Wie betreuen Sie Ihre schwangeren Patientinnen mit Diabetes? Was muss bei welcher Frau diagnostisch und therapeutisch unternommen werden?
Die offizielle ärztliche Leitlinie gibt dazu detaillierte Empfehlungen. Allerdings ist es bei der Fülle der Informationen und angesichts des enormen Umfangs der Leitlinie nicht immer einfach, das konkrete Vorgehen im individuellen Fall herauszufiltern.
Wir haben daher die aktuelle Leitlinie für Sie aufbereitet und die verschiedenen Fälle, die Ihnen in der Praxis begegnen können, separiert. Suchen Sie sich „Ihren“ Fall!
Schwangere mit Typ-1-Diabetes (ohne zusätzliche Risiken)
Folsäure-Substitution
Bei einer Frau mit Typ-1-Diabetes sollte die Folsäure-Substitution idealerweise bereits drei Monate vor Absetzen der Kontrazeption begonnen und bis zum Ende des 1. Trimenons fortgeführt werden. Ohne weitere Risikofaktoren genügt die Standarddosis von mindestens 0,4 mg/Tag; die Hochdosis (4 mg/Tag) ist Risikosituationen wie einer NTD-Anamnese vorbehalten, die hier ausdrücklich nicht vorliegt. Hintergrund ist das erhöhte Risiko für Neuralrohrdefekte bei Schwangeren mit Diabetes.
Jod-Substitution und Schilddrüsen-Screening
Die Jodgabe erfolgt wie bei stoffwechselgesunden Frauen: in der Schwangerschaft 100–200 µg/Tag plus Nutzung jodierten Speisesalzes; der Bedarf steigt insgesamt auf etwa 230–260 µg/Tag. Bei Typ-1-Diabetes ist die TSH- und TPO-Antikörper-Bestimmung präkonzeptionell bzw. früh in der Schwangerschaft sinnvoll, da Autoimmunthyreoiditiden häufiger sind.
ASS zur Präeklampsie-Prophylaxe
Frauen mit präexistentem Diabetes haben ein erhöhtes Präeklampsie-Risiko. Die Leitlinie empfiehlt eine individuelle Aufklärung und Indikationsstellung – entweder risikoadaptiert nach Präeklampsie-Screening oder als generelle Empfehlung. Wenn man sich für ASS entscheidet, sollte die Einnahme vor 16+0 SSW begonnen und mit 150 mg/Tag bis 35+0 SSW fortgeführt, danach abgesetzt werden. Ein pauschales „ASS immer“ wird nicht empfohlen; die Entscheidung erfolgt im Konsens mit der Patientin.
Glykämische Zielwerte (HbA1c, SMBG/CGM)
- Bereits vor Schwangerschaftsbeginn sollte der HbA1c < 7 %, idealerweise < 6,5 %, liegen (ohne relevante Hypoglykämien).
- Während der Schwangerschaft wird ein HbA1c im Referenzbereich Gesunder angestrebt;
Praktisch erfolgt die Steuerung über kapilläre Zielwerte (u. a. 6-Punkt-Tagesprofil vor und 1 h nach den Hauptmahlzeiten).
rtCGM ermöglicht eine engmaschigere Kontrolle; in einer RCT bei T1-Schwangeren verbesserte rtCGM u. a. neonatale Outcomes (z. B. weniger neonatale Hypoglykämie) und Time-in-Range. Entsprechend sollte rtCGM in der Schwangerschaft angeboten werden.
Insulintherapie (Strategie und Präparate)
Die Therapie zielt auf eine möglichst normoglykämische Einstellung ab. In der Praxis wird meist eine intensivierte konventionelle Therapie (ICT) oder Insulinpumpentherapie (CSII) eingesetzt; ein genereller Vorteil der einen über die andere ist perinatal nicht gesichert, die Wahl richtet sich nach Zielerreichung und Patientinnenpräferenz.
Zu den kurzwirksamen Analoga sind Aspart und Lispro gut belegt und üblich; Glulisin wird mangels Evidenz nicht empfohlen. Degludec soll in der Schwangerschaft nicht angewendet werden (Stand der Leitlinie).
Nach der Geburt sinkt der Insulinbedarf drastisch – die Dosis sollte engmaschig an den präkonzeptionellen Bedarf herangeführt werden.
Hypoglykämie-Prävention (inkl. rtCGM und Notfallset)
Schwangere mit Typ-1-Diabetes und ihr Umfeld sollten gezielt zu Hypoglykämie-Risiken, Warnsymptomen und Notfallmaßnahmen geschult sein; die Einweisung in ein Glukagon-Notfallset (Spritze/Nasenpulver) gehört dazu. Frauen mit Hypoglykämien im 1. Trimenon oder positiver Hypoglykämie-Anamnese in den letzten vier Monaten sollen während der Schwangerschaft ein CGM-System nutzen dürfen.
Ketoazidose-Prävention
Die Schwangerschaft erhöht das DKA-Risiko bei T1 deutlich; EDKA ist möglich. Wichtig sind Schulung zu Auslösern (Infekte, Erbrechen, Insulinunterbrechung, Pumpenprobleme) und frühe Ketontests bei Unwohlsein/Hyperglykämie. Das ist immer Thema der Basisaufklärung, auch wenn aktuell keine Notfallmaßnahme erforderlich ist.
Augenärztliche Kontrollen
Ohne bekannte Retinopathie sind Kontrollen vor geplanter Schwangerschaft, nach Diagnosestellung sowie in der 28. SSW empfohlen; postpartum erfolgt eine weitere Kontrolle. Bei Erstmanifestation/Progression wird enger mit dem Augenarzt gesteuert. (für diese Subgruppe: keine zusätzlichen Maßnahmen darüber hinaus nötig.)
Nierenfunktion / Albuminurie
Bei fehlender Nephropathie sind keine zusätzlichen Maßnahmen über die üblichen Basischecks hinaus erforderlich; zu Beginn der Betreuung sollten Kreatinin/eGFR und Albuminurie erhoben und im Verlauf klinisch mit beachtet werden. (Spezifische Intensivmaßnahmen gelten erst bei nachgewiesener Nephropathie – das betrifft andere Subgruppen.)
Blutdruck / Hypertonie
Bei dieser Subgruppe ohne Hypertonie sind keine speziellen Anpassungen erforderlich. (eigene Empfehlungen zu Zielwerten und Therapie finden Sie in der Subgruppe „zusätzliche Hypertonie“.)
Geburtsplanung
Für Frauen mit präexistentem Diabetes wird die Entbindung in einem Perinatalzentrum Level I/II empfohlen. Details zu Zeitpunkt, Einleitung und Modus richten sich nach dem individuellen Verlauf; eine Retinopathie allein ist keine Sectio-Indikation.
Orale Antidiabetika
Bei Typ-1-Diabetes nicht zutreffend; die Therapie erfolgt mit Insulin. (Spezifische OAD-Empfehlungen werden in der Subgruppe „orale Antidiabetika vor Schwangerschaft“ behandelt.)
Schwangere mit Typ-2-Diabetes ohne zusätzliche Risiken
Folsäure-Substitution
Bei einer Frau mit Typ-2-Diabetes sollte die Folsäure-Substitution möglichst bereits drei Monate vor Absetzen der Kontrazeption begonnen und bis zum Ende des ersten Trimenons fortgeführt werden. Empfohlen wird eine Standarddosis von mindestens 0,4 mg Folsäure täglich. Die erhöhte Dosierung auf 4 mg täglich ist nur bei zusätzlichen Risikofaktoren – etwa einem bereits geborenen Kind mit Neuralrohrdefekt – erforderlich. Hintergrund ist das im Vergleich zu Stoffwechselgesunden erhöhte Risiko für Neuralrohrdefekte bei Frauen mit Diabetes.
