Wann ist eine Impfung gegen die Gürtelrose sinnvoll? Wie sicher ist die Maßnahme und welche Risiken gibt es? Mehr dazu in diesem Beitrag.
Impfempfehlung
Seit Ende 2018 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) eine Impfung gegen die Gürtelrose (Herpes zoster), und zwar standardmäßig ab dem 60. Lebensjahr. Seit eben diesem Jahr steht mit Shingrix® ein neuer Impfstoff zur Verfügung, der deutlich sicherer ist als der ursprüngliche (Zostavax®). Aber warum macht das Sinn?
Wie sinnvoll ist die Zoster-Impfung im Alter?
Therapeutisch ist die Gürtelrose (medizinisch oft nur Zoster genannt) und vor allem seine Komplikationen nicht immer in den Griff zu bekommen, zumal die Behandlung häufig zu spät einsetzt. Eine Impfung kann das Risiko für Herpes zoster und seine Spätfolgen deutlich senken. dafür gibt es klare Belege.
Schwerwiegend sind vor allem die Komplikationen der Gürtelrose
Vor allem die postherpetische Neuralgie, eine sehr schmerzhafte, chronische Nervenentzündung als Folge der Gürtelrose kann damit verhindert werden. Diese gefürchtete Komplikation ist schwer behandelbar und häufig mit erheblichem Leid für die Betroffenen verbunden. Die Auswirkungen des Schmerzsyndroms reichen bis hin zu potenzieller Suizidalität. Auch Narbenbildung, Sehstörungen, sekundäre Infektionen und Nervenlähmungen sind mögliche und nicht ganz seltene Folgen eines Herpes zoster.
Antivirale Therapie oft zu spät im Einsatz
Mit einer antiviralen Therapie lässt sich nicht nur der Krankheitsverlauf abkürzen, sondern auch die Komplikationsgefahr mindern. Allerdings setzt dies den rechtzeitigen Einsatz des Virostatikums im Frühstadium der Erkrankung voraus. Im Praxisalltag ist das leider keineswegs immer gegeben.
Viele Experten sprechen sich deshalb für einen breiten Einsatz der Impfung bei Personen ab 50 Jahren aus. Das Nebenwirkungsspektrum ist überschaubar, auf einen ausreichenden Immunstatus muss natürlich geachtet werden.
Ergebnis der Demographie: Häufigkeit der Gürtelrose nimmt zu
In Deutschland und Europa tragen vermutlich mehr als 95% der Menschen das Varizella-zoster-Virus in sich. Dieses Virus, eigentlich Auslöser der Windpocken, kann jahrzehntelang im Körper schlummern und dann plötzlich im Alter reaktiviert werden: als Gürtelrose.
Das allgemeine Lebenszeitrisiko für eine Reaktivierung der latenten Infektion wird auf 20-30% geschätzt, im Alter von 85 Jahren sogar auf 50%. Die demografische Entwicklung befördert eine Zunahme der Häufigkeit, auch derjenigen von gravierenden Komplikationen wie der postherpetischen Neuralgie. Das bestätigen aktuelle Untersuchungsergebnisse auf der Grundlage deutscher Versicherten-Daten.
Impfstoffe
Was ist Zostavax für ein Impfstoff?
Älterer Impfstoff
Bereits seit 2013 steht in Deutschland mit Zostavax® der erste Impfstoff gegen den Herpes zoster zur Verfügung. Es handelt sich bei Zostavax® wie bei der Windpocken-Impfung um eine Lebendvakzine, allerdings in mehrfach höherer Dosierung.
Gleich mehrere Nachteile
Leider ist es um die Wirksamkeit dieses Impfstoffs nicht gerade bestens bestellt. Sie nimmt von 70% bei 50- bis 59-Jährigen auf 38% bei 70- bis 79-Jährigen ab. Der Schutzeffekt scheint obendrein nicht länger als acht Jahre anzuhalten. Hinzu kommt, dass der Einsatz des Lebendimpfstoffs bei Personen mit geschwächtem Immunsystem kontraindiziert ist. Für den Zoster-Schutz sind das gravierende Nachteile. Denn gerade abwehrgeschwächten Menschen macht die Gürtelrose häufiger durch komplizierte Verläufe zu schaffen.
Wie wirkt Shingrix?
Für die Zoster-Impfung älterer Menschen steht, wie oben erläutert, seit 2018 ein neuer Impfstoff zur Verfügung. Shingrix® wurde zuvor umfangreich getestet. Über 15.000 Probanden in 18 verschiedenen Ländern erhielten etwa jeweils zur Hälfte den Impfstoff oder Plazebo. Innerhalb der Nachbeobachtungszeit von 3,2 Jahren entwickelten 6 Teilnehmer der Impfstoffgruppe und 210 Probanden der Plazebogruppe eine Gürtelrose. Für die Wirksamkeit des Impfstoffs errechnet sich somit ein äußerst hoher Wert von insgesamt 97%.
Nebenwirkungen häufig, aber nicht schwerwiegend
Die Gefahr schwerer Nebenwirkungen scheint diesen Erfolg nicht zu trüben. Gravierende unerwünschte Ereignisse traten den Studiendaten zufolge in der Vakzine- und der Plazebogruppe ähnlich häufig auf.
