Loslassen von dem selbst erstellten, straffen Abnehmplan tendentiell zur Gewichtszunahme führt. Da wird der Körper dann schnell zum Feind. Und ein gestörtes Verhältnis zu seinem eigenen Körper ist keine gute Basis für entspannten Sex.
Tatsache ist: Die meisten Menschen mit Magersucht gehen sexuellen Kontakten aus dem Weg. Das muss aber im Umkehrschluss – wenn Sie selbst an einer Essstörung leiden – nicht bedeuten, dass Sie das Thema einfach abschenken sollten. Im Gegenteil: Jede körperliche Annäherung ist auch so etwas wie eine Therapie.
Reicht die ausbleibende Periode als Verhütungsmaßnahme aus?
Auf keinen Fall sollten sich Frauen mit Magersucht oder Bulimie darauf verlassen, aufgrund der ausbleibenden Periode nicht schwanger werden zu können. Zwar stimmt es, dass Frauen, deren Periode ausbleibt, meist während dieser Zeit auch nicht fruchtbar sind. Doch hundertprozentig sicher ist das nicht.
Deshalb: Verhütungsmaßnahmen sind auch bei ausbleibender Periode sinnvoll und dringend zu empfehlen – zumal eine ungewollte Schwangerschaft bei Patientinnen mit Magersucht oder Bulimie wegen des Untergewichts auch erhebliche Risiken für das Kind birgt.
Tipps für Angehörige und Freunde
Wer ist der richtige Ansprechpartner bei Verdacht auf eine Essstörung?
Haben Sie als Eltern, Partner, Freunde oder Betroffene selbst den Verdacht auf eine Essstörung, ist der Besuch eines Facharztes, einer Beratungsstelle oder die ambulante Vorstellung in einer Klinik ratsam.
Fachärzte für die Erkrankung sind Ärzte für Psychiatrie, Psychosomatik sowie auf Essstörungen spezialisierte Psychologen. Aber natürlich kann auch der Hausarzt zunächst einmal um Rat gefragt werden. Auch verschiedene Abteilungen im Krankenhaus behandeln Patienten mit Magersucht.
Erste Kontakte können Betroffene oder Familienmitglieder auch zu Selbsthilfegruppen oder Beratungsstellen knüpfen. Kliniken, Ärzte, Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen und Therapeuten finden sich etwa nach Postleitzahlenbereich geordnet online unter www.magersucht.de.
Unterstützung und Hilfe
Magersucht: Wie kann ich als Angehöriger am besten Unterstützung leisten?
Einen nahestehenden Menschen leiden zu sehen, ist für niemanden gut erträglich. Besonders schlimm ist es jedoch, jemanden augenscheinlich beim Verhungern zusehen zu müssen, wie das bei der Magersucht im Extremfall durchaus passieren kann.
Was also tun, um Rat und Beistand zu leisten und bestenfalls aus der Krankheit heraus zu begleiten. Leider gibt es hierfür keine Patentregel. Viele Patienten mit Magersucht isolieren sich im Krankheitsverlauf immer mehr von ihren sozialen Kontakten und verfallen dadurch nur noch mehr in eine negative Spirale. Um dem entgegenzuwirken und das als Angehöriger auszuhalten, bedarf es viel Kraft. Deshalb ist es wichtig, dass man nur so weit begleiten kann, wie die persönlichen Ressourcen es zulassen.
Hilfreich: Verständnis und Akzeptanz
Eine Möglichkeit der Unterstützung ist es allerdings, nicht mit Unverständnis auf oftmals stark emotionale oder irrationale Aussagen zu reagieren, sondern Raum für Gespräche und Gefühle zu bieten. Oft kann es schon helfen, zu signalisieren, dass man die derzeitige Lage verstehen möchte und akzeptieren kann, dass die erkrankte Person andere Wahrnehmungen hat, als die Realität zeigt.
Auch bei gemeinsamen Mahlzeiten ist es wichtig, keinen Druck aufzubauen, sondern einen verständnisvollen, nicht wertenden Umgang zu finden. Trotzdem kann eine regelmäßige, kontrollierte Konfrontation, besonders in Bezug auf das Körperbild und das Essverhalten, durchaus hilfreich sein.
Nicht abwenden, sondern begleiten
Das Wichtigste ist jedoch, dass Sie sich nicht abwenden. Die soziale Isolation ist von den Patienten mit Magersucht nicht gewünscht, sondern nur Ausdruck von Hilflosigkeit. Die negative Spirale der Essstörung wird dadurch nur noch mehr unterstützt.
Ein eigener Therapieversuch kann als Angehöriger selbstverständlich nicht geleistet werden und ist für die eigene psychische Gesundheit auch durchaus nicht förderlich. Die Begleitung zu einer professionellen Therapie und der emotionale Beistand durch fürsorgliche und liebende, aber nicht strafende Worte, können jedoch stark zur Genesung beitragen. Für die Patienten mit Magersucht ist es wichtig zu erfahren, dass sie trotz Gewichtszunahme, trotz jeglicher Veränderung, akzeptiert und wertgeschätzt werden.
Magersucht oder Bulimie: Wie kann man den Betroffenen am ehesten helfen?
Um das Essverhalten von Menschen mit Magersucht oder Bulimie zu verändern, braucht es in der Regel eine länger andauernde Therapie. Auch wenn Sie dem oder der Betroffenen sehr nahe stehen, wenn es sich zum Beispiel um Ihre Tochter handelt, können Sie das Essverhalten Ihrer Liebsten kaum beeinflussen. Das gelingt sehr viel eher "neutralen" und fachkundigen Therapeuten.
Wichtig ist es aber, bleiben wir beim Beispiel mit der Tochter, sie nicht „fallen“ zu lassen, sondern im Gegenteil, sie mit ihrer Krankheit zu akzeptieren und zu unterstützen. Hilfreich kann es schon sein, zu sagen, dass man für sie da ist und sie jederzeit kommen kann, wenn sie Hilfe braucht. Hilfe kann darüber hinaus auch bedeuten, Termine, etwa bei Beratungsstellen, beim Arzt oder bei Krankenkassen, zu begleiten oder die Begleitung anzubieten.
Magersucht lässt sich nicht wegdiskutieren
Den natürlichen Reflex, das Problem durch gutes Zureden beseitigen zu wollen, können Sie vergessen. Das hilft dem oder der Betroffenen nicht, im Gegenteil. Seien sie da, Seien Sie in der Nähe, zeigen Sie Verständnis, aber verzichten Sie auf Druck.
Am allerwichtigsten bei Magersucht und Bulimie ist professionelle Hilfe.
Wie spreche ich den Betroffenen an, wenn ich den Verdacht auf eine Essstörung (Magersucht/Bulimie) habe?
Wenn Sie befürchten, dass Ihr eigenes Kind, vielleicht Ihre Schwester oder Ihre Freundin an einer Essstörung leidet, sollten Sie mit dem Betreffenden in Ruhe sprechen. Wichtig ist, dass Sie Ihre Sorge um den Anderen mitteilen.