Jod-Substitution und Schilddrüsen-Screening
Wie bei stoffwechselgesunden Schwangeren wird eine Jodzufuhr von 100 – 200 µg pro Tag (zusätzlich zu jodiertem Speisesalz) empfohlen. Der Gesamtbedarf liegt bei etwa 230 – 260 µg/Tag. Bei Typ-2-Diabetes besteht kein besonderes Risiko für Autoimmunthyreoiditiden, sodass keine zusätzlichen TPO- oder TSH-Kontrollen erforderlich sind, sofern anamnestisch keine Schilddrüsenerkrankung bekannt ist.
Aspirin zur Präeklampsie-Prophylaxe
Frauen mit Typ-2-Diabetes haben ein leicht erhöhtes Präeklampsierisiko. Laut Leitlinie soll über eine risikoadaptierte Anwendung von ASS aufgeklärt werden. Wenn eine Indikation besteht, erfolgt die Gabe mit 150 mg ASS täglich, beginnend vor 16+0 SSW, fortgeführt bis 35+0 SSW. Bei unauffälliger Risikokonstellation besteht keine Pflicht zur ASS-Prophylaxe, aber eine Aufklärung über das Risiko ist immer Bestandteil der Betreuung.
Glykämische Zielwerte und Glukosekontrollen
Bereits bei Feststellung einer Schwangerschaft sollte der HbA1c < 7 %, idealerweise < 6,5 % liegen, sofern ohne relevante Hypoglykämien erreichbar.
Kapilläre Zielwerte: nüchtern < 95 mg/dl (5,3 mmol/l), 1 h postprandial < 140 mg/dl (7,8 mmol/l).
Zur Verlaufskontrolle werden Selbstmessungen (SMBG) empfohlen; ein rtCGM kann zusätzlich genutzt werden, insbesondere wenn die Patientin bereits Erfahrung damit hat.
Antidiabetische Therapie
Bei Schwangeren mit Typ-2-Diabetes ist Insulin die Therapie der Wahl.
- Frauen, die vor der Schwangerschaft Metformin eingenommen haben, sollen nach Diagnosesicherung in der Schwangerschaft auf Insulin umgestellt werden.
- Ein Weiterführen von Metformin kann im Einzelfall (z. B. unter Aufsicht eines spezialisierten Zentrums) erwogen werden, wenn keine Kontraindikationen bestehen, die Patientin informiert ist und eine gute glykämische Kontrolle besteht.
- Sulfonylharnstoffe und andere orale Antidiabetika sollen nicht angewendet werden.
Ziel ist eine möglichst normoglykämische Einstellung, ohne Hypoglykämien, unter engmaschiger Betreuung durch ein diabetologisch geschultes Team.
Hypoglykämie-Prävention
Da viele Typ-2-Diabetikerinnen erst in der Schwangerschaft Insulin einsetzen, sind Schulungen zu Hypoglykämien, Symptomen und Notfallmaßnahmen essenziell. Ein Glukagon-Notfallset sollte verordnet und erklärt werden. Frauen mit häufigen oder schweren Hypoglykämien sollen ein CGM-System nutzen dürfen.
Ketoazidose-Prophylaxe
Eine diabetische Ketoazidose ist bei Typ-2-Diabetes zwar seltener als bei Typ-1, kann in der Schwangerschaft aber auch hier auftreten. Deshalb sollten Patientinnen über Symptome und Auslöser informiert werden und bei längerem Erbrechen, Fieber oder starkem Unwohlsein Ketontests (Urin oder Blut) durchführen.
Augenärztliche Kontrollen
Wenn keine Retinopathie bekannt ist, genügen Routine-Kontrollen vor oder früh in der Schwangerschaft und nochmals im dritten Trimenon (um 28. SSW). Postpartal sollte erneut kontrolliert werden. Zusätzliche Untersuchungen sind nur bei auffälligen Befunden nötig.
Nierenfunktion / Albuminurie
Bei unauffälliger Nierenfunktion sind zu Beginn Kreatinin, eGFR und Albuminurie zu bestimmen. Treten im Verlauf Bluthochdruck oder Proteinurie auf, erfolgt eine erneute Abklärung. Ohne Nephropathie sind keine weiteren Maßnahmen nötig.
Blutdruck / Hypertonie
Liegt keine Hypertonie vor, sind keine spezifischen Maßnahmen erforderlich. Die Zielwerte für normotensive Schwangere bleiben unverändert. Empfehlungen für Hypertonie werden gesondert dargestellt.
Geburtsplanung
Die Entbindung sollte in einem Perinatalzentrum Level I oder II erfolgen. Zeitpunkt und Modus richten sich nach dem Schwangerschaftsverlauf, glykämischer Kontrolle und fetalen Befunden. Bei stabiler Stoffwechsellage und unauffälligem Verlauf kann eine spontane Geburt bis 40 + 0 SSW angestrebt werden.
Nach der Geburt
Nach der Entbindung sinkt der Insulinbedarf rasch; Dosisreduktion und engmaschige Blutzuckerkontrolle sind erforderlich. Bei stillenden Frauen kann Metformin wieder eingesetzt werden, wenn eine postpartale Re-Evaluation erfolgt.
Schwangere mit Typ-2-Diabetes und oraler Antidiabetika-Therapie vor der Schwangerschaft
Folsäure-Substitution
Auch für diese Patientinnengruppe gilt die Empfehlung, die Folsäure-Substitution mindestens drei Monate vor Beendigung der Kontrazeption zu beginnen und bis zum Ende des ersten Trimenons fortzuführen. Aufgrund des bei Diabetes insgesamt erhöhten Risikos für Neuralrohrdefekte wird eine tägliche Dosis von mindestens 0,4 mg Folsäure empfohlen. Eine Hochdosis von 4 mg/Tag ist nur indiziert, wenn zusätzlich ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko besteht (z. B. vorangegangenes Kind mit NTD).
Orale Antidiabetika – Management beim Kinderwunsch und in der Frühschwangerschaft
Frauen mit Typ-2-Diabetes, die vor der Schwangerschaft orale Antidiabetika (OAD) eingenommen haben, sollten bei Kinderwunsch oder spätestens nach Eintritt der Schwangerschaft auf Insulin umgestellt werden.
- Metformin: Laut Leitlinie kann Metformin in Ausnahmefällen unter engmaschiger Kontrolle fortgeführt werden, etwa wenn die Patientin stabil eingestellt ist und eine Umstellung auf Insulin (z. B. wegen Compliance oder Gewicht) als schwierig gilt. Die Entscheidung soll gemeinsam mit einem diabetologisch erfahrenen Zentrum getroffen werden.
- Sulfonylharnstoffe, DPP-4-Hemmer, GLP-1-Analoga, SGLT-2-Hemmer: Diese Substanzen sind in der Schwangerschaft kontraindiziert und sollen unverzüglich abgesetzt werden, da keine ausreichende Sicherheits-Evidenz vorliegt.
Nach der Umstellung auf Insulin ist eine engmaschige Glukosekontrolle notwendig, da sich der Insulinbedarf meist rasch ändert.
Glykämische Zielwerte und Verlaufskontrolle
Ziel ist eine nahezu normoglykämische Einstellung, ohne Hypoglykämien.
- HbA1c: < 6,5 % (sofern ohne Hypoglykämien erreichbar)
- kapilläre Zielwerte: nüchtern < 95 mg/dl (5,3 mmol/l); 1 h postprandial < 140 mg/dl (7,8 mmol/l)
- Monitoring: Selbstmessungen oder rtCGM, besonders während der Umstellung von OAD auf Insulin.
Aspirin-Prophylaxe zur Präeklampsie-Vermeidung
Aufgrund des erhöhten Präeklampsie-Risikos bei Typ-2-Diabetes wird eine risikoadaptierte Aufklärung und ggf. ASS-Gabe (150 mg/Tag) empfohlen, beginnend vor 16 + 0 SSW bis 35 + 0 SSW. Bei alleiniger OAD-Vorgeschichte, ohne weitere Risikofaktoren, ist eine individuelle Entscheidung möglich.
