Borderline-Syndrom: Ursachen und Behandlung
- Aktualisiert: Dienstag, 19. Januar 2021 13:51
Was ist eine Borderline-Störung, und wie kommt es dazu? Liegt es an den Eltern? Wie wird Borderline behandelt? Ist die Behandlung wirklich erfolgversprechend? Fragen und Antworten zur Borderline-Persönlichkeitsstörung finden Sie im folgenden Beitrag.
Definition der Erkrankung
Was ist Borderline?
Borderline bezeichnet eine psychische Erkrankung und gehört zu den sogenannten emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen. Im Vordergrund stehen eine ausgeprägte Impulsivität und emotionale Instabilität. Stimmungsschwankungen und ein fragiles Selbstbild sind typisch. Zwischenmenschliche Beziehungen gestalten sich deshalb meist äußerst schwierig.
Grenzgänger zwischen vielfältigen Symptomen
Der Begriff Borderline ("Grenzlinie") entstand auf dem Boden des psychoanalytischen Verständnisses der Krankheit. Demnach zeigen "Borderliner" sowohl Symptome psychotischer als auch neurotischer Störungen, ohne dass deren Kriterien aber voll erfüllt sind.
Unter einer Psychose versteht man eine psychiatrische Erkrankung mit schwerer Symptomatik, die nicht primär aus der Biographie ableitbar ist. Neurosen hingegen sind aus der jeweiligen Lebensgeschichte nachvollziehbar. Ihre Entstehung geht demnach auf handfeste biographische Ereignisse zurück.
Die Krankheit wurde also auf der Grenzlinie dieser verschiedenen psychiatrischen bzw. psychischen Störungen und ihrer Symptome eingeordnet.
Typisch: Stimmungsschwankungen und wechselhafte Beziehungen
Heute gilt die Borderline-Persönlichkeitsstörung als eigenständiges Krankheitsbild mit neurotischen und psychotischen Symptomen sowie charakteristischen Persönlichkeitsmustern.
Neben einer wechselhaften Stimmung und einer fehlenden Impulskontrolle ist ganz typisch, dass Betroffene kein klares, gefestigtes Selbstbild entwickeln. Die Beziehungen zu Mitmenschen sind oft intensiv, aber unbeständig, was immer wieder zu emotionalen Krisen und unkontrolliertem, auch selbstzerstörerischem Verhalten führen kann.
Lebenslange Prägung: Die Entwicklung der Persönlichkeit
Die Persönlichkeitsstörung kann schon bei Kindern auffallen, fast immer aber spätestens im Jugendalter. Etwa 3% der Bevölkerung sind betroffen, Frauen und Männer etwa gleich häufig.
Am häufigsten wird die Diagnose im Jugendalter zwischen 15 und 20 Jahren gestellt. Im Alter von 15 Jahren ist statistisch ein sprunghafter Anstieg psychiatrischer Behandlungen aufgrund der Persönlichkeitsstörung zu verzeichnen. Das bedeutet aber nicht, dass nicht schon jüngere Kinder durch ihr Verhalten auffällig werden. Es vergeht jedoch oftmals noch relativ viel Zeit, bis es schließlich zur endgültigen Diagnose einer Borderline-Störung kommt.
An der Entstehung der Borderline-Störung sind sowohl bestimmte Anlagen, die ein Mensch von Geburt an mitbekommt, als auch Umwelteinflüsse, die im Verlauf des Lebens auf ihn einwirken, beteiligt. Nach derzeitigem Kenntnisstand spielen insbesondere bei der Borderlinestörung Erbfaktoren eine nicht unerhebliche Rolle. Sie sind jedoch immer im Kontext der weiteren psychosozialen Entwicklung zu sehen.
Fast immer liegen traumatische Erfahrungen wie Missbrauch oder Vernachlässigung zugrunde. Auch neurobiologische Faktoren wie z.B. bestimmte Veränderungen im Gehirn oder im Stoffwechsel spielen eine Rolle. Sie können zum Teil mittels bildgebender Verfahren oder elektrophysiologischer Messungen (EEG) nachgewiesen werden, wobei hier noch großer Forschungsbedarfs besteht.
Wann ist eine Persönlichkeit gestört?
Insgesamt sind Persönlichkeitsstörungen komplexe, schwer zu fassende Krankheitsbilder. Schon die Zuschreibung als Erkrankung ist fragwürdig und umstritten. Welches Verhalten ist zwar vielleicht etwas auffällig und schrullig, aber noch "normal" und tolerierbar? Und wo liegt die Grenze zu einer wirklichen Erkrankung?
Grundsätzlich gelten Auffälligkeiten im emotional-seelischen Bereich dann als krankhaft, wenn sie einen subjektiven Leidensdruck auslösen und den Alltag, das soziale Gefüge und berufliche Verpflichtungen beeinträchtigen. Genau das ist auch bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung der Fall.
Wichtig für die Definition ist außerdem, dass die typischen Verhaltensmuster und Einstellungen beständig, festgefahren und wenig flexibel sind. Es handelt sich also nicht um kurzzeitige Launen oder temporäre Verstimmungen.
Die Störung umfasst zudem ganz unterschiedliche Bereiche; neben der Gefühlsebene sind auch das Denken, die Wahrnehmung und der Antrieb betroffen.