Keinesfalls sollten Sie den Anderen bei Verdacht auf eine Essstörung mit der eigenen Idee überfallen oder dem Betreffenden gar Vorwürfe machen. Nur ein vertrauensvolles Gespräch mit dem Angebot der Hilfe und Unterstützung öffnet den Betroffenen vielleicht soweit, dass sich eine mögliche Erkrankung abklären lässt.
Theapie gegen den eigenen Willen: Ist das möglich?
Magersucht: Können die Eltern ihr Kind zu einer Therapie zwingen?
Nein. Auch wenn die Eltern von Kindern mit Magersucht oder Bulimie den völlig verständlichen Drang haben, sofort eine Behandlung zu starten – erzwingen können sie es nicht. Die einzige Ausnahme sind lebensbedrohliche Krisensituationen.
Das mag aus Sicht der Eltern zunächst inakzeptabel klingen, weil sie doch nur helfen wollen und für ihr Kind verantwortlich sind. Aber was man sich dabei klar machen muss: Eine erzwungene Behandlung würde überhaupt nichts bringen, wäre sogar kontraproduktiv. Ein unwilliger Patient mit Magersucht und Bulimie lässt sich – ganz unabhängig vom Alter – nicht erfolgreich therapieren.
Nicht aufgeben, nicht verzweifeln!
Wichtig ist in diesem Fall, nicht aufzugeben, sondern weiter zu versuchen, die Motivation zur Behandlung und Einsicht in die Notwendigkeit zu fördern. Das ist leider nicht immer einfach und erfordert viel Geduld und Beharrlichkeit. Aber es ist immer wieder wichtig sich klarzumachen, dass einseitiger Zwang – abgesehen von Notfallsituationen wie akuten körperlichen oder psychischen Krisen – nicht zu einer Heilung führt.
Näheres zu diesem schwierigen Thema erfahren Sie auch in Beratungsstellen zu Magersucht und Bulimie vor Ort.
Kann oder soll man Menschen mit Magersucht zum Essen zwingen?
Grundsätzlich kann man niemanden zu einer Behandlung oder zum Essen zwingen. Bei Menschen mit Magersucht oder Bulimie würde das auch wenig bringen, solange die Ursache der Essstörung nicht angegangen wird.
Tritt allerdings ein lebensbedrohlicher Zustand auf, kann eine Zwangsernährung notwendig werden, bis der körperliche Zustand wieder stabil ist. Leider kommen solche Krisensituationen gar nicht so selten vor. Und dann steht die Lebensrettung als Wert höher als die Selbstbestimmung, so wird es zumindest offiziell gehandhabt.
Abgesehen davon ist aber nur eine Behandlung auf freiwilliger Basis erfolgsversprechend. Denn der entscheidende Erfolgsfaktor ist die sogenannte Krankheitseinsicht, und die kann man nicht erzwingen, nur gemeinsam erarbeiten.
Was soll man tun, wenn Menschen mit Magersucht Selbstmordgedanken haben?
Berichtet Ihnen Ihr Kind oder eine anderweitig nahestehende Person mit Magersucht oder Bulimie von Selbstmordgedanken, dann sollten Sie das in jedem Fall ernst nehmen. Das gilt auch für andere selbstgefährdende oder fremdgefährdende Gedanken oder Taten.
Leider sind Essstörungen wie die Magersucht sehr häufig auch mit depressiven Gedanken verbunden – zumindest zweitweise. Und in einigen – zum Glück seltenen – Fällen kann das tatsächlich bis hin zu Selbstmordplänen gehen.
Unbedingt Therapeuten einbeziehen
Wenn das passiert, sollten Sie unbedingt einen Therapeuten informieren. Denn auf jeden Fall ist dann eine Behandlung notwendig. Nicht der Magersucht, sondern der Depression. Es kann dabei sinnvoll oder sogar erforderlich sein, den Betreffenden vorübergehend stationär aufzunehmen – auch gegen dessen Willen.
Die fachkundigen Therapeuten können am besten beurteilen, wann keine Selbstgefährdung mehr vorliegt und der Betreffende entweder auf eine andere Station oder nach Hause entlassen werden kann.
Kostet der Besuch einer Beratungsstelle für Magersucht oder Bulimie Geld?
Nein, der Besuch einer Beratungsstelle ist kostenlos und verpflichtet zu nichts. Hier können Betroffene sich in Ruhe und unverbindlich beraten lassen und anschließend eine Entscheidung treffen.
Beratungsstellen und Informationsquellen
Magersucht: Wo kann man als Angehöriger oder Freund Informationen bekommen?
Es gibt zum Thema Magersucht und Bulimie fast in jeder Stadt Beratungsstellungen oder andere Organisationen, die sich mit Essstörungen auskennen. In den größeren Städten sogar mehrere. Hinzu kommen die Selbsthilfegruppen, die meist ebenfalls mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Normalerweise sollte Ihnen eine einfache Google-Suche genügen, um die jeweiligen Kontaktadressen in Ihrer Region herauszufinden. Falls das nicht fruchtet, wissen auch die meisten Hausärzte, an wen man sich wenden kann. Und psychotherapeutisch orientierte Ärzte natürlich auch-
Im Internet bieten verschiedenste Seiten umfassende Informationen dazu an. Adressen von Beratungsstellen finden sich z.B. unter www.magersucht-online.de.
Beratung lohnt sich – und schützt vor Missverständnissen
Wir können Ihnen nur empfehlen, diese Beratungsangebote tatsächlich zu nutzen – egal, ob Sie nun Eltern, Partner oder gute Freunde sind. Denn gerade, wenn man zuvor mit Magersucht oder Bulimie noch nicht in Berührung gekommen ist, ist die Gefahr von Missverständnissen und Fehldeutungen groß. Missverständnisse in dem Sinne, dass bestimmte Verhaltensweisen der Betroffenen völlig falsch interpretiert werden. Das fängt schon damit an, dass der naheliegende, "vernünftige" Ansatz "Aber Du musst doch jetzt damit aufhören" vollkommen sinnlos ist, solange die Ursache der Erkrankung nicht therapeutisch bearbeitet wird. Und es geht weiter damit, dass abgrenzendes Verhalten und Notlügen der Betroffenen oft persönlich genommen werden, was dann wieder zu Verletzungen führt, die gar nicht notwendig wären, könnte man sie besser einordnen.
Fazit: Wenn Sie helfen wollen, macht es ausgesprochen viel Sinn, sich umfassend über diese Erkrankungen zu informieren.
Magersucht und Bulimie: Kann man sich auch anonym informieren?
Ob Sie nun Eltern, Partner oder Freunde sind: Wenn Sie Fragen zur Magersucht und Bulimie haben und sich zunächst lieber anonym von Fachleuten beraten lassen möchten, sind Sie beim "Beratungs- und Informationsserver zu Essstörungen" gut aufgehoben. Kostenfrei und anonym bietet das Beratungsportal "www.ab-server.de" individuelle Beratungen durch erfahrene Psychotherapeuten an.