Jod-Substitution und Schilddrüsenfunktion
Wie bei allen Schwangeren wird eine tägliche Jodzufuhr von 100–200 µg/Tag empfohlen. Typ-2-Diabetikerinnen mit OAD-Therapie benötigen keine zusätzlichen Schilddrüsen-Kontrollen, sofern keine Anamnese für eine Thyreoiditis besteht.
Hypoglykämie-Prävention und Schulung
Da die meisten Frauen in dieser Gruppe erst durch die Umstellung auf Insulin Hypoglykämien erstmals erleben, ist eine gezielte Schulung zur Früherkennung, Therapie und Prävention essenziell.
Empfohlen wird:
- Einweisung in ein Glukagon-Notfallset (Injektion oder Nasenpulver)
- Angehörige sollen im Notfall reagieren können
- bei häufigen Hypoglykämien: Einsatz eines CGM-Systems
Ketoazidose-Prophylaxe
Während der Umstellungsphase von OAD auf Insulin besteht ein kurzfristig erhöhtes Risiko für Stoffwechselentgleisungen. Die Patientin sollte über Symptome einer Ketoazidose (Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Azetongeruch) informiert und zur Keton-Kontrolle bei Infekten oder Erbrechen angeleitet werden.
Augenärztliche Kontrollen
Bei fehlender Retinopathie sind die Standard-Kontrollen ausreichend:
- einmal vor oder früh in der Schwangerschaft
- erneut im 3. Trimenon (um 28. SSW)
- postpartal
Eine OAD-Vorgeschichte bedingt keine zusätzlichen augenärztlichen Maßnahmen.
Nierenfunktion / Albuminurie
Zu Beginn der Schwangerschaft sollten Kreatinin, eGFR und Albuminurie bestimmt werden, insbesondere da manche OAD (z. B. Metformin, SGLT-2-Hemmer) zuvor bei eingeschränkter Nierenfunktion abgesetzt wurden. Bei unauffälligen Werten sind keine zusätzlichen Kontrollen nötig.
Blutdruck / Hypertonie
Liegt keine Hypertonie vor, sind keine speziellen Anpassungen erforderlich.
Bei Patientinnen, die vor der Schwangerschaft blutdrucksenkende Medikamente erhalten haben (z. B. ACE-Hemmer oder Sartane), müssen diese spätestens mit Eintritt der Schwangerschaft abgesetzt und ersetzt werden, da sie teratogen wirken.
Geburtsplanung
Auch hier wird die Entbindung in einem Perinatalzentrum (Level I/II) empfohlen. Zeitpunkt und Modus hängen vom Schwangerschaftsverlauf und der Stoffwechsellage ab. Bei guter Einstellung und unauffälligem Verlauf ist eine spontane Geburt bis 40 + 0 SSW möglich.
Nach der Geburt
Nach der Entbindung sinkt der Insulinbedarf rasch. Nach Stabilisierung kann – bei fehlenden Kontraindikationen – eine Wiedereinleitung von Metformin erfolgen, insbesondere bei stillenden Frauen. Andere OAD sollten erst nach dem Abstillen erneut geprüft werden.
Schwangere mit Diabetes und zusätzlich Übergewicht/Adipositas
Folsäure-Substitution
Bei Schwangeren mit Diabetes und zusätzlichem Übergewicht sollte die Folsäure-Einnahme möglichst bereits drei Monate vor Absetzen der Kontrazeption beginnen und bis zum Ende des 1. Trimenons fortgeführt werden. Ohne weitere Risikofaktoren genügt die Standarddosis von ≥ 0,4 mg/Tag; die Hochdosis (4 mg/Tag) ist hohen Fehlbildungsrisiken (z. B. vorausgegangener Neuralrohrdefekt) vorbehalten.
Hintergrund ist das bei präexistentem Diabetes erhöhte Risiko für Neuralrohrdefekte, das durch Übergewicht zusätzlich ungünstig beeinflusst sein kann.
Jod-Substitution und Schilddrüsenfunktion
Die Jodgabe erfolgt wie bei stoffwechselgesunden Schwangeren: in der Schwangerschaft 100–200 µg/Tag (insgesamt ca. 230–260 µg/Tag Bedarf) und Verwendung jodierten Speisesalzes. Bei Typ-1-Diabetes ist präkonzeptionell bzw. früh in der Schwangerschaft eine TSH- und TPO-Antikörper-Bestimmung sinnvoll, da Autoimmunthyreoiditiden häufiger sind; bei Typ-2-Diabetes ohne Schilddrüsenanamnese sind keine zusätzlichen Kontrollen nötig.
Aspirin zur Präeklampsie-Prophylaxe
Diabetes und Adipositas erhöhen das Präeklampsie-Risiko. Die Leitlinie empfiehlt eine individuelle Aufklärung und risikoadaptierte Indikationsstellung (ggf. über Präeklampsie-Screening). Wenn ASS gegeben wird, dann vor 16+0 SSW beginnen, 150 mg/Tag bis 35+0 SSW, danach absetzen; die Entscheidung erfolgt im Konsens mit der Patientin. Bei unauffälligem Screening kann auf ASS verzichtet werden; bei Diabetes und Nephropathie soll ASS empfohlen werden.
Gewichtszunahme, Ernährung & Bewegung (Lifestyle)
Bei Diabetes und Übergewicht stehen Gewichtsmanagement und Insulinresistenz im Fokus. Die Leitlinie rät, die IOM-abhängigen Empfehlungen zur Gewichtszunahme (orientiert am präkonzeptionellen BMI) einzuhalten und einen individuellen Therapie-/Ernährungsplan zu erstellen:
- ca. 40–50 % Kohlenhydrate (mit ~30 g Ballaststoffen/Tag),
- 30–35 % v. a. pflanzliche Fette,
- 20 % Eiweiß,
- dazu eine ausreichende Versorgung mit Eisen, Folsäure, Vitamin D, Kalzium, B-Vitaminen, Magnesium und Jod.
Schnell resorbierbare Kohlenhydrate sollten gemieden werden; eine Ernährung mit niedrigem glykämischem Index senkt in Studien Nüchternwerte und LGA-Raten. Empfohlen wird regelmäßige moderate körperliche Aktivität (als Teil des Gesamtkonzepts, i. d. R. ≥ 150 Min/Woche, angepasst an Schwangerschaft und Trainingszustand).
Das Gewicht sollte bei jedem Besuch sowie wöchentlich durch die Patientin dokumentiert werden.
Glykämische Zielwerte und Messstrategie
Auch bei Übergewicht gilt: nahezu normoglykämische Einstellung ohne Hypoglykämien. Praktisch orientiert man sich an nüchtern < 95 mg/dl und 1 h postprandial < 140 mg/dl; die Steuerung erfolgt über SMBG und kann durch rtCGM unterstützt werden (besonders hilfreich bei ausgeprägter Insulinresistenz oder variablen Glukoseverläufen).
Antidiabetische Therapie
Bei Typ-1-Diabetes: Insulin (ICT oder Pumpe), Präparatewahl wie üblich; Glulisin wird mangels Evidenz nicht empfohlen; Degludec soll in der Schwangerschaft nicht angewendet werden.
Bei Typ-2-Diabetes: Insulin ist Therapie der Wahl; Metformin wird nicht routinemäßig eingesetzt (im Einzelfall bei ausgeprägter Insulinresistenz erwägen, vorzugsweise in einem erfahrenen Zentrum). Adipositas macht oft höhere Insulindosen erforderlich; die Dosisanpassung erfolgt engmaschig nach Messwerten.
Hypoglykämie-Prävention
Trotz häufiger Insulinresistenz sind Hypoglykämien – v. a. in frühen Anpassungsphasen – möglich. Daher gehören Schulung zu Symptomen/Prävention, Angehörigen-Einweisung und ein Glukagon-Notfallset (Injektion oder Nasenpulver) zur Standardausstattung; bei gehäuften Ereignissen rtCGM erwägen.
