Was ist der Rhesusfaktor? Was hat es in der Schwangerschaft damit auf sich? Welche Gefahren bestehen für das Baby? Alle wichtigen Fragen dazu beantworten wir im folgenden Beitrag.
Basiswissen
Was ist der Rhesusfaktor?
Der Rhesusfaktor gehört neben den bekannten vier Blutgruppen A, B, AB und 0 zum Blutgruppensystem des Menschen und spielt vor allem bei der Schwangerschaft eine wichtige Rolle.
Rhesus-Unverträglichkeit
Der Grund: Bei einer Unverträglichkeit zwischen mütterlichem und fetalem Blut kann es zu lebensbedrohlichen Komplikationen für den Nachwuchs kommen. Dies ist aber nur der Fall, bei Rhesus-negativer (Rh-) Mutter und ihrem Rhesus-positiven (Rh+) Kind. Diese potenziell bedrohliche Konstellation, dass eine Rhesus-negative (Rh-) Frau und ein Rhesus-positiver (Rh+) Mann ein Kind erwarteten, liegt bei etwa 10%.
Gleich zu Beginn der Schwangerschaft werden deshalb Blutgruppe und Rhesusfaktor der werdenden Mutter ermittelt und in den Mutterpass eingetragen.
Zuerst im Rhesusaffen entdeckt
Genau genommen handelt es sich nicht nur um einen, sondern um verschiedene Rhesusfaktoren, die als Proteine auf den Zellmembranen der roten Blutkörperchen sitzen. Mit Testseren, die Antikörper gegen ihre antigenen Strukturen enthalten, können sie identifiziert werden. Diese Blutgruppenmerkmale wurden im letzten Jahrhundert zuerst im Blut von Rhesusaffen entdeckt.
Das größte Antigen-Potenzial für den Menschen hat der Rhesusfaktor D. In Mitteleuropa weisen etwa 85% der Bevölkerung einen solchen Rhesus-positiven „Rh(D)+“ Status auf. Im Unterschied zum AB0-System bilden Rh-negative Menschen Antikörper (Anti-D) gegen das Rhesus-Antigen D erst nach Kontakt mit Rh-positivem Blut. Das kann durch eine Bluttransfusion oder eben im Rahmen einer Schwangerschaft geschehen.
Gefahren für das Kind
Warum steigt das Risiko einer Rhesus-Unverträglichkeit mit der zweiten Schwangerschaft?
Bei einer Rhesus-Unverträglichkeit zwischen Mutter und Kind besteht während der ersten Schwangerschaft meistens noch keine Gefahr, da das fetale Blut normalerweise nicht in den mütterlichen Kreislauf übertritt. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass doch vereinzelt rote Blutkörperchen (Erythrozyten) des Kindes ins Blut der Mutter gelangen. Es erfolgt eine Sensibilisierung des mütterlichen Abwehrsystems und es bildet Antikörper gegen die kindlichen Blutzellen.
Wenn mütterliche Antikörper das Kind gefährden
In der ersten Schwangerschaft ist dieser Vorgang normalerweise noch wenig riskant, da die Menge der Antikörper nur langsam zunimmt. Allerdings kann auch das erste Kind bereits mit Gelbsucht und einer etwas geringeren Zahl von roten Blutkörperchen zur Welt kommen.
Gefahr vor allem bei zweiter Schwangerschaft
Da eine Blutvermischung in der Regel erst bei Beendigung der Schwangerschaft – ob durch Geburt, Frühgeburt, Fehlgeburt oder Schwangerschaftsabbruch (!) – geschieht, wird es meist erst bei der nächsten Schwangerschaft mit einem Rhesus-positiven Kind wirklich gefährlich.
Bei einer weiteren Schwangerschaft mit Rhesus-positivem Kind erinnert sich dann das Immungedächtnis der Mutter an die Sensibilisierung und stellt vermehrt Anti-D-Antikörper her (Boosterung), die über die Plazenta in den fetalen Kreislauf gelangen. Dort heften sie sich an das Rhesus-Antigen auf den kindlichen Erythrozyten (rote Blutkörperchen), die daraufhin verklumpen und rasch abgebaut werden.
Extremfall: Kindstod
Blutarmut (hämolytische Anämie) mit Sauerstoffmangel und Übersäuerung, Gelbsucht, Flüssigkeitsansammlungen (Hydrops fetalis), Krämpfe und Missbildungen oder auch die Zerstörung der kindlichen Blutplättchen und weißen Blutzellen können die Folge sein, im schlimmsten Fall sogar der Tod im Mutterleib. Deshalb erhalten Rhesus-negative Schwangere vorbeugend eine Anti-D-Prophylaxe.
Untersuchungen
Was bringt ein Antikörper-Suchtest?
Weil es bei Rhesus-negativen Frauen im Verlauf einer Schwangerschaft zu einer Rhesus-Unverträglichkeit (Rh-Inkompatibilität) kommen könnte, wird bei ihnen zu Beginn der Schwangerschaft und dann nochmals in der 24. Schwangerschaftswoche ein Antikörper-Suchtest durchgeführt.
Anti-D-Prophylaxe bei negativem Ergbenis
Damit kann festgestellt werden, ob der mütterliche Blutkreislauf bereits Antikörper gegen das Rhesus-Antigen gebildet hat. Ein "negatives" Ergebnis – also die Abwesenheit solcher Antikörper – ist der Normalfall. Dann kann eine Anti-D-Prophylaxe durchgeführt werden.
Werden dagegen Rhesus-Antikörper im (positiven) Suchtest nachgewiesen, erfolgt eine engmaschigere serologische Kontrolle, um den weiteren Verlauf beobachten und, falls erforderlich, geeignete Behandlungsmaßnahmen ergreifen zu können. Steigt die Antikörper-Konzentration während der Schwangerschaft weiter an oder weist das Ungeborene im Ultraschall schon Zeichen einer Unverträglichkeitsreaktion wie beginnende Flüssigkeitsansammlungen (Hydrops fetalis) auf, kommt ggf. eine intrauterine Bluttransfusion in Frage.
Anti-D-Prophylaxe
Was ist eine Anti-D-Prophylaxe?
Eine Anti-D-Prophylaxe verhindert schwerwiegende Folgen einer Rhesus-Unverträglichkeit. Rhesus-negative Schwangere bekommen dabei einmal während der Schwangerschaft und spätestens einige Tage nach der Geburt Anti-D-Immunglobuline gespritzt.
Damit werden kindliche Erythrozyten (rote Blutkörperchen) abgefangen, sobald sie in den mütterlichen Blutkreislauf eintreten, und zwar noch bevor sie das Abwehrsystem der Mutter zu einer eigenen Antikörperbildung, vor allem bei einer weiteren Schwangerschaft, stimulieren können. Auf diese Weise ist nicht nur das „aktuelle“ Baby, sondern vor allem auch jedes weitere Kind geschützt.