Nur ein Hilfsmittel: Klassifikationssysteme
Es gab und gibt zahlreiche Versuche, Persönlichkeitsstörungen zu ordnen und einzuteilen. In der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation gehört die Borderlineerkrankung zu den emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen.
Kennzeichnend sind extreme Schwankungen der Stimmung und des Impulses, verbunden mit Problemen im zwischenmenschlichen Bereich. Sie geht oft mit anderen Krankheiten wie Depressionen, Angststörungen, Essstörungen oder der Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) einher, was die Abgrenzung und Definition noch schwieriger macht.
Die Persönlichkeit heilen?
So schwierig es ist, die Erkrankung überhaupt dingfest zu machen und die einzelnen Symptome klar herauszustellen, so aufwendig ist verständlicherweise auch die Therapie. Wie soll man eine Persönlichkeit, die sich im Verlauf von Jahren entwickelt hat und geprägt wurde und die ja die jeweilige Person mit all ihren Facetten auch ausmacht, verändern? Was gehört zu dieser Person und soll bestehen bleiben? Was macht die Erkrankung aus und soll behoben werden?
Grundsätzlich verläuft die Therapie von Persönlichkeitsstörungen über Jahre hinweg und umfasst neben psychotherapeutischen Verfahren auch soziotherapeutische Ansätze, die vor allem darauf abzielen, ein Leben mit der Erkrankung zu ermöglichen. Denn anders als bei vielen anderen Erkrankungen lässt sich eine Persönlichkeit nicht einfach heilen. Aber sie kann durchaus heilsame Erfahrungen machen.
Ursachen
Was sind die Ursachen der Borderline-Störung?
Die Ursachen der Krankheit sind nicht sicher geklärt. Vermutlich kommt eine Mischung aus Erbfaktoren und Lebenserfahrungen zum Tragen, wenn sich eine Borderline-Persönlichkeit herausbildet. Wie bei anderen psychiatrischen Erkrankungen auch lässt sich die Entwicklung in einem bio-psycho-sozialen Modell nachvollziehen.
Nicht aus heiterem Himmel
Ähnlich wie körperliche Erkrankungen haben auch Störungen im seelisch-psychischen Bereich bestimmte Ursachen und fallen nicht einfach vom Himmel. Nur ist es oft nicht so klar und eindeutig wie z.B. bei einer Blasenentzündung, die man sich zuziehen kann, wenn man zu lange auf einer kalten Bank saß; oder wie beim Fußpilz nach dem Besuch im Schwimmbad.
Psychische Erkrankungen entwickeln sich meist über einen langen Zeitraum aus einem ganzen Bündel verschiedener Ursachen. In der Psychologie werden zur Veranschaulichung dieser komplexen Genese gern Modelle herangezogen.
Dabei hat sich das sogenannte bio-psycho-soziale Modell als maßgeblich für sämtliche psychiatrischen Erkrankungen herauskristallisiert. Es besagt, dass folgende Elemente in jeweils unterschiedlicher Gewichtung an deren Entstehung beteiligt sind:
Ist die Borderline-Störung eine organische Krankheit?
Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Es wurden zwar Veränderungen im Gehirn gefunden, wie das bei vielen anderen psychischen und psychiatrischen Krankheiten auch der Fall ist. Allerdings stellt sich immer die Frage nach der Henne und dem Ei: Was war zuerst da?
Veränderte Hirnareale
Sicher ist, dass die Erkrankung mit bestimmten Hirnveränderungen einhergeht, die sich auch messen und darstellen lassen. So gibt es beispielsweise Auffälligkeiten in den Regelkreisen der emotionalen Regulation.
Bildgebende Untersuchungen zeigen in Tests der Impulskontrolle tendenziell eine Unterfunktion im sogenannten präfrontalen Kortex. Das ist ein Teil im Bereich der Stirnseite des Gehirns, der für höhere geistige, aber auch psychische und soziale Leistungen des Menschen verantwortlich ist.
Tendenziell reduzierte Hirnvolumina ließen sich daneben in Hirnbereichen nachweisen, die für die Gedächtnisfunktionen (Hippocampus) und Gefühlsreaktionen (Amygdala) wichtig sind. Auch Nervenbotenstoffe wie Serotonin oder Dopamin sind für die Persönlichkeitsstörung wahrscheinlich bedeutsam. Hier gehen Wissenschaftler von einem Ungleichgewicht aus.
Vieles noch unklar
Aber zurück zu Henne und Ei: Löst nun die Hirnveränderung die Störung aus, oder ist die organische neurobiologische Veränderung Folge der Krankheit?
Da bekannt ist, dass traumatische Erfahrungen in der Kindheit und Jugend Hirnveränderungen verursachen können, könnte man zumindest annehmen, dass das auch bei der Borderlinestörung so ist, die meist mit Traumata im Verlauf der Entwicklung verbunden ist. Fraglich ist natürlich auch, ob jeder mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung organische Veränderungen im Gehirn aufweist.
Gut vorstellbar ist, dass sich Hirnstrukturen und auch der Hirnstoffwechsel mit einer Besserung der Krankheit normalisieren. Dazu müssten aber noch viele weitere Untersuchungen und Studien durchgeführt werden.