Das gilt natürlich auch, wenn Sie selbst eine Magersucht oder Bulimie haben oder das vermuten. Die Mitarbeiter von "ab-server.de" koordinieren und bearbeiten Deine/Ihre Anfragen. Einfach einen (Phantasie-)Namen und ein Passwort bestimmen. Damit wird ein Postfach, ein Beratungsbereich angelegt. In diesem Bereich kann nach dem Einloggen die Anfrage hinterlassen werden. Die BeraterInnen, die Zugang zu diesem Beratungsbereich erhalten, erstellen dort ihre Antwort, die nach erneutem Login von der/dem Anfragenden eingesehen werden kann.
Magersucht und Bulimie: Gibt es für Angehörige Hilfsmöglichkeiten und Unterstützung?
Es gibt in fast allen Städten und Regionen Selbsthilfegruppen für Angehörige essgestörter Patienten. Also vor allem für Eltern von Kindern mit Magersucht oder Bulimie. Erkundigen Sie sich über solche Gruppen am besten bei Ihrem Hausarzt oder bei Beratungsstellen für Essstörungen.
Für die meisten Eltern oder Angehörigen ist es sehr sinnvoll, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Gerade weil der Umgang mit der Erkrankung im Alltag oft so schwierig ist und man dabei auch zu eigenem Fehlverhalten neigt, hilft es oft, sich mit Anderen darüber zu unterhalten.
Möglich ist auch, selbst eine Psychotherapie zu beginnen und mit einem Therapeuten über die Dinge zu sprechen, die einen belasten. Darüber hinaus gibt es Organisationen wie ANAD e.V., die Seminare für Eltern und Angehörige veranstalten. Nicht zuletzt bietet sich eine Familientherapie an, wenn die Ursache der Essstörung mit der familiären Situation in Zusammenhang steht.
Tipps für Betroffene
Magersucht oder Bulimie: Wem soll man sich anvertrauen?
Viele Menschen mit Magersucht oder Bulimie haben Angst oder Bedenken, sich Eltern, Familie oder Freunden anzuvertrauen und verheimlichen diesen deshalb die Krankheit. Das ist sehr gut nachvollziehbar, denn wer berichtet schon gern über ein "peinliches" oder tabuisiertes Problem. Und tatsächlich gelingt es gerade den Eltern längst nicht immer, auf diese Neuigkeit sofort gefasst und sachlich zu reagieren. Auch das ist gut verständlich, macht den Schritt aber nicht einfacher (auch wenn er richtig wäre).
Auf der anderen Seite kann es aber enorm hilfreich sein, über die Magersucht oder Bulimie zu sprechen. Oder auch einfach nur über das überstarke Bestreben, ganz ganz schlank zu sein.
Foren: Fluch und Segen zugleich
Ein naheliegender Impuls ist dann bei Vielen, einfach Kontakt zu anderen Betroffenen und Gleichgesinnten im Internet zu suchen. Da bleibt man anonym und die anderen Forums-Mitglieder können einen gut verstehen. Allerdings ist das Herumtreiben in Internet-Foren auch nicht ganz unproblematisch. Weil ein nicht geringer Anteil der Kontakte, die man dort trifft oder von denen man liest, einen eher noch weiter runterzieht als irgendwelche Wege aus der Sackgasse zu zeigen.
Menschen, die das Problem bei sich erfolgreich bekämpft und besiegt haben, trifft man in diesen Foren zwar auch. Aber man trifft eben auch sehr viele, die einfach nur loswerden wollen, wie miserabel es ihnen geht und wie schlecht die Welt ist. Oder die stolz über noch größere Kiloverluste berichten.
Damit Sie uns nicht falsch verstehen: Dieser Austausch mit Mitbetroffenen kann sehr hilfreich sein. Aber Sie sollten in Ihrem eigenen Interesse schauen, dass Sie die Forums-Kontakte eher dazu nutzen, aus der Magersucht rauszukommen, und nicht dazu, noch magersüchtiger zu werden.
Unser Tipp: Beratungsstellen
Empfehlenswert ist natürlich immer der Kontakt zu einer neutralen Person mit Fachkenntnis. Das kann theoretisch ein Arzt sein, aber nur die wenigsten haben wirklich große Fachkenntnisse in Sachen Magersucht und Bulimie und die wenigsten nehmen sich genug Zeit für ein tieferes Gespräch oder hören einfach mal eine Weile zu.
Deshalb ist unsere größte Empfehlung, und jetzt sind wir bei der Ausgangsfrage: Suchen Sie Kontakt zu einer Beratungsstelle für Magersucht und Bulimie. Deren Mitarbeiter kennen sich mit Essstörungen gut aus und können meist wirklich weiter helfen. Alternativ ist auch eine Selbsthilfegruppe ein guter Ansatz.
Wir raten allerdings dennoch dazu, Eltern, Partner oder Freunde so rasch es geht einzuweihen. Das ist schwierig, dennoch richtig und wichtig. Und die Geheimhaltung lässt sich meist ohnehin nicht lange aufrechterhalten. Und von allein verschwindet das Problem leider selten.
Therapie und Beratung bei Minderjährigen
Müssen die Eltern von einer Therapie der Magersucht oder Bulimie erfahren?
Diese Frage stellt sich manch eine Betroffene, weil es ihr unangenehm ist, ihre Eltern oder Freunde einzuweihen. Allerdings kann diese Geheimhaltung meist ohnehin nicht lange aufrechterhalten werden und ist auch nicht sinnvoll.
Bei Minderjährigen erfahren die Eltern automatisch von einer geplanten Behandlung. Zwar dürfen bereits Jugendliche ab 15 Jahre einen Antrag auf Therapie bei der Krankenkasse stellen, doch wendet sich diese immer an die Eltern, da das Kind nicht volljährig ist.
Bei Volljährigkeit findet der Schriftverkehr hingegen mit dem Patienten selbst statt, auch wenn dieser bei den Eltern mitversichert ist. Wir raten allerdings selbst dann dringend von dieser Geheimhaltung ab. Das Problem ist ja da, und es wird nicht dadurch besser, dass man es verschweigt. Im Gegenteil: Das Einbeziehen von Eltern, Partnern oder Freunden wirkt sich oft sehr positiv aus und kann bei dem Weg aus der Erkrankung heraus enorm hilfreich sein.
Magersucht: Erfahren die Eltern von dem Besuch in einer Beratungsstelle?
Nein, Kinder und Jugendliche, die sich wegen Magersucht oder Bulimie beraten lassen möchten, können das auch ohne Kenntnis der Eltern tun. Die Mitarbeiter der Beratungsstellen sind an die Schweigepflicht gebunden.
Anonymität gewahrt, dennoch lohnt sich Offenheit
Ungeachtet dieses gesetzlichen Rahmens können wir aber nur dazu raten, möglichst frühzeitig auch das Gespräch mit der Familie zu suchen. Das mag schwer sein und die Reaktion der Eltern kann durchaus problematisch sein, dennoch ist das allemal besser als ein monate- oder gar jahrelanges Verschweigen. Essstörungen wie Magersucht und Bulimie gehen in der Regel nicht von allein wieder weg, jedenfalls nicht auf die Schnelle, und die Wahrscheinlichkeit, dass die Eltern oder Familienmitglieder irgendwann etwas bemerken, ist sehr hoch. Dann kommt bei den Eltern oder Angehörigen zu der schwierigen Erstverarbeitung der Diagnose auch noch das Verletzsein wegen des Nicht-Erzählens hinzu.