Harmlosere Nebenwirkungen sind dagegen häufiger, zeigen aber auch an, dass der Impfstoff potent ist. Bei 81% der Impflinge kam es zu einer lokalen Reaktion an der Injektionsstelle und bei 66% zu systemischen Reaktionen. Lokal dominierten Schmerzen, desweiteren wurden Rötungen und Schwellungen beobachtet. Bei der systemischen Symptomatik standen Muskelschmerzen, Müdigkeit und Kopfschmerzen im Vordergrund. Die Beschwerden waren überwiegend mild bis mäßig ausgeprägt und dauerten im Mittel über 1 bis 3 Tage an.
Jüngeren Studien zufolge reduzierte Shingrix® die Häufigkeit des postherpetischen Schmerzsyndroms um rund 90%.
Option auch für Immungeschwächte
Im Gegensatz zum älteren Impfstoff (Zostavax®) hat Shingrix® den Vorteil, auch bei immungeschwächten Personen relativ ungefährlich zu sein. Das hängt damit zusammen, dass es sich beim neueren Impfstoff um einen Totimpfstoff handelt, beim ersteren um einen Lebendimpfstoff (stärkere Abwehrreaktion des Körpers). Da in dem gentechnisch hergestellten Shingrix® kein vermehrungsfähiges Virus, sondern nur ein einzelnes Virusprotein enthalten ist, ist sein Einsatz bei Menschen mit Immunschwäche ausreichend sicher.
Impfung bei Rheuma
Zoster-Prophylaxe bei Rheumatoider Arthritis: Wann darf geimpft werden?
Für über 50-jährige Patienten mit Rheumatoider Arthritis ist die Impfung gegen Herpes Zoster hoch relevant. Denn sie sind fast zehnmal mehr gefährdet, eine Gürtelrose zu entwickeln, als die Allgemeinbevölkerung. Warum das so ist, harrt noch der endgültigen Aufklärung. Klar ist dagegen, dass die immunologische Effektivität der Zoster-Vakzinierung auch bei Rheuma-Patienten unvermindert gegeben ist.
Nur in bestimmten Fällen ist die Zoster-Lebendvakzine kontraindiziert
Prinzipiell können Sie Ihre Rheuma-Patienten auch dann impfen, wenn sie konventionelle Basistherapeutika (DMARD) erhalten.
Impfung bei Nierenschwäche
Was bringt die Zoster-Impfung bei chronisch nierenkranken Patienten?
Bei Menschen mit chronischer Nierenerkrankung ist das Risiko für einen Herpes Zoster erhöht. Wie effektiv wirkt bei ihnen die Zoster-Impfung? Eine aktuelle Studie hat sich mit dieser Frage beschäftigt.
Erhöhtes Zoster-Risiko bei chronischem Nierenversagen
Ausgangspunkt für die Studienautoren war die wachsende Evidenz für die erhöhte Zoster-Gefahr bei älteren Versicherten mit chronischer Nierenerkrankung. Andererseits gibt es auch Hinweise dafür, dass sich ein Zoster-Ausbruch auf nierenkranke Patienten besonders schädlich auswirkt. Die Zoster-Impfung wurde 2006 in den USA für immunkompetente Personen ab einem Alter von 60 Jahren eingeführt.
Die Berücksichtigung einer diabetischen Stoffwechsellage ist in diesem Zusammenhang ebenfalls angebracht. Der Diabetes zählt zu den führenden Gründen für terminales Nierenversagen. Zudem ist die Zuckerkrankheit auch als ein möglicher Risikofaktor für die Zoster-Entwicklung ins Spiel gebracht worden.
Zoster-Impfung bei Nierenkranken seltener …
Für eine populationsbezogene Kohortenstudie wurde eine zufällige 5%-Stichprobe der Versicherungsdaten von US Medicare aus den Jahren 2007 bis 2009 gezogen. Sie umfasste Informationen zu 766.330 Personen im Alter von mindestens 65 Jahren, von denen 3,9% gegen Zoster geimpft worden waren. Die Wissenschaftler fokussierten sich auf Patienten mit Nierenerkrankungen und berechneten bei ihnen die Zoster-Inzidenz und das Risiko für Geimpfte und Nicht-Geimpfte.
Rund 24% der Gesamtkohorte waren chronisch nierenkrank, in der Gruppe der Zoster-Geimpften aber nur 15%. An einem Diabetes litten 39% der Studienpopulation und nur 29% der Vakzinierten.
Fazit für die Praxis
Die Zoster-Impfung ist auch bei älteren Patienten mit chronisch kranken Nieren ein relativ wirksamer Schutz gegen die Reaktivierung von Varizella-Zoster-Viren und deren potenziell gefährliche Komplikationen. Die Relevanz dieses Themas für Deutschland belegen aktuelle epidemiologische Daten. Demzufolge sind bundesweit mindestens 2 Millionen Menschen von Nierenfunktionsstörungen betroffen.
Quellen:
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