Zusammenspiel von Körper und Psyche
Grundsätzlich lässt sich bei aller Vorsicht und dem noch erheblichen Forschungsbedarf sagen, dass eine Borderline-Erkrankung organische Komponenten aufweist. Daneben spielen aber immer noch weitere Faktoren eine Rolle. So stehen oft traumatische Erfahrungen wie Missbrauch und Gewalt in Kindheit und Jugend im Hintergrund.
Und schließlich ist die individuelle Veranlagung und Persönlichkeitsstruktur ganz entscheidend dafür, wie diese Erfahrungen und Prägungen verarbeitet werden. Denn nicht jeder, der solche seelischen Verletzungen erlitten hat, entwickelt eine Persönlichkeitsstörung.
Stimmt es, dass Menschen mit Borderline-Störung oft noch weitere Krankheiten aufweisen?
Ja, Menschen mit der Persönlichkeitsstörung haben häufig weitere Erkrankungen und damit gleich mehrere Diagnosen. Depressionen, Drogenmissbrauch und Abhängigkeit, posttraumatische Belastungsstörungen, Angst- und Panikstörungen sowie Essstörungen und eine Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) kommen bei Borderline sehr oft begleitend vor.
Im Dickicht der Symptome
Es ist schon nicht leicht, eine Persönlichkeitsstörung korrekt zu diagnostizieren. Sie von anderen Erkrankungen abzugrenzen, stellt eine echte Herausforderung für den Therapeuten dar.
Das liegt daran, dass die Züge einer Persönlichkeit auch bei anderen psychiatrischen Erkrankungen verändert sein können. Außerdem ist jeder Mensch je nach persönlicher Veranlagung für die eine oder andere Krankheit mehr oder weniger anfällig, ohne dass die Grundzüge seiner Persönlichkeit gleich krankhaft sein müssen.
Es gilt also, "normale" Charakterzüge von einer echten Störung der Persönlichkeit wie auch von Symptomen einer anderen Erkrankung abzugrenzen. Und schließlich können auch unterschiedliche Formen von Persönlichkeitsstörungen gleichzeitig auftreten.
Einfach nur schlecht drauf oder depressiv?
Man geht davon aus, dass etwa zwei Drittel der Betroffenen mit Persönlichkeitsstörungen unter weiteren psychiatrischen Erkrankungen leiden. Bei "Borderlinern" zählen zu diesen sogenannten Komorbiditäten vor allem depressive Störungen, aber auch oft Ess- und Abhängigkeitsstörungen sowie Störungen der Impulskontrolle wie ADHS.
Wenn man sich die einzelnen Symptome dieser Erkrankungen vergegenwärtigt, wird klar, wie eng sie beieinanderliegen. Dass ein "Borderliner", der gerade einen heftigen Streit mit einem guten Freund hatte und mal wieder das Gefühl hat, sein Leben nicht auf die Reihe zu bekommen, depressiv verstimmt ist, ist nachvollziehbar. Ebenso, das er sich in der Folge in Alkohol oder Drogen flüchtet, um sich angesichts seines vermeintlich verkorksten Lebens zu betäuben. Das zeitweise aufbrausende und oft auch selbstschädigende Verhalten von Borderlinern wiederum kann auch ein Symptom der ADHS sein.
Die Symptome müssen daher zunächst richtig zugeordnet werden. Dann ist zu klären, welche Krankheit als erste auftrat und welche sich erst später entwickelt hat. Dies muss in ausführlichen Gesprächen mit den Betroffenen, aber auch mit Angehörigen und nahestehenden Personen erörtert werden. Für die Therapie ist nämlich entscheidend, "wo der Hund begraben liegt", was also der Kern des Problems ist und wann es angefangen hat.
Für jede Erkrankung die richtige Therapie
Andere zusätzlich vorkommende Krankheiten müssen bei der Behandlung natürlich berücksichtigt werden, da sie den Behandlungserfolg stark beeinflussen können. So lässt sich zum Beispiel eine Borderline-Störung kaum bessern, wenn eine Suchterkrankung außer Acht gelassen wird. Eine zusätzliche depressive Störung erfordert womöglich eine begleitende medikamentöse Therapie. Für die Persönlichkeitsstörung selbst stehen psycho- und soziotherapeutische Verfahren im Vordergrund. So muss für jeden Betroffenen ein individuelles umfassendes Therapiekonzept gefunden werden.
Behandlung
Wie wird eine Borderline-Persönlichkeitsstörung behandelt?
Die Behandlung von Persönlichkeitsstörungen erfordert von allen Beteiligten einen langen Atem. Gerade für Borderline gibt es jedoch gute Ansätze, um den speziellen Problemen und Bedürfnissen der Betroffenen gerecht zu werden.
Ohne Motivation keine Therapie
Motivation und das Bedürfnis, an der eigenen Situation und Lebensgestaltung etwas zu ändern, sind entscheidend, um überhaupt mit einer Therapie beginnen zu können. Dazu gehört eine gewisse Einsicht und das Eingeständnis, für Veränderungen im Leben auch ein Stück weit selbst verantwortlich zu sein.
Manchen treibt aber auch der enorme Leidensdruck irgendwann dazu, sich Hilfe zu suchen. Wenn die Beziehung bröckelt oder es beruflich mal wieder nicht gut läuft, ist guter Rat teuer.
