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Die drei Interferon-Präparate gegen Multiple Sklerose im deutschen Arzneihandel sind zur Zeit (Mai 2011) Avonex®, Betaferon® und Rebif®. Alle drei gehören chemisch zur Klasse der sogenannten Beta-Interferone, Avonex® und Rebif® zur Untergruppe 1a, Betaferon® zur Untergruppe 1b.

Wirkung

MS: Stimmt es, dass die Wirkung des Interferons nach einiger Zeit nachlässt?

Pauschal stimmt das nicht. Aber bei einigen der Behandelten kann es unter der Interferon-Therapie zur Bildung von Antikörpern kommen, und die schwächen dann mitunter tatsächlich die Wirkung ab. Wenn das passiert, dann meist 6 bis 24 Monate nach Behandlungsbeginn.

Warum nur "mitunter"? Es gibt auch Antiköper, die die Wirksamkeit des Medikaments nicht herabsetzen. Aber die sogenannten neutralisierenden Antikörper können die Wirksamkeit des Interferons teilweise oder sogar ganz aufheben.

Bemerke ich, dass die Wirkung nachlässt?

Leider gibt es keinen sichtbaren Anhaltspunkt, der auf eine Antikörperbildung hindeutet. Man bemerkt das also nicht unbedingt. Deswegen empfehlen die Ärzte häufig eine intervallartige Testung der Blutwerte.

Einzelne Präparate

Sind Avonex und Rebif das gleiche Medikament? 

Nein. Zwar handelt es sich bei beiden Basismedikamenten um Interferon Beta-1a, doch unterscheiden sie sich in der Verabreichungsform und Anwendungshäufigkeit.

Avonex® wird einmal pro Woche in den Muskel gespritzt, Rebif® wird dreimal pro Woche subkutan, d.h. ins Unterhautfettgewebe injiziert. Für beide Medikamente gibt es Injektionshilfen, die die Injektion erleichtern sollen.

Peginterferon beta

Wann ist Peginterferon (Plegridy) eine Option?

Wie Interferon beta-1a ist Peginterferon beta-1a (Plegridy®) ebenfalls für die schubförmig verlaufende MS zugelassen. Der Wirkstoff konnte in den bisherigen Studien die Schubhäufigkeit signifikant verringern und es traten weniger Läsionen im zentralen Nervensystem auf.

Zum Hintergrund: Peginterferon beta-1a ist im Prinzip der gleiche Wirkstoff wie Interferon beta-1a, also das herkömmliche Interferon in der MS-Therapie. Es ist durch eine chemische Modifikation (Die PEGylierung) nur länger im Körper verfügbar, weil es nicht so rasch abgebaut wird. Damit genügt eine Interferon-Spritze alle zwei Wochen, die Häufigkeit des Spritzen-müssens ist also reduziert.

Die Substanz soll wie alle MS-Basismedikamente die entzündliche Aktivität der Multiplen Sklerose bremsen.

Welchen Vorteil hat Peginterferon beta-1a gegenüber herkömmlichem Interferon?

Peginterferon beta-1a (Plegridy®) ist zwar auch ein Beta-Interferon wie die herkömmlichen Interferon-Präparate. Es ist aber durch eine spezielle Aufbereitung länger im Körper verfügbar. Dadurch muss es nur einmal in zwei Wochen gespritzt werden, also seltener als bei den älteren Interferon-Präparaten.

Das ist möglich, weil Polyethylenglykol (PEG) an den Wirkstoff gebunden ist. Das Arzneimittel ist PEGyliert, wie das die Wissenschaftler nennen. Damit ist die Wirksubstanz vor Abbauprozessen geschützt, so dass sie viel länger wirken kann. Peginterferon beta-1a ist besser löslich und zugleich stabiler als Interferon beta-1a.

Wohin und wie oft wird Peginterferon beta-1a gespritzt?

Peginterferon beta-1a (Plegridy®) muss seltener als das herkömmliche Interferon gespritzt werden. Und zwar alle zwei Wochen. Das Medikament wird also alle 14 Tage gespritzt.

Die Spritzen erfolgen in das Unterhautgewebe (subkutane Verabreichung), also zum Beispiel in den Bauch oder Oberschenkel. Im Normalfall erhält man dazu Fertigspritzen und kann sich den Wirkstoff selbst injizieren.

Zum Hintergrund: Die etwas geringere Spritz-Frequenz rührt daher, dass Peginterferon beta-1a langsamer im Körper abgebaut wird als dies bei den herkömmlichen Interferon-Präparaten der Fall ist. Dadurch können die Abstände zwischen den Spritzterminen größer sein.

Absetzen

Interferon wegen Nebenwirkungen abgesetzt: Muss ich mit einem MS-Schub rechnen? 