Ketoazidose-Prävention
Auch adipöse Patientinnen sollten zu Auslösern und Frühsymptomen einer (euglykämen) DKA geschult werden (Infekte, Erbrechen, Insulinunterbrechung). Bei Unwohlsein oder prolongierter Hyperglykämie sind frühe Ketontests sinnvoll. (Keine zusätzliche Maßnahme allein wegen Übergewicht; aber niedrige Schwelle zur Abklärung bei Beschwerden.)
Augenärztliche Kontrollen
Übergewicht allein erfordert keine anderen Intervalle als bei Diabetes ohne Begleiterkrankungen: vor oder früh in der Schwangerschaft, erneut um 28. SSW sowie postpartum; bei Befund/Progress enger. (eigene Subgruppe für Retinopathie finden Sie separat.)
Nierenfunktion / Albuminurie
Adipositas rechtfertigt keine Abweichung vom Standard bei Diabetes: initial Kreatinin/eGFR und Albuminurie erheben; bei neu auftretender Hypertonie/Proteinurie erneute Abklärung. (spezifisches Management siehe Subgruppe „Nephropathie“.)
Blutdruck / Hypertonie
Ohne Hypertonie sind keine besonderen Anpassungen erforderlich. (ASS-Erwägung siehe oben; bei manifester Hypertonie siehe eigene Subgruppe „zusätzliche Hypertonie“.)
Geburtsplanung
Unverändert wird die Entbindung in einem Perinatalzentrum Level I/II empfohlen. Zeitpunkt und Modus richten sich nach Verlauf, Stoffwechsellage und fetalen Parametern; Adipositas kann geburtstechnische Herausforderungen mit sich bringen, ändert aber allein nicht die diabetesbezogenen Grundsätze.
Schwangere mit Diabetes und erhöhtem perikonzeptionellem HbA1c
Folsäure-Substitution
Bei Frauen mit Diabetes und einem erhöhten HbA1c im perikonzeptionellen Zeitraum besteht ein besonders hohes Risiko für fetale Fehlbildungen, insbesondere Neuralrohrdefekte und Herzfehler. Deshalb sollte die Folsäure-Substitution spätestens drei Monate vor Absetzen der Kontrazeption begonnen und bis zum Ende des ersten Trimenons fortgeführt werden.
Die Leitlinie empfiehlt hier ausdrücklich, die Folsäuregabe konsequent durchzuführen und ggf. eine Hochdosis von 4 mg/Tag zu erwägen, sofern das Fehlbildungsrisiko erhöht ist oder keine stabile glykämische Kontrolle besteht. Ziel ist eine Verbesserung der Stoffwechsellage, bevor eine Konzeption erfolgt.
Präkonzeptionelle Betreuung und HbA1c-Ziele
Die Leitlinie betont: Frauen mit Diabetes sollten eine Schwangerschaft erst anstreben, wenn eine stabile Stoffwechsellage erreicht ist.
- Der HbA1c sollte vor Konzeption < 7 %, möglichst < 6,5 %, betragen.
- Werte > 8 % sind mit einem deutlich erhöhten Fehlbildungsrisiko assoziiert; eine Konzeption sollte daher aufschiebbar sein, bis der Zielbereich erreicht ist.
- Eine individuelle präkonzeptionelle Beratung gehört verpflichtend dazu: Anpassung der Therapie, Optimierung der Blutzuckerziele, Kontrolle von Blutdruck, Nieren- und Augenstatus.
Glykämische Zielwerte in der Frühschwangerschaft
Nach Eintritt der Schwangerschaft sollen enge Zielwerte angestrebt werden, ohne Hypoglykämien zu provozieren.
- nüchtern < 95 mg/dl (5,3 mmol/l)
- 1 h postprandial < 140 mg/dl (7,8 mmol/l)
- HbA1c im Verlauf < 6,0–6,5 %, falls ohne Hypoglykämien erreichbar.
Ein rtCGM (Real-Time-Glucosemonitoring) kann hier wertvoll sein, um Zeit-im-Zielbereich („Time-in-Range“) zu erhöhen und Hypoglykämien zu vermeiden.
Aspirin zur Präeklampsie-Prophylaxe
Ein erhöhter HbA1c ist häufig Ausdruck einer schlechteren Gefäßfunktion und wird daher als zusätzlicher Präeklampsie-Risikofaktor angesehen. Die Leitlinie empfiehlt, Frauen mit dauerhaft erhöhtem HbA1c (< 16 + 0 SSW) über die Möglichkeit einer ASS-Prophylaxe (150 mg/Tag bis 35 + 0 SSW) aufzuklären und individuell zu entscheiden.
Jod-Substitution und Schilddrüsenfunktion
Standard-Jodzufuhr von 100–200 µg/Tag plus jodiertes Salz, keine Anpassung wegen HbA1c-Erhöhung. Bei Typ-1-Diabetes zusätzlich präkonzeptionell TSH- und TPO-Antikörperkontrolle.
Insulintherapie und Optimierung
Ein erhöhter HbA1c spiegelt oft ungünstige Glukoseprofile mit Hyperglykämien wider.
Empfohlen wird:
- frühzeitige Anpassung des Insulinregimes (ICT oder Pumpe) noch vor Konzeption.
- bei geplanter Schwangerschaft: keine Umstellung während der Frühschwangerschaft, wenn dies vermeidbar ist.
- Ziel: normoglykämische Werte erreichen, bevor die Embryogenese abgeschlossen ist (bis ca. 8. SSW).
- Aspart und Lispro sind bevorzugte kurzwirksame Analoga; Glulisin wird nicht empfohlen; Degludec sollte nicht verwendet werden.
Hypoglykämie-Prävention und Schulung
Bei intensiver Therapie zur HbA1c-Senkung steigt das Hypoglykämie-Risiko. Daher sind strukturierte Schulungen erforderlich, insbesondere zur Früherkennung, Vermeidung und Behandlung.
Ein Glukagon-Notfallset sollte bereitgestellt werden; Angehörige sollen in die Anwendung eingewiesen werden. Bei häufigen Hypoglykämien ist rtCGM empfehlenswert.
Augenärztliche Kontrolle (Retinopathie-Screening)
Eine schnelle HbA1c-Senkung kann eine Retinopathie-Progression auslösen. Deshalb sollen Frauen mit erhöhtem HbA1c bereits vor Schwangerschaftsbeginn und erneut früh in der Schwangerschaft eine augenärztliche Untersuchung erhalten. Eine zusätzliche Kontrolle in der 28. SSW und postpartal wird empfohlen.
Nierenfunktion / Albuminurie
Vor der Schwangerschaft sollten Kreatinin, eGFR und Albuminurie überprüft werden. Bei erhöhtem HbA1c oder bekannten Mikroalbuminurie-Werten ist das Risiko für Nephropathie-Progression erhöht; Kontrollen sind daher vierteljährlich sinnvoll.
Blutdruck und Begleitfaktoren
Ein hohes HbA1c geht häufig mit Insulinresistenz und latenter Hypertonie einher.
Vor Konzeption sollten Blutdruckzielwerte (< 135/85 mmHg) überprüft und ggf. teratogene Antihypertensiva (ACE-Hemmer, Sartane) abgesetzt werden.
Geburtsplanung
Frauen, die zu Beginn der Schwangerschaft ein deutlich erhöhtes HbA1c hatten, werden in der Regel als Risikoschwangerschaft eingestuft.
Die Entbindung soll in einem Perinatalzentrum Level I oder II erfolgen. Zeitpunkt und Modus hängen vom fetalen Zustand und der glykämischen Stabilität ab. Bei weiterhin hoher Glukosevariabilität oder Komplikationen ist eine geplante Einleitung um 38 + 0 SSW zu erwägen.