Im Vordergrund der Therapie von Persönlichkeitsstörungen stehen psycho- und soziotherapeutische Ansätze. Medikamente werden in der Regel nur bei entsprechenden Begleitsymptomen eingesetzt, wie z.B. einer depressiver Verstimmung oder massiven Spannungszuständen. Hier können sie zur Linderung der Beschwerden beitragen. Wichtig sind sie außerdem, wenn neben der Persönlichkeitsstörung noch eine weitere Erkrankung vorliegt. Man spricht dann von Komorbidität. So geht eine Borderline-Störung beispielsweise häufig mit Alkohol- und Suchterkrankungen einher, die gesondert behandelt werden müssen.
Skills – kleine Helfer im Alltag mit der Erkrankung
Elementar für die Behandlung und den Umgang mit der Borderline-Störung ist das Erlernen von Strategien im Umgang mit Spannungszuständen. Viele "Borderliner" haben zwar (vorübergehend) gut wirksame Methoden gefunden, die ihnen jedoch längerfristig mehr schaden als nutzen: Selbstverletzungen sind keine Lösung zum Abbau innerer Erregung oder Leere und sollten durch alternative Strategien ersetzt werden.
Leider ist das oft nicht ganz einfach, da sämtliche sogenannte Skills verständlicherweise nicht die gleiche Reizstärke wie z.B. ein Schnitt durch die Haut erreichen. Sie wirken daher meist nicht so stark.
Übersetzt bedeuten Skills Fähigkeiten oder Fertigkeiten. Sie sollen helfen, mit der Erkrankung im Alltag besser umzugehen. Es gibt ganz konkrete Skills, die bestimmte Handlungen umfassen; daneben gibt es aber auch solche auf gedanklicher oder der Ebene der Wahrnehmung.
Das Umfeld im Blick: Soziotherapie
Die Soziotherapie zielt darauf ab, das soziale Umfeld zu festigen und die psychosozialen Kompetenzen der Betroffenen zu verbessern. Das bedeutet etwa, die familiären Verhältnisse zu beleuchten und alte Muster und Verhaltensweisen ggf. aufzubrechen. Auch die berufliche Situation und das dortige Umfeld spielen eine große Rolle und können sowohl stabilisieren als auch verunsichern.
Speziell für Borderline: Dialektisch-behaviorale Therapie
Für die Borderlineerkrankung wurde eine spezielle Therapieform entwickelt, die sogenannte Dialektisch-behaviorale Therapie. Sie beruht auf verschiedenen Strategien und umfasst kognitive, verhaltenstherapeutische wie auch psychodynamische Ansätze.
Eine kognitive Therapie zielt auf das Denken, die Einsicht und die Einstellungen der Betroffenen ab. Dabei wird versucht, festgefahrene Denkmuster aufzubrechen und neue Sichtweisen zu entwickeln.
Verhaltenstherapie ist Arbeit am konkreten Handeln und Auftreten. Es geht weniger darum, die Hintergründe für das jeweilige Verhalten aufzudecken, als vielmehr, entsprechende Verhaltensweisen, die eher schaden als nutzen, abzubauen und durch andere zu ersetzen.
Die psychodynamische Schule hingegen versucht, den Problemen auf den Zahn zu fühlen und die Ursachen zu ergründen. Sie geht davon aus, dass Persönlichkeitsstörungen auf bestimmten Erlebnissen oder Versäumnissen im Laufe der Entwicklung beruhen, die aufgearbeitet werden müssen.
Neuere Methoden: Schematherapie
In der Weiterentwicklung psychotherapeutischer Methoden haben sich auch neue Ansätze der sogenannten dritten Welle für die Therapie von Borderline bewährt. Dazu zählt insbesondere die Schematherapie, die verschiedene Verfahren vereint.
Hier geht es darum, erlernte Muster und Verhaltensweisen zu erkennen und "umzuprogrammieren". Alte Rollenbilder und Reaktionsweisen sollen dadurch aufgebrochen und ein anderer Umgang mit Personen oder bestimmten Situationen erlernt werden. Die Beziehung zum Therapeuten ist dabei ganz entscheidend, da er selbst aktiv in die Therapie einbezogen ist.
Teamwork: Patient und Therapeut
Der Aufbau einer tragfähigen Beziehung zwischen Patient und Therapeut ist stets grundlegend für einen Behandlungserfolg. Ein Mensch mit einer Borderline-Störung, der sich in Behandlung begibt und ernsthaft an sich arbeiten möchte, muss viel von sich preisgeben und offenbaren. Dazu muss er seinem Therapeuten grundlegend vertrauen können.
Leider gehört es zum Wesen der Erkrankung, dass der Aufbau, das Führen und Aufrechterhalten von Beziehungen oft äußert problematisch sind. Auch die Beziehung zum Therapeuten ist davon nicht ausgenommen. Gerade wenn sich ein enges Verhältnis entwickelt hat, ist es in Gefahr, irgendwann wieder zu zerbrechen. Doch ein guter Therapeut weiß um diese Schwierigkeiten und kann sie womöglich rechtzeitig auffangen.
Eine stabile Beziehung ist auch deshalb wichtig, weil die Therapie in der Regel ein langjähriger Prozess ist, in dem der Therapeut zum beständigen Begleiter wird. Denn die Behandlung einer Borderline-Störung besteht weniger darin, die Erkrankung zu beseitigen, als vielmehr darin, einen Umgang mit ihr zu finden und mit ihr leben zu lernen.