Das alles ändert aber natürlich nichts daran, dass Sie erste Gespräche mit einer Beratungsstelle anonym führen können. Das ist oft sogar hilfreich, weil es dort viel einfacher ist, offen zu sein und nichts zu verschweigen.
Behandlung im Überblick
Wie wird Magersucht behandelt?
Einfach mehr essen – dieser Ratschlag hilft Patienten mit Magersucht oder Bulimie nicht. Betroffene benötigen eine oft langjährige Psychotherapie. Denn der Krankheit liegen seelische Ursachen zugrunde, so dass die Behandlung der körperlichen Symptome und des Untergewichts allein nicht wirksam wäre.
In der Therapie gilt es, die individuelle Problematik aufzudecken und zu bearbeiten.
In der Behandlung spielen verschiedene Therapien eine Rolle: Tiefenpsychologisch fundierte Einzel- und Gruppentherapien, Verhaltenstherapien, systemische Therapien (Einbeziehung der Familie v a. bei jüngeren Patienten), Gestalttherapien und Musiktherapien.
Therapie bei Magersucht
Brauchen alle Patienten mit Magersucht oder Bulimie eine Therapie?
Es gibt durchaus Fälle, die sich von allein bessern oder von allein überwunden werden. Dies sind aber die Ausnahmen. Die Wurzeln der Essstörung liegen meist tiefer, so dass eine fachkundige Psychotherapie sehr wichtig ist, um eine anhaltende Besserung oder Heilung der Erkrankung zu erreichen.
Die mangelnde Einsicht des oder der Betreffenden, dass er oder sie eine Behandlung benötigt, heißt freilich nicht, dass eine Behandlung nicht notwendig wäre. Im Gegenteil. Da man eine Therapie aber nicht erzwingen kann bzw. das nichts bringen würde, geht es in diesem Fall nur mit beharrlicher Motivation. Wichtig ist auch, hier nach Möglichkeit gute Freunde oder andere nahe Bezugspersonen einzubinden.
Was bringt eine Psychotherapie bei Magersucht?
Mitunter eine ganze Menge. Zumindest sind die Vorbehalte einiger Eltern gegen eine solche Behandlungsmethode ("Meine Tochter ist doch nicht geisteskrank") völlig unberechtigt, denn in der Tat liegt die Ursache einer Magersucht ja vermutlich häufig in einer unbewussten "Überkontrolle".
Eine Psychotherapie versucht solchen unbewussten Konflikten der Seele auf die Spur zu kommen und sie zu entmachten. Dafür ist ein tiefer Einblick in die Lebensgeschichte unabdinglich. Und damit natürlich auch eine Reflexion, was zwischen Eltern und Kind passiert ist.
Genau das ist aber für Eltern natürlich oft schwierig, wenn sie zum ersten Mal davon hören. Unser Tipp: Sie sollten sich davon nicht in die Schuld-Ecke gedrängt fühlen, denn darum geht es gar nicht. Es geht eher darum, herauszufinden, wie bestimmte Verschaltungen im Kopf in Bezug auf Beziehungen, Handlungskontrolle, Harmoniebedürfnis etc. entstanden sind. Denn nur dann kann man sie "umprogrammieren". Darauf zumindest basiert ein Prinzip der Psychotherapie.
Mögliche "Seelenkonflikte" betreffen die Bereiche:
- emotionale Abhängigkeiten / unbewusstes Streben nach Unabhängigkeit (vor allem in der Pubertät)
- innerer Leistungsanspruch und Leistungskontrolle
- Harmoniebedürfnis
- Unterdrückung stark emotionaler Entladungen (Streit, sich mal gehen lassen, unbändige Lust auf etwas, etc.)
Der psychotherapeutische Ansatz geht davon aus, dass die Ess-Störung nur eine Art Ersatzhandlung ist, um diese seelischen Konflikte zu umgehen.
Kann normales Essen erlernt werden?
Normales und gesundes Essen zu erlernen oder wieder zu erlernen ist ein entscheidendes Ziel der Behandlung essgestörter Patienten.
Gesunde und ausreichende Nahrung regelmäßig und lustvoll zu verzehren ist aber nur ein Bestandteil der Behandlung und funktioniert langfristig nur, wenn die Ursachen der Essstörung erkannt und die zugrundeliegenden Störungen behandelt werden. Der Patient muss lernen sich und sein Verhalten selbst zu verstehen, und andere Strategien entwickeln zu können, mit Problemen umzugehen.
Wie lange dauert die Behandlung der Magersucht?
Die Länge der Therapie ist individuell unterschiedlich. An Wochen oder Monate eines stationären Aufenthalts schließt sich in der Regel eine ambulante Therapie an, die etwa wöchentlich oder später in größeren Abständen über Jahre fortgeführt werden kann.
Die Dauer der Behandlung ist häufig auch von der Dauer der Krankheit abhängig. Besteht die Krankheit erst kürzere Zeit, ist auch die Aussicht auf eine raschere Heilung gegeben. Hat sich umgekehrt das falsche Essverhalten über Jahre bis Jahrzehnte manifestiert, ist es schwerer aus diesem Verhalten auszubrechen und neue Wege zu beschreiten.
Deshalb ist die frühe Behandlung sehr wichtig. Aber auch später dürfen Sie als Betroffene oder Angehörige die Hoffnung auf eine Verbesserung der Krankheit durch eine konsequente Behandlung nicht aufgeben.
Familiensitzungen und Medikamente
Magersucht: Sollte die Familie in die Behandlung einbezogen werden?
Bei der Behandlung von Magersucht oder Bulimie stellt sich in der Regel irgendwann die Frage, ob nicht die Eltern oder andere Familienangehörige an den Therapiesitzungen teilnehmen sollten. Nicht immer ist das möglich, aber in den meisten Fällen ist es sinnvoll.
Die Entscheidung darüber, ob und wann die Familie oder die Eltern in die Behandlung einbezogen werden, treffen im besten Fall der Therapeut, Patient und Eltern bzw. Familienmitglieder gemeinsam. Schließlich sollten möglichst alle mit den gemeinsamen Therapiestunden einverstanden sein, damit diese für alle fruchtbar sind.
Da Magersucht oder Bulimie sich automatisch auf den Alltag einer Familie auswirken und diesen mitbestimmen, empfehlen die Experten in den meisten Fällen, ab einem bestimmten Zeitpunkt die Eltern oder Familie auch in die Behandlung einzubinden.
Wann bekommen Patienten mit Magersucht oder Bulimie Medikamente?
Medikamente direkt gegen die Essstörung gibt es nicht. Allerdings werden sie häufig zur Behandlung körperlicher oder seelischer Begleiterscheinungen eingesetzt.
Dies gilt vor allem für eine häufig gleichzeitig vorkommende Depression sowie zur Behandlung der Ernährungs-Mangelzustände (gezielte Zufuhr von Nährstoffen).
Stationäre oder ambulante Therapie?