Schwangere mit Diabetes und diabetischer Nephropathie
Folsäure-Substitution
Auch bei einer bestehenden diabetischen Nephropathie sollte die Folsäure-Substitution spätestens drei Monate vor Absetzen der Kontrazeption begonnen und bis zum Ende des ersten Trimenons fortgeführt werden. Aufgrund des erhöhten Fehlbildungsrisikos bei gleichzeitigem Diabetes und möglicher Nierenfunktionsstörung empfiehlt sich eine konsequente tägliche Einnahme von mindestens 0,4 mg Folsäure, bei anamnestischem Risiko (z. B. vorangegangenes Kind mit Neuralrohrdefekt) 4 mg/Tag.
Jod-Substitution und Schilddrüsenfunktion
Frauen mit Nephropathie sollten Jod wie Schwangere ohne Nierenerkrankung einnehmen (100 – 200 µg/Tag zusätzlich zu jodiertem Speisesalz).
Da Nierenfunktionsstörungen die Jodausscheidung beeinflussen können, ist im Zweifel eine individuelle Rücksprache mit Nephrologie oder Endokrinologie sinnvoll, wenn gleichzeitig eine relevante Einschränkung der Nierenfunktion besteht (eGFR < 30 ml/min/1,73 m²).
Bei Typ-1-Diabetes sollte ergänzend TSH früh in der Schwangerschaft bestimmt werden.
Aspirin zur Präeklampsie-Prophylaxe
Eine bestehende diabetische Nephropathie ist laut Leitlinie ein starker Indikator für die Gabe von Acetylsalicylsäure (ASS) zur Präeklampsie-Prophylaxe.
Empfohlen wird:
- Beginn vor 16 + 0 SSW
- Dosierung 150 mg/Tag
- Fortführung bis 35 + 0 SSW
- danach Absetzen
Ziel ist die Senkung des Präeklampsierisikos, das bei dieser Subgruppe besonders hoch ist.
Glykämische Zielwerte und Stoffwechselsteuerung
Frauen mit diabetischer Nephropathie sollen eine strikte, aber sichere Blutzuckerkontrolle erhalten.
- HbA1c-Ziel: < 6,5 %, falls ohne Hypoglykämien erreichbar
- kapilläre Zielwerte: nüchtern < 95 mg/dl, 1 h postprandial < 140 mg/dl
- rtCGM wird ausdrücklich empfohlen, um Schwankungen und Hypoglykämien zu vermeiden.
Bei eingeschränkter Nierenfunktion ist die Insulin-Clearance verlangsamt – die Insulindosis muss individuell reduziert werden, sobald eGFR < 60 ml/min/1,73 m² sinkt.
Kontrollintervalle der Nierenfunktion
Laut Leitlinie sollen bei Schwangeren mit Nephropathie die Nierenparameter engmaschig überwacht werden:
- Basis: Kreatinin, eGFR und Albumin-Kreatinin-Quotient zu Beginn der Schwangerschaft
- Verlauf: Wiederholung alle 4 – 6 Wochen
- bei Verschlechterung: kurzfristige Kontrolle (alle 1 – 2 Wochen) und ggf. stationäre Vorstellung.
Eine rasche Zunahme der Proteinurie, ein Anstieg des Kreatinins oder neue Hypertonie sind Warnzeichen für Präeklampsie bzw. Funktionsverschlechterung und erfordern sofortige Abklärung.
Blutdrucksteuerung
Ziel ist ein systolischer Blutdruck zwischen 120 und 135 mmHg und ein diastolischer Wert zwischen 70 und 85 mmHg. Zur Therapie empfohlen: Methyldopa, Nifedipin oder Metoprolol.
ACE-Hemmer und Sartane sind kontraindiziert und müssen bereits vor der Schwangerschaft abgesetzt werden. Eine tägliche Blutdruck-Selbstmessung zu Hause wird angeraten, insbesondere bei Neigung zu Hypertonie.
Proteinurie und Verlaufskontrolle
Eine Proteinurie ≥ 300 mg/24 h gilt als Zeichen der diabetischen Nephropathie.
Im Verlauf ist zwischen einer Zunahme durch physiologische Schwangerschaftsveränderungen und einer Präeklampsie-bedingten Verschlechterung zu unterscheiden.
Bei raschem Anstieg der Proteinurie oder neu auftretenden Ödemen sollte eine Abklärung im Perinatalzentrum erfolgen
Medikamentöse Besonderheiten
- Statine und ACE-Hemmer/Sartane sind teratogen und müssen vor der Konzeption beendet werden.
- Diuretika werden in der Schwangerschaft nur bei ausgeprägter Herzinsuffizienz erwogen, da sie die uteroplazentare Perfusion mindern können.
- Insulin ist weiterhin die Therapie der Wahl; auf eine zu aggressive Senkung der Blutzuckerwerte ist zu verzichten, um Hypoglykämien zu vermeiden.
Aspirin und Kalzium
Neben ASS kann bei Frauen mit diabetischer Nephropathie eine ausreichende Kalziumzufuhr (1–1,5 g/Tag) empfohlen werden, da sie zur Präeklampsie-Risikoreduktion beitragen kann.
Geburtsplanung
Frauen mit diabetischer Nephropathie gelten als Hochrisikoschwangere.
Die Geburt soll in einem Perinatalzentrum Level I erfolgen, idealerweise zwischen 37 + 0 und 38 + 6 SSW, abhängig von der Stabilität der Nierenfunktion und dem fetalen Wachstum.
Ein früherer Entbindungstermin kann notwendig werden, wenn Blutdruck, Nierenwerte oder fetales Wachstum sich verschlechtern.
Nach der Geburt
Nach der Entbindung verbessern sich Nierenparameter häufig, die Patientin sollte aber weiterhin nefrologisch mitbetreut werden.
Bei Stillwunsch ist Insulin unproblematisch, Metformin kann eingesetzt werden, sobald keine Kontraindikationen bestehen. ACE-Hemmer und Sartane dürfen erst nach dem Abstillen wieder aufgenommen werden.
Schwangere mit Diabetes und diabetischer Retinopathie
Folsäure-Substitution
Bei Schwangeren mit diabetischer Retinopathie gelten dieselben Empfehlungen wie für alle Frauen mit präexistentem Diabetes: Die Folsäure-Substitution sollte mindestens drei Monate vor Absetzen der Kontrazeption begonnen und bis zum Ende des ersten Trimenons fortgeführt werden.
Die Standarddosis von 0,4 mg/Tag ist ausreichend, sofern keine zusätzlichen Fehlbildungsrisiken bestehen. Eine höhere Dosis von 4 mg/Tag wird nur bei einem bekannten erhöhten Risiko für Neuralrohrdefekte empfohlen. Eine stabile Stoffwechsellage vor der Konzeption ist hier besonders wichtig, da eine rasche HbA1c-Senkung die Retinopathie verschlechtern kann.
Jod-Substitution und Schilddrüsenfunktion
Die Jodzufuhr entspricht den allgemeinen Empfehlungen: 100–200 µg Jod pro Tag plus jodiertes Salz. Bei Typ-1-Diabetes sollte zusätzlich eine TSH- und TPO-Antikörper-Bestimmung erfolgen, da autoimmune Schilddrüsenerkrankungen häufiger vorkommen. Bei bestehender Retinopathie gibt es keine speziellen Anpassungen der Jodzufuhr.
Aspirin zur Präeklampsie-Prophylaxe
Eine bestehende Retinopathie gilt nicht als Kontraindikation für die Anwendung von ASS 150 mg/Tag zur Präeklampsie-Prophylaxe.
Die Behandlung soll vor 16 + 0 SSW begonnen und bis 35 + 0 SSW fortgeführt werden.
Die Entscheidung sollte individuell getroffen und mit Augenärztin bzw. Diabetologin abgestimmt werden, da eine starke Blutdrucksenkung oder schwankende Glukosewerte den retinalen Blutfluss beeinflussen können.
Augenärztliche Kontrollen – Screening-Rhythmus
Die Leitlinie schreibt ein engmaschiges ophthalmologisches Monitoring vor:
- vor Konzeption: umfassende Augenuntersuchung (Funduskopie, ggf. OCT).