Ist eine Behandlung für Menschen mit Borderline ratsam?
Unbedingt! Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung haben oft vor allem im sozialen Bereich Schwierigkeiten und stoßen immer wieder an die Grenzen ihrer emotionalen Belastbarkeit. Eine psychotherapeutische Begleitung kann die Betroffenen unterstützen und ihr Selbstbewusstsein stärken.
Gar nicht so leicht: Hilfe suchen
Hilfe in Anspruch zu nehmen oder sich gar in eine psychotherapeutische Behandlung zu begeben, erfordert zunächst einmal eine große Überwindung. Man muss sich selbst eingestehen, viele Probleme nicht alleine meistern zu können. Außerdem kursieren in manchen Freundes- und Bekanntenkreisen womöglich noch immer zweifelhafte Vorstellungen und große Vorurteile gegenüber Psychotherapie.
Der Leidensdruck muss daher entsprechend groß sein, damit sich ein Betroffener überhaupt fachkundige Hilfe sucht. Andererseits kommt der Ratschlag auch manchmal gerade von Verwandten oder Freunden, die sich um den Betroffenen sorgen.
Wie auch immer der Weg zum Therapeuten führt: Er lohnt sich! Eine Therapie der Borderline-Störung zielt weniger auf eine Heilung als vielmehr auf den Umgang mit ihr und auf Strategien zur Bewältigung der aufkommenden Probleme im Alltag.
Das Leben meistern
Es mag manchem Betroffenen mit Borderline Angst machen, dass er sich mit der Störung zeitlebens arrangieren muss. Im Grunde unterscheidet er sich darin aber gar nicht so sehr von seinen Mitmenschen. Jeder muss sich im Leben zurechtfinden, erlebt Misserfolge und Niederschläge und stößt immer wieder an Grenzen, an denen er nicht weiter weiß.
Für einen Borderliner wiegen viele Probleme noch schwerer und spitzen sich Situationen oft dramatisch zu. Gerade deshalb ist Hilfe von außen wichtig. Lässt er sich auf eine Therapie und die vielfältigen Angebote zur Unterstützung im alltäglichen Leben ein, kann sich auch sein Leben stabilisieren und in die oft so ersehnten geregelten Bahnen gelenkt werden.
Wovon hängt der Behandlungserfolg bei Borderline ab?
Ob die Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung erfolgreich ist, hängt von vielen Faktoren ab. Manche, wie zum Beispiel die Erfahrungen in der Kindheit, können Betroffene nicht beeinflussen. Andere haben sie jedoch durchaus selbst in der Hand und können den Verlauf der Erkrankung dadurch aktiv mitgestalten.
Vieles, was uns im Leben widerfährt, entzieht sich unserer Einwirkung. Keiner fragt uns, in welcher Familie wir aufwachsen wollen und welches Umfeld uns am besten gefallen würde.
Auch über unsere Gesundheit können wir nicht selbst verfügen. Auf die Frage, warum der Eine Zeit seines Lebens an einer schweren Krankheit zu leiden hat und andere bis ins hohe Alter gesund bleiben, wird es auf der grundlegenden Ebene der Warum-Frage wohl nie eine Antwort geben.
Ein schwerer Start
Menschen mit Borderline sind oft unter schwierigen Bedingungen aufgewachsen und haben in ihrer Kindheit und Jugend Gewalt, Missbrauch oder Vernachlässigung erfahren. Studien haben gezeigt, dass solche Erlebnisse den Erfolg einer Behandlung mindern. Das bedeutet jedoch nicht, dass eine Therapie hinfällig wird, da sie sowieso nicht anschlagen wird.
Ganz im Gegenteil: Je schwerer jemand betroffen ist und je größer das Päckchen ist, das er mit sich herumträgt, umso mehr ist er auf Hilfe angewiesen und sollte sich therapeutische Unterstützung suchen. Die Behandlung, die ohnehin aufwendig und langwierig ist, wird für diese schwer Betroffenen jedoch zu einer großen Herausforderung.
Ebenfalls nicht zu beeinflussen sind Begleiterkrankungen, die häufig mit Borderline einhergehen und die Behandlung erschweren. Oft sind es depressive Störungen, Angst- oder Abhängigkeitserkrankungen. Hier müssen die einzelnen Symptome erst sorgfältig voneinander abgegrenzt werden, um die individuell richtige Therapieform für den Betroffenen zu finden.
Familiäre, soziale und berufliche Einbettung
Entscheidend sind darüber hinaus das soziale Umfeld sowie die berufliche Situation. Wer von einem stabilen sozialen Netz, von Freunden oder der Familie aufgefangen wird, hat deutlich bessere Karten als ein Alleinkämpfer.
Und auch das Arbeitsverhältnis spielt eine ganz entscheidende Rolle. Der Beruf nimmt einen Großteil unseres Lebens ein und vermittelt vielen Menschen Sicherheit und Beständigkeit. Erfolgserlebnisse und positive Rückmeldungen motivieren uns und bestärken das Gefühl, gebraucht zu werden und an etwas Sinnvollem mitzuwirken.
Bei "Borderlinern", deren Gefühlsleben immer wieder erschüttert wird, wiegen stabile soziale und berufliche Umstände noch schwerer.