Ob eher eine stationäre oder ambulante Behandlung der Magersucht besser ist, lässt sich nicht einfach beantworten. Für viele Magersüchtige ist es gut, einige Wochen oder gar Monate das persönliche Umfeld zu verlassen und sich auf einen stationären Aufenthalt einzustellen.
Der Abstand zum Alltag, zu Beziehungen und Problemen wirkt möglicherweise befreiend und öffnet erst für entsprechende Behandlungen, deren Ziel nur oberflächlich das Erreichen eines normalen Essverhaltens ist.
Andererseits kann auch das Verbleiben im persönlichen Umfeld wichtig sein, etwa weil eine Unterbrechung von Schule oder Ausbildung sehr nachteilig wäre und neue Probleme mit sich bringen würde. Auch ambulant gibt es gute und manchmal ausreichende Therapieangebote. Insbesondere bei gegebener familiärer Unterstützung kann eine ambulante Behandlung sinnvoll sein.
Ambulante Therapie
Wie finde ich den richtigen Therapeuten?
Den richtigen Therapeuten zu finden, ist sehr wichtig, gelingt aber nicht immer auf Anhieb. Von entscheidender Bedeutung für den Erfolg sind Sympathie und Vertrauen.
Oder, um es noch deutlicher auszudrücken: Fehlt es an Sympathie und Vertrauen, ist die Behandlung fast schon zum Scheitern verurteilt und Sie sollten ernsthaft über einen Wechsel des Therapeuten nachdenken.
Wichtig ist auch, dass der Therapeut Erfahrungen mit essgestörten Patienten hat.
Vieles andere ist sicher Geschmackssache und hängt auch von der "Chemie" ab. Klappt es beim ersten, zweiten oder auch dritten Versuch nicht mit dem Therapeuten, lohnt sich dennoch ein vierter Versuch nach der Devise: Ja nicht aufgeben!
Wie bekommt man einen ambulanten Therapieplatz?
Einer stationären Therapie sollte sich in aller Regel eine ambulante Weiterbehandlung bei einem niedergelassenen Therapeuten anschließen. Viele Stationen in Krankenhäusern haben eine Liste mit Therapeuten, die in Frage kommen.
Leider bekommt man nicht immer zeitnah einen Termin – dies hängt von der Auslastung des Therapeuten ab. Warten Sie ggf. lieber nicht zu lange mit dieser Anschlussbehandlung, sondern wählen Sie dann nach Möglichkeit einen anderen Therapeuten aus.
Stationäre Therapie
Welche Klinik ist die beste?
Für Betroffene von Essstörungen und ihre Familie stellt sich oft die Frage: Welche Klinik oder psychotherapeutische Praxis leistet sehr gute Arbeit bei der Behandlung von Essstörungen? Welche Einrichtung genießt einen sehr guten Ruf und wird mir am besten helfen können?
Einen guten Eindruck auch über persönliche Erfahrungen mit verschiedenen Kliniken in verschiedenen Bundesländern bietet der Bericht „Gute Klinik – schlechte Klinik“ zur Versorgungslage von Essstörungen in Deutschland. Wissenschaftlich analysiert und aufbereitet wurden hier Ergebnisse einer Online-Befragung 2001 bis 2008 zum subjektiv erlebten Nutzen stationärer Therapien von Patienten mit Essstörungen. Der Bericht in Langfassung findet sich unter www.ab-server.de.
Stationäre Therapie: Ablauf und Klinikwahl
Wird das Essverhalten bei einer stationären Therapie kontrolliert?
Das Essen auf der Station gestaltet sich für Patienten mit Magersucht oder Bulimie oft anders als für Patienten mit anderen Erkrankungen. Essgestörte Patienten nehmen in der Regel an einer sogenannten Essgruppe teil.
Nach den regelmäßigen und portionierten Mahlzeiten sollen außerdem Gefühle und Gedanken während des Essens in Form eines Esstagebuchs dokumentiert werden. Inhalte des Esstagebuchs werden dann einmal pro Woche mit einem Therapeuten besprochen.
Kann man von Seiten der Station gegen seinen Willen entlassen werden?
Sehen die Ärzte und Therapeuten gar keine Fortschritte in der Behandlung, oder sperrt sich ein Patient gegen die Behandlungsansätze, können die Therapeuten beschließen, den Patienten zunächst nicht weiter zu behandeln.
Manchmal kann es noch zu früh für eine Behandlung sein, oder aber nur die Eltern haben den Wunsch, dass ihr Kind die Essstörung bekämpft. Das reicht jedoch nicht aus, der Patient selbst muss auch bereit für eine Behandlung sein.
Allerdings gilt auch hier: Nicht aufgeben, unbedingt nach einiger Zeit einen neuen Anlauf nehmen.
Sollte die Klinik bei einer stationären Magersucht-Therapie lieber näher am Heimatort sein oder entfernt davon?
Die Lage der Klinik kann für manche Patienten eine wichtige Rolle spielen. Manche Betroffene möchten weiter weg, um möglichst viel Abstand vom privaten Umfeld zu gewinnen. Mitunter raten auch die Ärzte und Therapeuten dazu.
Andere möchten Familie und Freunde möglichst nah bei sich haben und entscheiden sich deshalb eher für eine nahe gelegene Klinik.
Nah oder fern – beides kann Vor- und Nachteile mit sich bringen. Und nicht selten hat man sich ja auch schon auf eine bestimmte Klinik festgelegt, weil jemand aus dem privaten Umfeld gute Erfahrungen gemacht hat oder das Therapiekonzept gut gefällt.
Was tun, wenn die Wartezeit für einen stationären Therapieplatz sehr lang ist?
Viele Kliniken haben Wartelisten für Patienten, die eine stationäre Therapie machen möchten. In dringenden Fällen ist die Abteilung sicher bemüht, Patienten so früh wie möglich aufzunehmen. Sind die Wartezeiten zu lang, besteht zum einen die Möglichkeit, in eine andere Klinik zu gehen.
Eine weitere Möglichkeit für Patienten, denen es akut sehr viel schlechter geht, ist eine Krisenintervention. Notfallpatienten können auf Kriseninterventionsstationen nicht abgelehnt werden. Vorübergehend kann auch eine Selbsthilfegruppe sinnvoll sein. Sie finden dort möglicherweise im Kontakt mit anderen Betroffenen gute Unterstützung.
Kann man im Notfall auch ohne Einweisung ins Krankenhaus gehen?
Ja, jeder kann zu jeder Tages- und Nachtzeit ins Krankenhaus gehen und sich in einer Notfallsituation aufnehmen lassen. Nötig ist lediglich die Krankenversicherungskarte.
Bei ernsthaften Krisen, z.B. ausgeprägten depressiven Verstimmungen oder gar Selbstmordgedanken sollten Sie dies auch tun.
Stationäre Therapie von Müttern
Ist es Müttern mit Magersucht möglich, eine stationäre Therapie zu machen?
Auch Eltern mit Magersucht oder Bulimie können eine stationäre Therapie in Anspruch nehmen. Sind die Kinder noch klein und unter 12 Jahren, können Betroffene bei ihrer Krankenkasse eine Haushalts- bzw. Familienhilfe beantragen. Diese kommt meist aus karitativen Einrichtungen wie Caritas oder dem Deutschen Roten Kreuz und bleibt acht Stunden am Tag.