- bei Diagnosestellung der Schwangerschaft: Kontrolle durch Augenärztin/Augenarzt.
- im Verlauf:
- keine Retinopathie → Kontrolle in der 28. SSW, anschließend postpartum
- milde Retinopathie → Kontrollen mind. jedes Trimester
- mäßige bis schwere Retinopathie → alle 4–6 Wochen
- proliferative Retinopathie → monatlich oder häufiger
- postpartum: Kontrolle nach 3–6 Monaten, da sich Retinopathien nach Geburt teils verschlechtern.
Diese Untersuchungen dienen der rechtzeitigen Erkennung von Progression und der Entscheidung über eine notwendige Therapie (z. B. Laserbehandlung).
Therapie der Retinopathie während der Schwangerschaft
Eine bestehende nicht-proliferative Retinopathie wird in der Regel konservativ beobachtet.
Bei proliferativer Retinopathie oder Makulaödem soll eine Panretinale Laserkoagulation (PRP) bevorzugt vor Konzeption durchgeführt werden.
Wenn während der Schwangerschaft eine PRP nötig wird, ist sie auch dann indiziert, sobald sich die Läsion rasch verschlechtert.
Anti-VEGF-Therapien (z. B. Ranibizumab) werden in der Schwangerschaft nicht empfohlen, da keine ausreichenden Sicherheitsdaten vorliegen.
Glykämische Zielwerte und Blutzuckerkontrolle
Eine zu rasche Normalisierung des HbA1c kann eine Retinopathie-Progression auslösen. Daher soll die Stoffwechseloptimierung schrittweise erfolgen.
- HbA1c-Ziel: < 6,5 % (ohne Hypoglykämien)
- kapilläre Zielwerte: nüchtern < 95 mg/dl, 1 h postprandial < 140 mg/dl
- rtCGM wird empfohlen, um starke Schwankungen zu vermeiden und Hypoglykämien rechtzeitig zu erkennen.
Bei jeder augenärztlichen Verschlechterung soll gemeinsam mit dem Diabetologen eine temporäre Anpassung der Therapieintensität geprüft werden.
Blutdrucksteuerung
Da ein erhöhter Blutdruck das Risiko für Retinopathieprogression steigert, wird eine strikte Blutdruckkontrolle empfohlen:
- Zielwerte: systolisch 120–135 mmHg, diastolisch 70–85 mmHg
- bevorzugte Präparate: Methyldopa, Nifedipin oder Metoprolol
- ACE-Hemmer und Sartane sind kontraindiziert
Eine schnelle Blutdrucksenkung sollte vermieden werden, da sie die Durchblutung der Retina verschlechtern kann.
Nierenfunktion und Begleiterkrankungen
Retinopathie und Nephropathie treten häufig gemeinsam auf.
Zu Beginn der Schwangerschaft sollten Kreatinin, eGFR und Albuminurie überprüft und alle 8–12 Wochen kontrolliert werden. Bei auffälligen Werten oder einer raschen Zunahme der Proteinurie ist eine interdisziplinäre Betreuung (Diabetologie, Nephrologie, Augenheilkunde) erforderlich.
Geburtsplanung
Eine Retinopathie allein ist keine Indikation für einen Kaiserschnitt.
Bei stabiler Befundlage ist eine spontane Geburt möglich.
Eine aktive Austreibungsphase mit starkem Pressen sollte jedoch möglichst kurzgehalten werden, um intraokulare Druckspitzen zu vermeiden.
Bei proliferativer Retinopathie oder frischer Glaskörperblutung kann eine primäre Sectio caesarea sinnvoll sein – die Entscheidung erfolgt individuell gemeinsam mit Augenärztin und Geburtshelfer.
Nach der Geburt
Die Retinopathie kann sich postpartal vorübergehend verschlechtern, insbesondere wenn nach der Geburt das HbA1c rasch abfällt.
Empfohlen wird daher eine Augenkontrolle 3–6 Monate postpartum. Stillen ist möglich und hat keine nachteiligen Effekte auf die Augen.
Schwangere mit Diabetes und zusätzlicher Hypertonie
Folsäure-Substitution
Auch bei einer kombinierten Diagnose aus Diabetes und Hypertonie sollte die Folsäure-Substitution mindestens drei Monate vor Absetzen der Kontrazeption begonnen und bis zum Ende des ersten Trimenons fortgeführt werden.
Die Standarddosis von 0,4 mg/Tag gilt auch hier; eine Hochdosis von 4 mg/Tag ist nur bei zusätzlichem Fehlbildungsrisiko (z. B. Neuralrohrdefekt in der Anamnese) erforderlich.
Gerade bei Hypertonie ist die frühzeitige Folsäureeinnahme bedeutsam, da eine hypertensive Stoffwechsellage mit einer höheren Fehlbildungsrate korreliert.
Jod-Substitution und Schilddrüsenfunktion
Die Jodzufuhr entspricht den Standardempfehlungen: 100 – 200 µg Jod/Tag sowie Verwendung jodierten Speisesalzes. Da Schilddrüsenfunktionsstörungen den Blutdruck beeinflussen können, sollte bei Typ-1-Diabetes zusätzlich eine TSH- und TPO-Antikörper-Bestimmung erfolgen.
Bei stabiler Blutdrucklage sind keine weiteren Anpassungen notwendig.
Aspirin zur Präeklampsie-Prophylaxe
Eine vorbestehende chronische Hypertonie zählt laut Leitlinie zu den stärksten Präeklampsie-Risikofaktoren.
Die Gabe von ASS 150 mg/Tag ist deshalb dringend empfohlen, insbesondere bei Diabetes + Hypertonie.
- Beginn: vor 16 + 0 SSW
- Ende: 35 + 0 SSW
- Ziel: Senkung des Präeklampsierisikos und der Frühgeburtsrate.
Die Patientin sollte über Zweck, Dauer und Einnahmezeitpunkt (abends) informiert werden.
Blutdruck-Zielwerte
Empfohlene Zielbereiche:
- systolisch: 120 – 135 mmHg
- diastolisch: 70 – 85 mmHg
Die Werte sollten regelmäßig überprüft werden (mindestens alle 2–4 Wochen), da zu niedrige Werte die uteroplazentare Perfusion beeinträchtigen können.
Eine häusliche Blutdruck-Selbstmessung wird empfohlen.
Medikamentöse Blutdrucktherapie
Empfohlene Präparate:
- Methyldopa (1.–3. Wahlmittel, langjährige Sicherheit)
- Nifedipin (retardiert)
- Metoprolol oder Labetalol (falls verfügbar)
Zu vermeiden/abzusetzen sind:
- ACE-Hemmer, Sartane, Renin-Inhibitoren (teratogen)
- Diuretika (nur bei zwingender Indikation, z. B. Herzinsuffizienz)
Bei Umstellung sollte der Wechsel bereits vor Konzeption erfolgen, spätestens aber unmittelbar nach Feststellung der Schwangerschaft.
Glykämische Zielwerte und Stoffwechselsteuerung
Ziel ist eine nahezu normoglykämische Einstellung, ohne Hypoglykämien und ohne Hypoperfusion durch übermäßige Blutdrucksenkung.
- HbA1c: < 6,5 % (sofern ohne Hypoglykämien)
- kapilläre Zielwerte: nüchtern < 95 mg/dl, 1 h postprandial < 140 mg/dl
Die Kombination aus Insulintherapie und Blutdruckmedikation erfordert engmaschige Kontrollen, da Hypoglykämien durch Betablocker verschleiert werden können.
Nierenfunktion und Proteinurie-Kontrolle
Diabetes + Hypertonie erhöht das Risiko einer diabetischen Nephropathie oder Präeklampsie.
Empfohlen wird:
- Kreatinin, eGFR und Albumin-Kreatinin-Quotient zu Beginn der Schwangerschaft
- Kontrolle alle 4–6 Wochen
- bei Zunahme der Proteinurie oder Blutdruckanstieg → sofortige Abklärung auf Präeklampsie
Eine rasche Verschlechterung der Nierenwerte erfordert eine Mitbetreuung durch Nephrologie und Perinatalzentrum.