Es liegt in Ihrer Hand
Manches kann man jedoch auch selbst anpacken und beeinflussen. Entscheidend für den Verlauf der Borderline-Störung ist es, ob Betroffene überhaupt eine Therapie auf sich nehmen. Ohne gezielte therapeutische Unterstützung kommt es weitaus häufiger zu sozialen Konflikten und Leistungseinbußen im beruflichen Bereich. Je früher eine Behandlung begonnen wird, desto besser sind die Aussichten auf Erfolg.
Aber auch, wenn man sich zu einer Therapie durchgerungen hat, liegt noch ein mühsamer Weg vor einem. Denn Therapie bedeutet lebenslanges Arbeiten an sich, dem eigenen Denken, Fühlen und Handeln. In den psychotherapeutischen Einzel- und Gruppensitzungen werden tief verwurzelte Grundeinstellungen in Frage gestellt und festgefahrene Handlungsmuster aufgebrochen. Das ist oft nicht leicht zu ertragen und erfordert Selbstreflexion und -kritik.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die eigenen Startbedingungen kann sich keiner selbst aussuchen. Manche wachsen behütet und geborgen auf, werden umsorgt und maximal gefördert, während andere schon bald auf sich allein gestellt sind und keinerlei Unterstützung bekommen. Manche erkranken früh an einer chronischen Krankheit, während andere Zeit ihres Lebens keinen Arzt aufsuchen müssen.
Was wir daraus machen, liegt aber trotz all dem in der Hand jedes Einzelnen. Wirken Sie also selbst mit am Erfolg Ihrer Behandlung!
Was ist eine Dialektisch-Behaviorale Therapie?
Die Dialektisch-Behaviorale Therapie, kurz DBT, ist eine Form der Psychotherapie, die speziell für Menschen mit Borderline entwickelt wurde. Inzwischen wird sie allerdings auch bei anderen psychischen Erkrankungen wie Essstörungen oder Suchterkrankungen erfolgreich eingesetzt.
Was die DBT genau ist und wie die Behandlung abläuft, erfahren Sie hier.
Warum gibt es für jugendliche Borderliner eine eigene Form der DBT?
Die Dialektisch-Behaviorale Therapie bei Borderline unterscheidet sich zwischen Jugendlichen und Erwachsenen in erster Linie hinsichtlich der Dauer der Therapie. Bei jungen Menschen mit Borderline ist die Therapie auf einen kürzeren Zeitraum ausgelegt. Die Einzeltherapie dauert normalerweise ein halbes Jahr; die Teilnehme an Skills-Gruppen ist für 16 Wochen geplant.
Kinder und Jugendliche ticken anders
Kinder und Jugendliche sind keine kleinen Erwachsenen. Diese Erkenntnis hat sich erst recht spät durchgesetzt und geht auf das Zeitalter der Aufklärung im 18. Jahrhundert zurück. Unterschiede zwischen psychiatrischen Erkrankungen bei Erwachsenen und Kindern bzw. Jugendlichen wurden am Anfang des 19. Jahrhunderts erstmals erkannt. Daraufhin eröffneten nach und nach die ersten kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken.
Heute ist die Kinder- und Jugendpsychiatrie ein eigenes Fach mit einer eigenen Weiterbildung im Rahmen der ärztlichen und psychotherapeutischen Ausbildung.
Und das aus gutem Grund. Denn es gibt wichtige Unterschiede im Umgang und der Therapie, auch wenn gerade Borderline im Kindes- wie im Erwachsenenalter auftritt bzw. oft in frühen Jahren beginnt und über die Entwicklung hinweg bestehen bleibt.
Daher wurde das ursprünglich von der US-amerikanischen Psychologin Marsha M. Linehan entworfene Konzept der DBT für die Behandlung von jugendlichen "Borderlinern" weiterentwickelt. Es gibt ein eigenes Manual, an dem sich Therapeuten orientieren können. Die Gliederung in einzel- und gruppentherapeutische Elemente sowie der gesamte Ablauf der Therapie entsprechen dabei weitgehend dem DBT-Schema bei Erwachsenen. In einigen Punkten gibt es jedoch Unterschiede.
Therapie zusammen mit den Eltern
Neben dem zeitlichen Aspekt spielen auch andere Faktoren eine Rolle. In die Therapie Jugendlicher werden beispielsweise die Eltern einbezogen. Diese sollten nicht nur telefonisch erreichbar sein, sondern werden darüber hinaus aktiv an der Therapie beteiligt. So findet etwa das Fertigkeitentraining in der Gruppe unter Einbezug eines nahen Angehörigen statt.
Auch Eltern- und Familiengespräche sind bei Jugendlichen Bestandteil der Therapie. Die Einbeziehung der Eltern in die Behandlung ihrer Kinder hat sich vielfach bewährt und verspricht größere Erfolgsaussichten.
In guten Händen: Kinder- und Jugendpsychiater
Abgesehen von diesen formalen Differenzierungen unterscheidet sich außerdem die Rolle des Therapeuten und sein Verhältnis zum betroffenen Jugendlichen im Vergleich zu Erwachsenen. In der Behandlung Jugendlicher mit Borderline-Persönlichkeitsstörung tragen Therapeuten eine andere Verantwortung als in der Behandlung Erwachsener, da die Patienten noch minderjährig sind.