Die Krankenkassen unterstützen auch privat organisierte Hilfen finanziell.
Eine weitere Möglichkeit, etwa bei sehr kleinen Kindern, ist es, diese in die Klinik mitzunehmen. Eine Adressenliste von Kliniken findet sich unter www.hungrig-online.de
Wie werden Kinder, die ihre Mutter in die Klinik begleiten, dort betreut?
Machen Mutter oder Vater eine stationäre Therapie und nehmen ihr Kind mit in die Klinik, ist das Angebot für Kinder unterschiedlich. Schulkinder können manchmal in der Klinik oder in örtlichen Schulen unterrichtet werden. Ähnliches gilt für Kindergartenkinder.
Die Klinik kann im Vorfeld bereits Auskunft über die Betreuungsart geben. Sie sollten sich vorher erkundigen, damit Sie sich nach Ankunft in der Klinik beruhigt auch um Ihre eigene Genesung kümmern können.
Warum sollen Patienten mit Magersucht oder Bulimie in den ersten Wochen eines Klinikaufenthalts keinen Besuch und keinen Urlaub haben?
Viele Kliniken möchten, dass essgestörte Patienten in den ersten Wochen keinen Besuch erhalten und auch nicht z.B. an den Wochenenden nach Hause gehen. Die Gründe dafür sind wohl überlegt. Außenkontakte in der ersten Zeit können den Patienten von seinen Zielen ablenken.
Die Behandlung erfordert gerade zu Beginn die ganze Kraft, Energie und auch eine gewisse Öffnung. Dafür ist die Auseinandersetzung mit sich selbst, aber auch mit anderen Stationsmitgliedern und dem Stationsalltag notwendig.
Klinikaufenthalt: Beantragung und Kosten
Was muss im Zusammenhang mit stationären Aufenthalten bei der Krankenkasse beantragt werden?
Folgende Leistungen müssen Sie bei Ihrer Krankenkasse gesondert beantragen, wenn Sie einen stationären Aufenthalt planen:
- Haushaltshilfen für die Kinder oder die Familie
- Mitnahme der eigenen Kinder in die Klinik
- wenn das eigene Kind mit behandelt werden soll (z.B. wegen der psychischen Belastungen)
Wie hoch dürfen zu leistende Zuzahlungen für Krankenkassenleistungen sein?
Zuzahlungen dürfen die Belastungsgrenze von maximal 2% des Bruttoarbeitslohns im Jahr nicht übersteigen. Für chronisch Kranke gilt der reduzierte Satz von 1%.
Bei einer Zuzahlungsbefreiung entstehen dem Versicherten keine Kosten.
Entstehen dem Patienten Kosten, wenn während eines Klinikaufenthalts eine Haushaltshilfe bestellt wird?
Hier ist wie auch beim stationären Aufenthalt eine Zuzahlung zu leisten.
Wohngruppen
Nach der Therapie: Müssen Jugendliche mit Magersucht nach Hause zurück?
Wenn Betroffene nach einer Therapie nicht ins häusliche Umfeld oder in die Familie zurückkehren wollen oder können, besteht die Möglichkeit, eine Zeit lang in eine betreute therapeutische Wohngruppe zu ziehen.
Es gibt Wohngruppen verschiedener Organisationen in verschiedenen Städten. Ein Verein, der z.B. in München Wohngruppen anbietet, ist ANAD e.V.
Wohngruppen bei Essstörungen
Wer kann in eine Wohngruppe für Magersucht und Bulimie ziehen?
Hier haben verschiedene Einrichtungen möglicherweise unterschiedliche Bestimmungen. Bereits ab einem Alter von 14 Jahren ist eine Wohngruppe möglich.
Als Altersobergrenze gilt bei Wohngruppen von ANAD e.V. in München z.B. 35 Jahre.
Welche Betreuung erhält man in Wohngruppen für Magersucht und Bulimie?
Für solche Wohngruppen ist im Idealfall ein interdisziplinäres Team (interdisziplinär = verschiedene Fachdisziplinen) tätig, das rund um die Uhr medizinisch, pädagogisch, psychotherapeutisch und ernährungstherapeutisch unterstützend zur Seite steht. Aber auch Alltagstätigkeiten wie Schule und Beruf sollen und können die Patienten nachgehen.
Die Aufenthaltsdauer beträgt häufig mehrere Monate. Ziel ist, die Betroffenen in ein selbständiges Leben zu begleiten und die Integration in Familie und soziales Umfeld zu unterstützen.
Mitglieder therapeutischer Wohngruppen versorgen sich selbst. Die Wohngruppen bilden eine Brücke zwischen stationärer und ambulanter Therapie.
Wie wirkt sich der Aufenthalt in einer betreuten Wohngruppe für Magersucht und Bulimie auf den beruflichen Lebenslauf aus?
Da die Wohngruppenmitglieder ihren normalen Tagesaktivitäten wie Schule, Praktikum oder Beruf nachgehen, entstehen keine Lücken im Lebenslauf. Vorteil ist zudem, dass eventuell auftretende Probleme in diesen Bereichen mit den Therapeuten in der Wohngruppe besprochen werden und Lösungsstrategien gefunden werden können.
Selbsthilfegruppen
Ist es sinnvoll, in eine Selbsthilfegruppe zu gehen?
Selbsthilfegruppen können im Anschluss an eine Therapie oder aber auch als begleitende Maßnahme Patienten mit Magersucht oder Bulimie sehr gut unterstützen. Der Austausch mit anderen Betroffenen lässt erst gar nicht Gedanken aufkommen, man sei ganz allein mit seinen Problemen.
Gleichgesinnten kann man sich manchmal leichter mitteilen, denn sie verstehen, worum es geht. Von erfahrenen „alten Hasen“ lässt sich manchmal profitieren, und ihr Rat zählt mehr als der manch anderer.
Letztlich muss natürlich jeder diese Entscheidung für sich selber treffen, aber wir empfehlen, es auf einen Versuch ankommen zu lassen.
Unterstützung durch Selbsthilfegruppen und Vorsicht vor Pro Ana
Was passiert in einer Selbsthilfegruppe für Magersucht?
Wie genau eine Selbsthilfegruppe organisiert ist und in welcher Form sie zusammenkommt, ist natürlich von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich. Entscheidend mitbestimmt wird das letztlich ja auch durch die Teilnehmer. Aber es gibt auch viele Gemeinsamkeiten, die man in fast allen Gruppen antrifft.
Grundsätzlich zu unterscheiden sind offene und geschlossene Gruppen. Zu einer offenen Selbsthilfegruppe kann jeder kommen. Die geschlossenen Gruppen sind dagegen auf eine bestimmte Teilnehmerzahl beschränkt (meist 6-12 Personen) und bleiben in dieser Zusammensetzung für länger zusammen.