Augenärztliche Kontrollen
Da Hypertonie eine Progression der diabetischen Retinopathie begünstigt, wird eine Augenkontrolle vor oder früh in der Schwangerschaft sowie erneut um die 28. SSW empfohlen.
Bei stabiler Befundlage genügt diese Frequenz; bei bestehenden retinalen Veränderungen enger (alle 4–6 Wochen).
Lebensstil-Maßnahmen
Neben medikamentöser Therapie bleibt die nicht-pharmakologische Blutdruckkontrolle essenziell:
- Salzrestriktion vermeiden (nur moderat, da Hypoperfusion droht)
- regelmäßige Bewegung: moderate Aktivität ≥ 150 Min/Woche
- Gewichtskontrolle: Gewichtszunahme gemäß IOM-Empfehlungen
- Stress- und Schlafmanagement (Sympathikusaktivität reduzieren)
Diese Maßnahmen verbessern sowohl die Blutdruckkontrolle als auch die Insulinsensitivität.
Geburtsplanung
Frauen mit Diabetes + Hypertonie gelten als Hochrisikoschwangere.
Die Geburt sollte in einem Perinatalzentrum Level I oder II erfolgen.
Bei stabiler Blutdrucklage und unauffälligen Dopplerwerten kann eine spontane Entbindung bis 38 + 6 SSW angestrebt werden.
Bei zunehmender Hypertonie, Präeklampsie oder Wachstumsrestriktion ist eine frühere Entbindung (ab 37 + 0 SSW) empfohlen.
Nach der Geburt
Postpartal kann es zu Blutdruckspitzen kommen; der Blutdruck sollte innerhalb der ersten 5 Tage nach Entbindung kontrolliert werden.
- Methyldopa sollte nach der Geburt bald ersetzt werden (Depressionsrisiko).
- Nifedipin und Metoprolol sind stillverträglich.
- Eine ASS-Prophylaxe wird nach der Geburt abgesetzt.
Auch nach der Entbindung ist eine Nachsorge innerhalb von 6 Wochen empfohlen.
Schwangere mit Diabetes und anamnestischem Risiko für Fehlbildungen (z.B. Neuralrohrdefekt in der Vorgeschichte)
Folsäure-Substitution
Bei Frauen mit Diabetes und einem anamnestisch erhöhten Risiko für Fehlbildungen – insbesondere nach einem Kind mit Neuralrohrdefekt (NTD) – gilt eine deutlich intensivere Folsäure-Prophylaxe.
Die Leitlinie empfiehlt, die Einnahme mindestens drei Monate vor Absetzen der Kontrazeption zu beginnen und bis zum Ende des ersten Trimenons fortzuführen.
Hier wird eine Hochdosis von 4 mg Folsäure täglich empfohlen (statt der Standarddosis 0,4 mg). Diese Dosierung soll helfen, das Wiederholungsrisiko für Neuralrohrdefekte signifikant zu reduzieren. Eine niedrigere Dosierung wäre in dieser Konstellation nicht ausreichend.
Nach Abschluss der 12. SSW kann auf eine Standarddosis (0,4–0,8 mg/Tag) übergegangen werden.
Jod-Substitution und Schilddrüsenfunktion
Die Jodzufuhr soll analog zu stoffwechselgesunden Schwangeren erfolgen (100–200 µg/Tag zusätzlich zu jodiertem Speisesalz).
Bei Typ-1-Diabetes sollte präkonzeptionell bzw. früh in der Schwangerschaft eine TSH-Kontrolle erfolgen, da Schilddrüsenerkrankungen ebenfalls das Fehlbildungsrisiko leicht beeinflussen können.
Präkonzeptionelle Beratung
Frauen mit vorbestehendem Diabetes und bekanntem Fehlbildungsrisiko sollen unbedingt präkonzeptionell betreut werden. Ziele:
- optimale Stoffwechselkontrolle (HbA1c < 6,5 %) vor Konzeption
- Folsäure-Beginn vor Schwangerschaftseintritt
- Absetzen teratogener Medikamente (ACE-Hemmer, Sartane, Statine)
- Kontrolle von Augen, Nieren, Blutdruck und Schilddrüse
- Aufklärung über das individuelle Wiederholungsrisiko und ggf. genetische Beratung
Eine geplante Schwangerschaft mit guter Stoffwechsellage und optimaler Supplementation senkt das Fehlbildungsrisiko nahezu auf das Niveau der Normalbevölkerung.
Aspirin zur Präeklampsie-Prophylaxe
Das Vorliegen eines Fehlbildungsrisikos allein stellt keine eigenständige Indikation für ASS dar.
Wenn jedoch weitere Risikofaktoren wie Nephropathie oder Hypertonie hinzukommen, soll ASS (150 mg/Tag, Beginn < 16 + 0 SSW, Ende 35 + 0 SSW) eingesetzt werden.
Glykämische Zielwerte und Verlaufskontrolle
Da eine schlechte Stoffwechsellage mit einem deutlich erhöhten Risiko für Fehlbildungen korreliert, soll der HbA1c bereits vor Konzeption im Zielbereich liegen.
- HbA1c < 6,5 % (ohne Hypoglykämien)
- kapilläre Zielwerte: nüchtern < 95 mg/dl, 1 h postprandial < 140 mg/dl
- rtCGM kann helfen, Schwankungen zu vermeiden und die „Time-in-Range“ zu erhöhen.
Nach Konzeption sind die Werte engmaschig (mind. 1× wöchentlich) zu dokumentieren.
Medikamentöse Therapie und Supplemente
- Insulin bleibt Therapie der Wahl; orale Antidiabetika sollen abgesetzt werden.
- Zusätzlich zu Folsäure wird eine ausgewogene Ernährung mit ausreichender Vitamin-B12-Zufuhr empfohlen (wichtig bei vegetarischer Ernährung oder Metformin-Vorgeschichte).
- keine besonderen Einschränkungen bei Jod oder Eisen über die allgemeinen Empfehlungen hinaus.
Weitere Risikofaktoren beachten
Bei anamnestischem Fehlbildungsrisiko sollte geprüft werden, ob zusätzliche teratogene Faktoren bestehen:
- Medikamente: Retinoide, Antiepileptika, ACE-Hemmer, Sartane, Statine → müssen vor Schwangerschaft abgesetzt werden.
- Fieber, Infekte und Hyperglykämie in der Frühschwangerschaft erhöhen das Fehlbildungsrisiko weiter; daher engmaschige Kontrollen im 1. Trimenon.
Screening und Ultraschalldiagnostik
Es wird eine erweiterte Fehlbildungsdiagnostik empfohlen:
- Ersttrimester-Screening (11.–13. SSW) mit Nackentransparenzmessung
- Feinultraschall (20.–22. SSW), ggf. fetal-echokardiographisch
- bei hohem Risiko: Überweisung in ein Perinatalzentrum Level I mit pränataldiagnostischer Expertise.
Diese Untersuchungen sind ergänzend zu den üblichen Vorsorgeuntersuchungen sinnvoll, um strukturelle Fehlbildungen frühzeitig zu erkennen.
Geburtsplanung
Die Geburt erfolgt in einem Perinatalzentrum Level I oder II.
Bei unauffälligem Verlauf und guter glykämischer Kontrolle ist eine spontane Geburt bis 40 + 0 SSW möglich.
Liegt jedoch eine fetale Fehlbildung oder fetales Wachstumsdefizit vor, ist eine frühere Entbindung in Absprache mit Neonatologie und Pränataldiagnostik zu planen.
Nach der Geburt
Postpartal sollte die Patientin weiterhin Folsäure in niedriger Dosierung (0,4 mg/Tag) bis zum Ende der Stillzeit einnehmen, um den Folsäurespiegel stabil zu halten.