Wenn die Basisbehandlung mit einem Interferon-Präparat abgesetzt wird, zum Beispiel wegen zu hoher Leberwerte, ist ein plötzlich auftretender Schub eher unwahrscheinlich. Denn die Wirkung des Interferons hält normalerweise noch eine ganze Weile an.

Generell gibt es hier kaum verlässliche Vorhersagemöglichkeiten. Ob und wann sich eine Zunahme der MS-Aktivität wegen des Absetzen der Medikamente einstellt, ist individuell sehr unterschiedlich. Studien, was die Prognose beeinflusst, gibt es nicht. Im besten Fall kann es auch passieren, dass auf lange Sicht überhaupt nichts passiert.

Probleme

MS: Was sind neutralisierende Antikörper?

Neutralisierende Antikörper können unter der Behandlung mit Interferonen entstehen und die Wirksamkeit der Therapie einschränken oder aufheben. Etwa ein Drittel der Behandelten bildet solche neutralisierenden Antikörper.

Dies macht sich möglicherweise durch vermehrt auftretende Schübe, Vermehrung und Vergrößerung von Läsionen und einer symptomatischen und klinischen Verschlechterung bemerkbar.

Allerdings ist die Bedeutung der Antikörper noch nicht ganz klar. So kann die Menge der Antikörper innerhalb kurzer Zeit sehr schwanken, so dass sich zunächst sehr hohe Antikörpertiter nachweisen lassen, die drei Monate später nicht mehr messbar sind. Zudem können auch Menschen mit hohen Antikörpertitern einen normalen Behandlungsverlauf aufweisen. Und es haben auch einige Menschen diese Antikörper, obwohl sie noch niemals Interferon Beta erhielten.

Sollte man bei einer Interferon-Behandlung testen, ob sich neutralisierende Antikörper gebildet haben?

Inwieweit eine Antikörper-Testung als Routinemaßnahme durchgeführt werden sollte, ist umstritten. Dafür spräche, dass man den damit einhergehenden Wirkungsverlust sonst oft erst dann bemerkt, wenn sich die Symptome verschlechtern.

Spätestens aber, wenn die Beschwerden und Befunde auf einen Wirksamkeitsverlust der Interferon-Therapie hindeuten, ist es sinnvoll, die Antikörper zu bestimmen. Bei nachgewiesenen hohen Blutwerten ist nach einiger Zeit eine Wiederholungsuntersuchung nötig. Bei weiterhin bestehenden hohen Antikörper-Titern sollte die Behandlung umgestellt werden.

Rauchen kann gegen Interferon immun machen - stimmt das?

Wer als MS-Betroffener Interferon spritzt und gleichzeitig raucht, hätte jetzt vielleicht noch einen Grund mehr, sich künftig vom Glimmstengel fernzuhalten:

Eine aktuelle Studie mit 695 Teilnehmern zeigte, dass MS-Patienten, die während ihrer Therapie mit Interferon-Beta-1a regelmäßig rauchen, deutlich öfter Antikörper gegen das Medikament entwickeln als Nichtraucher.

Diese Antikörper neutralisieren das Interferon und können dazu führen, dass seine Wirkung und damit der Behandlungserfolg relevant absinkt. Auf diesen negativen Effekt haben bereits früher mehrere kleine Erhebungen hingewiesen.

Für die vorliegende schwedische Studie wurden nun gezielt und in größerem Umfang Krankenblätter, Blutwerte und Rauchgewohnheiten von Patienten ausgewertet. Interessanterweise war die Antikörperbildung wieder normal niedrig, wenn die Patienten im Jahr vor Therapie und Untersuchung mit dem Rauchen aufgehört hatten.

Zugrundeliegende Studie

Smoking and risk of treatment-induced neutralizing antibodies to interferon β-1a. Multiple Sclerosis Journal, first published on August 7, 2013

Kommentar

Dass Rauchen der Gesundheit schadet, gilt für MS-Patienten offenbar in ganz besonderem Maße. Die Ergebnisse der Studie fügen dieser Erkenntnis nur noch ein weiteres Indiz hinzu. Auch andere Untersuchungen deuten immer wieder den besonders negativen Zusammenhang zwischen Zigarettenkonsum und Multipler Sklerose an: So zeigen einige Studien, dass bei Rauchern die Krankheit oft deutlich schneller voranschreitet und auch Ausfälle signifikant häufiger bzw. stärker sind als bei nichtrauchenden Vergleichsgruppen mit MS. Viele Gründe also, ernsthaft ans Aufhören zu denken – nicht nur, wenn man gleichzeitig Interferon spritzt.

Wann nicht?

MS: In welchen Situationen sollte auf Interferon verzichtet werden?