Entscheidend: Vertrauen und Austausch
Die meisten uns bekannten Selbsthilfegruppen treffen sich ein- bis zweimal pro Woche. Ein einzelnes Treffen dauert dabei meist zwei bis drei Stunden. Gesprochen wird über alles: über den Alltag, den Umgang mit der Familie und Freunden, über Probleme in der Schule oder im Beruf und natürlich auch über therapeutische Erfahrungen. Wichtig ist in diesen Gruppen das Vertrauen, dass man alles sagen kann, was man denkt oder empfindet, ohne dass man schief angeguckt wird und ohne, dass das den Raum verlässt.
Dabei ist es gar nicht von Bedeutung, dass alle Teilnehmer die gleichen Ess-Störungen haben oder sich in einer ähnlichen Phase befinden. Im Gegenteil: Oft sind gerade die verschiedenen Krankheitsformen (Magersucht, Bulimie, Mischvarianten) und die unterschiedlichen Lebenssituationen in ein und derselben Gruppe hilfreich und bereichernd. Auch was die "Erfahrung" mit der Erkrankung angeht, ist in einer solchen Gruppe meist das gesamte Spektrum vertreten.
Tatsache ist: Der vertrauensvolle Austausch mit anderen Betroffenen kann etwas zur Genesung beitragen, was kein Arzt oder Therapeut in gleicher Weise leisten kann.
Was ist Pro Ana? Welche Gefahr birgt es?
Pro Ana steht für eine Befürwortung und Idealisierung von Anorexie nervosa, also der Magersucht. Es handelt sich um eine nicht-institutionelle Online-Bewegung, mit der besonders Frauen, die an Magersucht erkrankt sind, im Krankheitsverlauf in Kontakt kommen.
Hierbei geht es um den Zusammenschluss vieler junger Frauen, die die Erkrankung und das damit verbundene "dünn sein" bewusst anstreben und verherrlichen. Innerhalb dieser Community gibt es viele Facetten. Sowohl Unterstützungen aber auch sozialer Druck werden hierbei ausgeübt. Viele Frauen suchen sich sogenannte „Twins“, eine Partnerin, mit der sie regelmäßig im Kontakt sind und sich zum Abnehmen motivieren.
Regeln und Rituale
Erkennungszeichen wie ein rotes Armband oder kleine Flügelanhänger tragen zum Zugehörigkeitsgefühl bei. Beliebt sind ebenfalls die sogenannten „Thinsporations“. Hierbei geht es vor allem um Bilder stark abgemagerte junger Frauen, die suggerieren, dass dies der einzig richtige Weg zum Glücklich sein ist. Die Definition von Glück wird auch in den „Regeln von Ana“ anders beschrieben, als es für die meisten Menschen vorstellbar ist. Die Regeln zeigen Möglichkeiten des Hungerns auf, Bestrafungen, falls man doch mehr gegessen hat als vorgesehen, oder Motivationsanregungen, um sein „Ziel“, meist durch eine Kilogrammzahl definiert, zu erreichen.
Zweifelhafte Freundin
Diese sowieso schon schwerwiegende Krankheit wird hierbei zur „Freundin“ gemacht, zur Unterstützerin in allen Lebenslagen, zur Retterin und doch zur Feindin. Pro Ana übernimmt binnen kürzester Zeit mehr Einfluss auf die Betroffenen, als Familie und Freunde schaffen abzufangen – und treibt so noch mehr in die soziale Isolation.
Die Gefahr, die diese Community mit sich bringt, ist offensichtlich. Aufgrund dessen, dass alles als ein großes Geheimnis gewahrt werden soll, ist es sehr schwer für Außenstehende, die Dynamik dahinter zu erkennen. Weiterhin ist es nur Unterstützung einer sowieso schon schweren psychischen Erkrankung, sodass die Einsicht oftmals fehlt, etwas verändern zu wollen. Man kämpft also gegen zwei Windmühlen gleichzeitig. Hier gilt es, nicht den Mut und das Gespräch zum Erkrankten verlieren. Manchmal schafft man es, ein besserer Freund als Ana zu sein.
Prognose
Welche Verläufe gibt es bei der Magersucht?
Eine Magersucht kann unterschiedlich verlaufen. Einige Patienten leiden langfristig an der Krankheit, sind also chronisch krank. Viele Patienten sind nach einer Therapie geheilt, andere erfahren eine spontane Heilung.
Kann man an Magersucht sterben?
Ja, es gibt Fälle von Patienten, die nach meist langer Krankheit sterben. In der Regel haben diese Patienten aber entweder keine Therapie gemacht, Behandlungen wurden vorzeitig abgebrochen oder aber zu spät begonnen.
Gute Chancen auf Heilung haben hingegen Magersuchtpatienten, die sich frühzeitig behandeln lassen und die Therapie auch durchhalten. Positiv wirkt auch die Unterstützung innerhalb der Familie und die Bereitschaft dieser, besonders bei jungen Patienten, an familientherapeutischen Interventionen teilzunehmen.
Vorbeugung
Wie lässt sich einer Essstörung vorbeugen?
Die beste Vorbeugung ist eine gute Ausbildung des Selbstwertgefühls von Kindern und Jugendlichen und ein gutes Körpergefühl. Kinder und Jugendliche möchten sich so angenommen fühlen wie sie sind. Kritische Bemerkungen über das Essverhalten oder die Körperformen sollten unterbleiben.
Auch das Essverhalten in der Familie ist von Bedeutung. Das gemeinsame Essen sollten bereits kleine Kinder als angenehm und lustvoll erleben.
Kritisch zu betrachten sind Schlankheitsideale, wie sie in den Medien allgegenwärtig sind. Auch sind Diäten häufig Einstieg in eine Essstörung. Das heißt, Kinder und Jugendliche sollten allenfalls unter ärztlicher Kontrolle eine sinnvolle Diät oder Nahrungsumstellung beginnen, nicht aber im Alleingang oder unter Kontrolle der Eltern. Ist eine Gewichtsreduktion tatsächlich nötig, um gesundheitlichen Schaden abzuwenden, ist ein Programm zur Gewichtsreduktion zu erarbeiten, um das Gewicht nach Vorgaben kontrolliert zu verlieren.
Kann Information und Aufklärung vor Magersucht schützen?
Wer um Essstörungen, ihre Ursachen und die gesundheitlichen Gefahren weiß und darüber informiert ist, ist sicher besser vor einer Essstörung geschützt als jemand, der darüber wenig oder nichts weiß.
Essstörungen sind ein großes Problem der öffentlichen Gesundheit und der Gesellschaft. Information und Vorsorge (Prävention) etwa in Schulen sind besonders in gefährdeten Altersgruppen sehr wichtig.
Darüber hinaus sind informierte Menschen auch sensibilisiert und können auffällige Verhaltensweisen eher erkennen. Veränderungen zu bemerken und Betroffene anzusprechen kann der erste Schritt in die Therapie bedeuten.
Wissenswertes
Handelt es sich bei der Magersucht und Bulimie tatsächlich um eine Sucht?
Bei der Magersucht und Ess-Brech-Sucht (Bulimie) ist das Essverhalten tatsächlich suchtartig gestört. Die Gewichtsabnahme bei Magersucht oder das Unterlassen der zwanghaften Fressattacken mit anschließenden Maßnahmen der Gewichtskontrolle der Bulimie lösen große Angst aus, ganz ähnlich wie die Ängste anderer Suchtkranker, deren Suchtmittel entzogen wird.
