Was soll man tun, wenn ein Angehöriger oder Freund mit Schizophrenie seine Medikamente nicht einnimmt?
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- Zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 12. August 2021 12:06
Ist ein Familienmitglied, der Freund, die Freundin oder der Partner von Schizophrenie betroffen und nimmt die verordneten Psychopharmaka nicht ein, hilft es oft, den Betreffenden direkt darauf anzusprechen, möglicherweise auch Hilfe anzubieten. Man könnte z.B. zu gegebener Zeit auch an die nötige Medikamenteneinnahme erinnern.
Die sogenannte Compliance, also die "Therapietreue" kranker Menschen, die einer Behandlung bedürfen, lässt gerade im Bereich psychischer Erkrankungen oft zu wünschen übrig. Das liegt zum einen an den Krankheitsbildern, zum anderen aber auch an den Medikamenten, die leider nicht selten Nebenwirkungen verursachen, die die Betroffenen verständlicherweise nicht dauerhaft akzeptieren wollen.
Lücken in der ambulanten Versorgung
Das Problem stellt sich vor allem dann, wenn jemand langfristig Medikamente benötigt. In der Akutphase ist die Therapie meist klar vorgegeben, vor allem, wenn der Betroffene stationär aufgenommen wird. Schwieriger wird es, wenn er ins häusliche Umfeld entlassen wird. Da die Behandlung der Schizophrenie langwierig ist, müssen die Erkrankten die Medikamente nach der Entlassung in der Regel niedrig dosiert weiterhin einnehmen.
Wie einige Leser kommentiert haben, ist die ambulante psychiatrische Versorgung in Deutschland nach wie vor unzureichend, vor allem in dünn besiedelten ländlichen Gebieten. Zwar hat sich hier in den vergangenen Jahren einiges getan; der Bedarf an ambulanter Unterstützung gerade auch für Angehörige ist aber bei weitem nicht gedeckt. So fühlen sich viele alleingelassen und überfordert, wenn das Kind, der Partner oder Freund auf einmal beschließt, seine Medikamente nicht mehr einzunehmen.
Ein guter Draht ist das A&O
Was also können Sie in diesem Fall tun? Grundsätzlich ist natürlich wichtig, was für ein Verhältnis Sie zu Ihrem erkrankten Angehörigen haben. Wenn es gut und eng ist, wird es Ihnen leichter fallen, ihn direkt darauf anzusprechen und ihm Ihre Sorgen mitzuteilen. Stehen Sie sich weniger nah und streiten oft miteinander, wird er darauf eher unwirsch reagieren, und Sie erreichen womöglich genau das Gegenteil.
Wenn Sie selbst an Ihren Angehörigen nicht mehr herankommen, können Sie sich vielleicht an seinen Arzt oder Therapeuten zu wenden. Auch hier ist wieder sowohl Ihr Verhältnis zum Behandler als auch die Beziehung zwischen Arzt und Betroffenem entscheidend. Gerade bei psychischen Erkrankungen spielt in der Behandlung Vertrauen eine große Rolle. Wer ein gutes Verhältnis zu seinem Arzt hat und sich bei ihm gut aufgehoben fühlt, wird auch seinen Therapievorgaben eher folgen als jemand, der von vorne herein misstrauisch ist und keinen Draht zu seinem Therapeuten bekommt.
Therapie optimieren, Nebenwirkungen reduzieren
Es kann deshalb sinnvoll sein, den Arzt miteinzubeziehen, weil er die Medikamente ggf. umstellen bzw. verändern kann. Bei einer Langzeitbehandlung ist die dauerhafte Verträglichkeit entscheidend. Treten Nebenwirkungen auf, die den Betroffenen im Alltag stark belasten, wundert es nicht, wenn er die Medikamente irgendwann nicht mehr einnehmen möchte. Oft ist es aber möglich, z.B. die Dosis zu reduzieren oder auf ein anderes Medikament zu wechseln.
Wenn jemand dauerhaft behandelt werden muss und wenig Therapietreue zeigt, ist eventuell auch eine Depotmedikation sinnvoll. Dabei bekommt der Betroffene den Wirkstoff alle 1-4 Wochen gespritzt. Aber auch darauf muss er sich einlassen und regelmäßig den Arzt aufsuchen.
Gefahr eines Rückfalls
Schwierig wird es vor allem dann, wenn jemand einen Rückfall mit ausgeprägten Symptomen entwickelt, aber weiterhin seine Medikamente nicht einnimmt. Um das zu vermeiden, wird die Behandlung nach einem ersten Krankheitsausbruch normalerweise für mindestens 1 Jahr fortgeführt und danach langsam ausgeschlichen, d.h. die Dosis wird schrittweise reduziert.
Setzt jemand mit Schizophrenie die Tabletten in dieser Zeit abrupt ab, kann es leicht zu einem Rückfall (Rebound-Psychose) kommen. Im schlimmsten Fall muss der Betroffene stationär eingewiesen und umgehend behandelt werden.
Mit Geduld und Empathie
Aber ja, bis dahin stehen Angehörige oft alleine da. Die Hürden für eine gerichtliche Unterbringung liegen hoch. Das ist auch gut so, um die Autonomie eines Menschen so lange wie möglich zu wahren. Für Nahestehende wird es aber oft zur Zerreißprobe.
Letztlich gibt es kein Patentrezept, wie Sie Ihren Angehörigen von den Medikamenten überzeugen können. Versuchen Sie, einen Zugang zu ihm zu gewinnen. Drängen Sie ihn nicht, sondern drücken Sie vor allem Ihre Sorgen um ihn aus. Und signalisieren Sie ihm, dass Sie ihn unterstützen und für ihn da sind. Vielleicht können Sie ihn auf diesem Weg behutsam wieder zur Therapie motivieren.
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