Darüber hinaus bestehen auch in der Kontaktaufnahme und Beziehungsgestaltung Unterschiede zwischen Erwachsenen und Jugendlichen. Letztere haben oftmals größere Probleme als Erwachsene, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen. Junge "Borderliner" befinden sich allein schon aufgrund der Pubertät, in der sie oft aktuell stecken, in einer instabileren Entwicklungsphase und machen ganz andere Prozesse durch als Erwachsene.
Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Borderline gehört daher in spezialisierte und erfahrene Hände.
Was tun, wenn die Spannung zu groß wird? Skills bei Borderline
Es gibt viele Maßnahmen und Strategien, mit deren Hilfe Menschen mit Borderline-Störung lernen können, Spannung abzubauen, ohne sich dabei selbst zu verletzen. Jeder sollte sich sein eigenes Bündel an Maßnahmen schnüren und in einem Notfallkoffer verstauen, auf den er jederzeit zugreifen kann.
Chilis statt Messer
Die Fertigkeiten, die "Borderlinern" dabei helfen können, unbeschadet durchs Leben zu gehen, werden auch Skills genannt. Im Rahmen der sogenannten Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT), die speziell für Borderline entwickelt wurde, ist ein festes "Skills-Training" vorgesehen, in dem Betroffene viele Tricks lernen, um mit ihren Gefühlsschwankungen besser umzugehen. Daneben erfahren sie aber auch viel über sich selbst, trainieren in Gruppen zusammen mit anderen Betroffenen ihren sozialen Umgang und werden in ihrem Selbstbild gestärkt.
Die einzelnen Skills können aber auch unabhängig von dem aufwendigen Therapiekonzept der DBT angewandt werden. Eine Vielzahl von Ersatzreizen ist sensorischer Art, stimuliert also einzelne Sinne. Dabei werden oft auch unangenehme Reize gesetzt, die aber nicht gefährlich sind. Natürlich muss man mit scharfen und reizenden Substanzen wie Chilischoten vorsichtig sein, um sich keinem Gesundheitsrisiko auszusetzen.
Hier einige Beispiele:
- Verreiben von Eiswürfeln auf der Haut
- Kauen von Chilischoten
- saure oder scharfe Bonbons, Kaugummis
- Brausetabletten
- Gummi zum Schnalzen für das Handgelenk
- Knetbälle
- harte Bürste
Packen Sie Ihren Notfallkoffer
Aber auch Handlungen, Gegenstände oder Gerüche, die mit angenehmen Gefühlen verbunden sind, können ablenkend wirken und Spannung reduzieren. Ob dies nun das Hören von Musik ist, das Lieblingsstofftier oder Duschen und Eincremen mit einer wohlriechenden Körperlotion – der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.
Jeder muss selbst herausfinden, was ihm am besten hilft. Wenn man einige Mittel gefunden hat, die einem guttun, verstaut man sie am besten in einem Koffer oder ähnlichem und bewahrt ihn an einem Ort auf, den man gut erreichen kann. Sie können auch einen Zettel hineinlegen, auf den Sie schreiben, was Sie noch tun könnten, wenn die Anspannung steigt. Kleine Gegenstände wie Gummis oder Bonbons kann man auch überall hin mitnehmen. So hat man seine kleinen Helfer im Alltag immer parat.
Wichtig ist aber auch zu lernen, solche Hilfen möglichst frühzeitig einzusetzen, bevor die innere Spannung unerträglich wird. Dafür muss man gut auf sich hören und außerdem motiviert sein, wirklich nicht mehr auf selbstschädigendes Verhalten zurückzugreifen. Denn so prickelnd eine Brausetablette auch sein mag – an den Reiz beim Durchschneiden der Haut kommt sie nicht heran. Gesünder ist sie aber allemal!
Stimmt es, dass Botox bei Borderline helfen kann?
Das wäre möglich. Derzeit läuft eine Studie, die die Wirkung von Botox bei Menschen mit Borderline untersucht. Die Hypothese dahinter: Die Unterspritzung mit Botox verändert den Gesichtsausdruck, was sich wiederum positiv auf die Emotionen auswirkt. Bisher sind die Ergebnisse allerdings noch sehr vage.
Bislang haben die Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover und der Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll nur eine kleine Studie an sechs Borderline-Betroffenen durchgeführt. Ihnen wurde Botox gezielt in die Mitte des unteren Stirnbereichs gespritzt. Daraufhin ließen Impulsivität, Stimmungsschwankungen und depressive Stimmungen nach. Der Effekt hielt über Monate an. Im Vorfeld war bereits eine Studie an depressiven Patienten zu positiven Ergebnissen gekommen.
Wechselwirkung zwischen Gefühlen und Mimik
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Gesichtsausdruck die Stimmung nicht nur widerspiegelt, sondern umgekehrt auch beeinflusst. Da im Bereich der unteren Stirn Gefühle wie Angst, aber auch Zorn und Sorgen Ausdruck finden und diese nach einer Botoxbehandlung mimisch nicht mehr ausgedrückt werden können, könnte dies auch positiv auf Emotionen wirken.
Diesen Zusammenhang beschreibt die sogenannte "Facial-Feedback-Hypothese": Mimik drückt Gefühle aus, wirkt jedoch umgekehrt auch auf die Stimmung zurück.