Eine genetische Beratung wird empfohlen, falls erneut Kinderwunsch besteht oder die Fehlbildung rezidiv war.
Stillen ist erlaubt und wird ausdrücklich befürwortet.
Frauen mit Diabetes und Kinderwunsch (präkonzeptionell betreute Frauen)
Ziel und Grundprinzip
Die präkonzeptionelle Betreuung ist für Frauen mit Diabetes entscheidend, um Fehlbildungen, Frühgeburten, Präeklampsie und perinatale Komplikationen zu vermeiden. Ziel ist, eine geplante Schwangerschaft bei optimaler Stoffwechsellage zu ermöglichen.
Die Leitlinie empfiehlt ausdrücklich, jede Frau mit Diabetes im gebärfähigen Alter regelmäßig zur Familienplanung anzusprechen und eine mögliche Schwangerschaft aktiv vorzubereiten.
Folsäure-Substitution
Frauen mit Diabetes sollen bereits drei Monate vor Absetzen der Kontrazeption mit Folsäure beginnen.
- Standarddosis: 0,4 mg/Tag bis Ende des 1. Trimenons.
- Hochdosis: 4 mg/Tag, wenn zusätzliche Risikofaktoren bestehen (z. B. vorangegangenes Kind mit Neuralrohrdefekt oder erhöhtes perikonzeptionelles HbA1c).
Die Einnahme sollte dokumentiert und aktiv überprüft werden.
Jod-Substitution und Schilddrüsenfunktion
Empfohlen wird eine Jodzufuhr von 100–200 µg/Tag über Supplemente plus jodiertes Speisesalz. Da Autoimmunthyreoiditis bei Typ-1-Diabetes häufig ist, sollte präkonzeptionell TSH und ggf. TPO-Antikörper bestimmt werden.
Bei Typ-2-Diabetes genügt eine TSH-Kontrolle, wenn klinisch Hinweise auf eine Funktionsstörung bestehen.
HbA1c-Zielwerte und Glykämische Kontrolle
Eine Schwangerschaft sollte erst angestrebt werden, wenn die Stoffwechsellage stabil ist.
- HbA1c-Ziel: < 7 %, idealerweise < 6,5 % (sofern ohne Hypoglykämien erreichbar).
- kapilläre Werte: nüchtern < 95 mg/dl, 1 h postprandial < 140 mg/dl.
- CGM oder rtCGM werden empfohlen, um Schwankungen frühzeitig zu erkennen und Hypoglykämien zu vermeiden.
Ein zu hoher HbA1c zum Zeitpunkt der Konzeption ist mit einem deutlich erhöhten Risiko für Fehlbildungen verknüpft (v. a. Herzfehler, Neuralrohrdefekte).
Medikamenten-Umstellung vor Konzeption
Vor Eintritt einer Schwangerschaft müssen potenziell teratogene Medikamente abgesetzt und ersetzt werden.
Nicht erlaubt bzw. zu ersetzen sind:
- ACE-Hemmer und Sartane (→ Methyldopa, Nifedipin oder Metoprolol)
- Statine (→ absetzen, da kontraindiziert)
- orale Antidiabetika außer Metformin (→ Insulin)
- SGLT-2-Hemmer, GLP-1-Analoga, DPP-4-Hemmer → absetzen
- Metformin kann ggf. weitergeführt werden, wenn gute Kontrolle besteht und eine Insulintherapie nicht erforderlich ist (unter ärztlicher Abwägung).
Auch Retinoide, Antiepileptika und andere potenziell teratogene Substanzen müssen überprüft und gegebenenfalls ersetzt werden.
Blutdruck und kardiovaskuläre Risikofaktoren
Blutdruck sollte präkonzeptionell < 135/85 mmHg liegen.
Bei Hypertonie muss die Therapie auf schwangerschaftsgeeignete Präparate umgestellt werden.
Eine Lipidtherapie ist während Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert, sollte aber nach der Entbindung fortgeführt werden.
Augenärztliche Kontrolle (Retinopathie-Screening)
Vor der Schwangerschaft ist eine komplette augenärztliche Untersuchung erforderlich, um bestehende Retinopathien zu erfassen.
Bei proliferativer Retinopathie soll vor Schwangerschaft eine Panretinale Laserkoagulation (PRP) erfolgen, um ein Fortschreiten während der Schwangerschaft zu verhindern.
Ein stabiler Befund ist Voraussetzung für eine sichere Schwangerschaft.
Nierenfunktion und Nephropathie-Screening
Vor Konzeption sollen Kreatinin, eGFR und Albuminurie bestimmt werden.
Bei nachgewiesener Nephropathie ist eine gemeinsame Betreuung durch Diabetologie, Nephrologie und Gynäkologie erforderlich.
Eine Schwangerschaft sollte erst erfolgen, wenn die Nierenfunktion stabil und der Blutdruck gut eingestellt ist.
Impfstatus
Vor Eintritt der Schwangerschaft sollte der Impfstatus überprüft und aktualisiert werden:
- Röteln, Masern, Mumps, Varizellen (Lebendimpfstoffe → min. 4 Wochen Abstand zur Konzeption)
- Hepatitis B (indiziert bei Diabetes, da höhere Infektionsgefahr)
- Influenza und COVID-19 (inaktivierte Impfstoffe)
Diese Impfungen sollen vor Schwangerschaftsbeginn abgeschlossen sein, um fetale Risiken zu vermeiden.
Gewicht, Ernährung und Bewegung
Ein gesundes Ausgangsgewicht ist entscheidend:
- bei Übergewicht → moderate Gewichtsreduktion vor Konzeption.
- empfohlene Ernährung: ballaststoffreich, niedriger glykämischer Index, ausreichend Eiweiß, Vermeidung schnell resorbierbarer Kohlenhydrate.
- körperliche Aktivität: mind. 150 Minuten/Woche moderate Bewegung (z. B. Schwimmen, Radfahren, Gehen).
Diese Maßnahmen verbessern Insulinsensitivität, HbA1c und Blutdruck.
Aspirin-Prophylaxe (präventive Indikation)
Eine ASS-Prophylaxe wird in der präkonzeptionellen Phase nicht begonnen, kann aber ab Schwangerschaftsbeginn indiziert sein (z. B. bei Nephropathie oder Hypertonie).
Daher sollte die mögliche Indikation bereits vor der Konzeption besprochen und in der Dokumentation vermerkt werden.
Psychosoziale und edukative Unterstützung
Die präkonzeptionelle Phase ist ideal, um Ängste und Erwartungen anzusprechen.
Frauen mit Diabetes sollen Zugang zu:
- Schulungen zur Blutzucker-Selbstkontrolle und Insulinanpassung,
- Ernährungsberatung,
- psychologischer Begleitung,
- sozialmedizinischer Beratung (z. B. Beruf, Schichtarbeit, Lebensstil).
Eine kontinuierliche Betreuung durch ein interdisziplinäres Team (Diabetologe, Gynäkologin, Ernährungsberaterin, ggf. Psychologin) ist der wichtigste Erfolgsfaktor für einen komplikationsfreien Verlauf.
Nach Konzeption / Frühschwangerschaft
Nach Feststellung der Schwangerschaft sollte unmittelbar ein Termin in der spezialisierten Diabetes-Schwangeren-Sprechstunde erfolgen.
Die Medikation, Zielwerte und Schulungsinhalte werden dort überprüft.
Ein rtCGM wird empfohlen, um eine stabile Glukosekontrolle zu gewährleisten.
Fazit:
Eine Frau mit Diabetes sollte erst schwanger werden, wenn ihr Stoffwechsel stabil ist, teratogene Medikamente abgesetzt sind und Folsäure eingenommen wird. Eine gute präkonzeptionelle Planung senkt das Risiko für Fehlbildungen und Komplikationen erheblich.
Quellen:
- Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG). S2e-Leitlinie Diabetes in der Schwangerschaft. 2021. 3. Auflage. AWMF-Registernummer: 057-023.