Wenn auch nicht unbedingt die klassischen Kriterien einer Sucht erfüllt sind, handelt es doch um eine suchtartige Erkrankung mit einer Verselbständigung des körperschädigenden Verhaltens.
Wissenswertes zur Magersucht
Seit wann gibt es eigentlich die Magersucht?
Alle Indizien sprechen dafür, dass die Magersucht eine "moderne" Erkrankung ist. Oder sagen wir besser, eine, die dem modernen Leben geschuldet ist. Die erste wissenschaftliche Erwähnung der "Anorexia" stammt aus dem Jahre 1868. Bei einer so auffälligen Erkrankung (wenn junge Menschen freiwillig aufs Essen verzichten, ist das ja praktisch nicht zu übersehen, in früheren und ärmeren Zeiten noch um so weniger) müsste man mit deutlich früheren Berichten rechnen – wenn es die Erkrankung denn schon gab.
Aber dem war wohl nicht so, zumindest nicht in nennenswertem Umfang. Und das wiederum heißt, dass die Erkrankung in den letzten 100 Jahren dramatisch zugenommen hat. Immerhin geht man heute von einer Häufigkeit unter weiblichen Jugendlichen von rund 2% aus (Bulimie 1,3 %, Magersucht 0,7%). Das sind von 1.000 Teenager-Mädchen 20. Und das ist ziemlich viel.
Was war anders zur Zeit Napoleons?
Offen ist die Frage, wie genau das zu erklären ist. Liegt es an der "entfremdeten modernen Welt", in der Geborgenheit, unverkrampfte familiäre Strukturen und ein klares Rollenbewusstsein zunehmend verloren gehen? Oder liegt es an den krankhaft schlanken Models und Schaufensterpuppen, denen man kaum noch ausweichen kann? Wahrscheinlich an beidem. Tatsache ist: Die Mädchen vor 200 Jahren mögen aus emanzipatorischer Sicht unterdrückt und ohne allzuviel Rechte gewesen sein. Aber sie wussten zumindest sehr genau, wo sie stehen und wo die Reise hin geht.
Das ist heute häufig nicht mehr so einfach. Wenn man nach der aktuellen Studienlage geht, scheinen bevorzugt Mädchen aus gutbürgerlichen Familien an Magersucht zu erkranken. Familien mit großem Harmoniebedürfnis, also ohne Konflikte offen auszutragen. Familien mit (unausgesprochener) hoher Erwartungshaltung an die Lebensführung, die man als Teenager schnell mal enttäuschen kann. Alles das wird es zu Napoleons Zeiten und davor kaum gegeben haben. Und die Models schon mal gar nicht.
Eine weitere Beobachtung passt da übrigens ganz gut ins Bild: Seit einigen Jahren nehmen Essstörungen auch bei Jungen und jungen Männern stark zu. Ungefähr seit der Zeit, seit es auch Männer-Mode-Magazine gibt und man auch als Mann über die Medien zunehmend mit unerreichbaren Vorbildern konfrontiert wird (blendend aussehende Alleskönner mit Waschbrettbauch). Mädchen müssen sich mit solch einem Unsinn schon seit den 50er Jahren herumschlagen.
Was bedeutet Krisenintervention?
Geht es jemandem mit Essstörung sehr schlecht, hat jemand gar Selbstmordgedanken, verletzt sich selbst oder gefährdet andere, ist rasche Hilfe und auch Schutz gefragt.
Verschiedene Einrichtungen bieten dann eine manchmal nur wenige Tage andauernde therapeutische Intervention an. Dies können psychiatrische Abteilungen in Krankenhäusern, Kriseninterventionsstationen oder Vereine sein.
Einen guten Überblick über derartige Einrichtungen findet sich im Internet unter www.hungrig-online.de.
Warum sind Models alles andere als gute Vorbilder?
Weil sie unterernährt sind. Zumindest die meisten. Und zwar in einem Maße, das meist irgendwo zwischen stark gesundheitsgefährdet bis ernsthaft krank liegt.
Es gibt dazu ein paar ganz eindrucksvolle Zahlen. Die Schönheitsköniginnen der 1920er Jahre hatten fast alle einen Body-Mass-Index (BMI, ein wissenschaftliches Maß für das Körpergewicht) zwischen 20 und 25. Und genau diese Spanne gilt als "normal" und gesund. Bei den heutigen Models liegt der BMI-Schnitt laut einer aktuellen Studie bei 18,5. Das ist hauchdünn über der Grenze, ab der man von Magersucht spricht.
Viele Models medizinisch betrachtet krank
Noch eine Zahl: In den 70er und 80er Jahren wogen Models im Schnitt 8% weniger als die Allgemeinbevölkerung. Heute sind es 25% weniger! Und das nicht, weil alle anderen dicker geworden sind.
Und eine dritte Zahl: Der Körperfettanteil sollte bei Frauen aus medizinisch-gesundheitlicher Sicht 25% betragen. Bei den Models liegt dieser Wert der oben genannten Studie zufolge bei 10%!
De facto muss man davon ausgehen, dass etwa jedes zweite Model schwer essgestört ist – oder sich zumindest so verhält. Sowohl den Models als auch uns allen muss man dringend wünschen, dass dieser übertriebene Schlankheitswahn bald gesellschaftlich genauso geächtet wird wie starkes Übergewicht.
Im übrigen sieht man all die unterernährten Frauen, die wir so anhimmeln, nicht nur auf den Titelseiten der Zeitschriften und im Fernsehen. Man sieht sie auch im Schaufenster. Die Schaufensterpuppen von heute sind im Schnitt so dünn, dass sie eigentlich dringend ins Krankenhaus müssten.
Warum heißt die Magersucht auch Anorexia nervosa?
Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Anorexia nervosa ist zwar der medizinische Fachbegriff für die Magersucht - aber er ist in jeder Hinsicht falsch.
Anorexia kommt aus dem Griechischen und bedeutet Appetitlosigkeit. Menschen mit Magersucht haben aber sehr wohl Appetit. Sie gestatten sich nur nicht zu essen.
Der Beiname "nervosa" kommt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie "nervlich bedingt". Auch das ist wörtlich betrachtet Quatsch. Psychisch (und auch genetisch) verursacht, würde es schon eher treffen.
Warum lernt dann trotzdem noch jeder Medizinstudent den Begriff "Anorexia nervosa"? Wo doch Magersucht viel passender und auch für den normal Sterblichen verständlicher wäre? Wir vermuten, das hat ein bisschen was mit anerzogenem Hochmut zu tun. Denn zu Herzschwäche sagen Ärzte auch lieber Herzinsuffizienz. Und das ist nur eines von tausend Beispielen für zungenbrecherischen Kauderwelsch ohne Not. Aber wie wir selbst erlebt haben: All das wird einem während des Studiums leider auch mit Nachdruck antrainiert.
Quellen:
- Integriertes Forschungs- und Behandlungszentrum Adipositas-Erkrankungen, Leipzig, 07.02.2012