Es ist also durchaus vorstellbar, dass sich ein Mensch mit Borderline-Störung seine Stirn- oder Zornesfalte mit Botox unterspritzen lässt und anschließend bemerkt, dass es ihm auch längerfristig besser geht. Spannend wäre eine Antwort auf die Frage, ob sich die Borderline-Symptome mit Nachlassen der Botoxwirkung wieder verschlechtern und ob eine erneute Stirnunterspritzung die Symptome wieder positiv beeinflussen kann.
Bisherige Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen
Zu beachten ist allerdings, dass die bisherigen Untersuchungen keinesfalls aussagekräftig sind. Eine Studie an lediglich sechs Probanden ohne jegliche Vergleichsgruppe genügt den hohen Ansprüchen der medizinischen Forschung in keiner Weise. Aktuell läuft eine größere Studie mit mehr Betroffenen, die aber noch nicht abgeschlossen ist. Es wird sich zeigen, ob die gewählte Methodik den wissenschaftlichen Standards entspricht und seriöse Aussagen liefert.
Außerdem: Eine Behandlung mit dem Zellgift Botulinumtoxin unterdrückt nicht nur den Ausdruck negativer Gefühle, sondern schränkt die Mimik insgesamt ein. Es ist fraglich, ob ein maskenhaftes Gesicht wirklich erwünscht ist und Menschen mit Borderline hilft.
Prognose
Kann mit Borderline eine langfristige Beziehung überhaupt gelingen?
Für Menschen mit Borderline-Störung können Beziehungen besonders problematisch sein. Denn einerseits besteht oftmals ein übergroßer Wunsch nach Anlehnung und Nähe. Andererseits erschweren viele Probleme soziale Kontakte und das Aufrechterhalten von Beziehungen.
Nie wissen, woran man ist
Ein schwieriger Umgang mit den eigenen Gefühlen, der rasche Wechsel und die Unstetigkeit von Emotionen, aggressives und selbstschädigendes Verhalten: Freundschaften oder Beziehungen von "Borderlinern" gleichen einem Wechselbad extremer Gefühle – für beide Partner.
Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeit neigen zu raschen Stimmungsumbrüchen, die oft unvermittelt und für das Umfeld unerwartet eintreten. Das führt dazu, dass man sich als Angehöriger oder Freund nicht auf ein bestimmtes Verhalten einstellen kann. Partner fühlen sich oft in einem Moment angezogen und geliebt, doch im nächsten Moment abrupt abgestoßen und feindselig behandelt.
Man muss also immer auf der Hut sein und mit allen möglichen Reaktionen rechnen. Das erfordert Geduld und große Zuneigung.
Doch auch der Betroffene selbst wird von seinen Stimmungsschwankungen unvermittelt eingeholt. Auch er kann sich darauf nicht vorbereiten. Mal muss er seinem Partner unbedingt von den tollen Ereignissen des Tages berichten; mal braucht er einfach jemanden zum Ausweinen.
Geben und Nehmen
Für das Führen von Beziehungen ist es wichtig, Kompromisse zu schließen, Eingeständnisse zu machen und sich immer wieder zurückzunehmen. Betroffenen fällt das oft nicht leicht. Sie können ihre Gefühle schwer zurücknehmen und sich auf ihr Gegenüber einstellen. Ohne solche Perspektivwechsel kann eine Beziehung jedoch kaum funktionieren, ohne in eine ungute Schieflage zu geraten, in der einer mehr gibt und der andere mehr nimmt.
Dabei ist zu betonen, dass die Betroffenen keineswegs rücksichtslos und selbstzentriert sind. Das Selbstbild ist ganz im Gegenteil oft sehr schwach und fragil und benötigt daher eine starke Schulter zum Anlehnen, nach der sich ein Mensch mit Borderline meist dringlichst sehnt.
Leidtragend sind vor allem Betroffene selbst
Daher ist es in der Regel der "Borderliner" selbst, der am meisten unter seinen oft unsteten Beziehungen leidet. Wer ohnehin wenig Selbstbewusstsein hat und womöglich kaum Bestätigung und positive Rückmeldung bekommt, für den ist das Scheitern einer Beziehung oder der Verlust eines engen Freundes die passende Bestätigung für seine vermeintliche Unzulänglichkeit.
Da Menschen mit Borderline-Störung meist viele Trennungserfahrungen durchleben müssen, stürzen sie immer wieder in schwere Krisen, die ihrerseits traumatische Erfahrungen darstellen – ein Teufelskreis, der den Weg in eine gelingende Beziehung immer schwerer macht.
Jeder kann an Beziehungen arbeiten
Doch auch wenn es nicht einfach ist, lässt sich an der Beziehungsfähigkeit arbeiten. Auch Menschen mit einer Borderline-Störung können lernen, ihr Verhalten einzuschätzen und sich besser zu kontrollieren. Kleine Fortschritte und Erfolgserlebnisse durch intensive Psychotherapien können nach und nach die eigene Identität stabilisieren.
Es kann auch sinnvoll sein, den Partner direkt in die Therapie miteinzubeziehen. Bestehende Partnerschaften können in solchen Therapien unterstützt und davor bewahrt werden, an der Erkrankung zu zerbrechen. Dabei ist jedoch viel Engagement von beiden Seiten nötig.