Interferon-Präparate gehören zur Basistherapie bei der Multiplen Sklerose (MS), aber es gibt auch Situationen, in denen sie nicht in Betracht kommen. So ist zumindest Vorsicht ist angebracht, wenn zusätzlich zur MS eine Depression besteht. Denn eine Interferon-Therapie kann Depressionen verschlimmern.

Weitere sogenannte Gegenanzeigen (Kontraindikationen) für Interferon Beta sind:

  • schwere Leberfunktionsstörungen
  • schwere Nierenerkrankungen
  • Allergien gegen Interferon-Wirkstoffe

Und dann gibt es natürlich auch noch die "persönliche Kontraindikation": Es gibt auch Menschen mit Multipler Sklerose, die eine Interferon-Therapie für sich ablehnen. Weil sie an der Wirksamkeit zweifeln und/oder die Nebenwirkungen für zu heftig halten. Das ist zwar allem Anschein nach eine Minderheit und die meisten "Experten" raten von einer solchen Haltung ab, aber Erwähnung finden sollte sie schon.

Kinderwunsch, Schwangerschaft und Stillzeit

Sowohl während der Schwangerschaft als auch in der Stillzeit kann die Therapie mit Interferon laut dem Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie und dem Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité Berlin fortgesetzt werden (Stand 2023).

Ob Sie die Medikation während der Schwangerschaft weiternehmen sollten oder eine Pause angebracht ist, besprechen Sie am besten mit Ihrem Neurologen; ein kurzzeitiges Absetzen des Interferons ist eventuell möglich, da die Krankheitsaktivität der MS im Laufe der Schwangerschaft (v. a. im dritten Trimenon) häufig sinkt. Fällt die Entscheidung zugunsten einer durchgängigen Therapie, ist dies laut Experten während der gesamten Schwangerschaft vertretbar. Denn nach aktuellem Wissensstand sind keine negativen Konsequenzen für das Kind zu befürchten.

Gefahr von Fehlgeburt und Missbildungsrisiko durch Interferon – wahr oder falsch?

Früher stand man der Interferon-Behandlung während der Schwangerschaft noch kritisch gegenüber, denn es bestand der Verdacht auf ein erhöhtes Fehlgeburts- und Fehlbildungsrisiko. Neue Studiendaten sprechen allerdings gegen eine schädigende Wirkung auf das ungeborene Kind, sodass heutzutage für werdende Mütter ein Weiterführen der Therapie mit Interferon akzeptabel ist.

Schadet Stillen unter Interferon dem Kind?

Nein. Unter Interferon beta-1b und -1a kann uneingeschränkt gestillt werden. Bei gestillten Kindern von Interferon-behandelten Müttern sind bisher keine Krankheitszeichen oder sonstige Auffälligkeiten aufgetreten (Stand 2023).

Wissenswertes

Kommt Interferon auch natürlicherweise im menschlichen Körper vor?

Ja, Interferon gehört mit seinen zahlreichen Untergruppen (Alpha-Interferone, Beta-Interferone u.a.) zu den sogenannten Zytokinen. Zytokine sind körpereigene Botenstoffe, die eine zentrale Rolle im Immunsystem des Menschen spielen.

Interferone sind im Prinzip Abwehrzellen, die einerseits das Immunsystem aktivieren, andererseits auch direkt gegen Tumorzellen oder Viren vorgehen können. Interferone werden von den weißen Blutkörperchen (Leukozyten) gebildet (z.B. den T-Lymphozyten), aber auch von Monozyten und Fibroblasten, also weiteren Blut- und Bindegewebszellen, die im Körper Polizeiaufgaben haben.

Warum heißen Interferone Interferone?

Die Bezeichnung Interferon ist abgeleitet vom englischen Verb "to interfere" (= sich einmischen, eingreifen). Nimmt man es genau, könnten also alle (wirksamen) Medikamente Interferon heißen.

Es handelt sich bei den Interferonen um körpereigene Botenstoffe, die in zahlreiche Prozesse des Immunsystems eingebunden sind. Sie gehören zur Gruppe der sogenannten Zytokine.

Quellen:

  • Gebrauchsinformation: Avonex® 30 Mikrogramm/0,5 ml Injektionslösung. Herausgeber: Biogen Idec Limited. www.biogen.at.
  • Gebrauchsinformation: Plegridy® 63 Mikrogramm Injektionslösung in einer Fertigspritze. Herausgeber: Biogen Idec Limited. www.biogen.at.
  • Rebif® 44 Mikrogramm Injektionslösung (2018). Herausgeber: Merck Europe B.V. www.merckgroup.com.
  • Betaferon® Professional Information (2021). Herausgeber: Bayer (Pty) Ltd. www.bayer.com.
  • Interferon beta-1a. Herausgeber: Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie und Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité Berlin. www.embryotox.de.
  • Interferon beta-1b. Herausgeber: Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie und Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité Berlin. www.embryotox.de.

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