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Auf einen Blick

  • Alemtuzumab (Lemtrada®) ist ein biotechnologisch hergestellter Antikörper, der als Immunblocker wirkt.
  • Das Medikament wird bei der Multiplen Sklerose eingesetzt, um die überschießende Immunreaktion im Körper zu unterdrücken.
  • Alemtuzumab wird als Infusion verabreicht.
  • Häufige Nebenwirkungen sind u.a. Unwohlsein, Fieber und Kopfschmerzen direkt nach der Infusion sowie Hautausschläge.

Alle Fragen zu Alemtuzumab beantworten wir im folgenden Beitrag.

Lesen Sie auch: Fortschritt durch neue MS-Medikamente: alles nur ein Märchen?

Wirkung

Auf welche Weise wirkt Alemtuzumab (Lemtrada) gegen Multiple Sklerose?

Alemtuzumab ist ein monoklonaler Antikörper. Er richtet sich gegen körpereigene Abwehrzellen, wirkt also wie ein Immunblocker. Damit entspricht der Wirkstoff dem Grundprinzip, das fast allen Medikamenten gegen Multiple Sklerose (MS) zu eigen ist.

Bei der MS liegt bekanntlich eine überschießende Immunreaktion vor, bei der eigene Abwehrzellen Nervengewebe angreifen. Die Ursache dafür ist nach wie vor unbekannt, weshalb eine Unterdrückung dieser Immunreaktion bis dato die einzige therapeutische Option ist, die die Schulmedizin anbieten kann.

Alemtuzumab - gut zu wissen:

Wird mein Immunsystem durch die Behandlung dauerhaft gemäßigt?

Der Antikörper Alemtuzumab richtet sich gegen einen Eiweißstoff, der auf den Oberflächen von verschiedenen Immunzellen vorkommt. Wer es genauer wissen will: Es geht um das Glykoprotein CD52, das sich auf der Zelloberfläche von Lymphozyten befindet. Durch die Hemmung werden die Lymphozyten, die dieses Protein tragen, abgetötet. Da Lymphozyten am Entzündungsprozess bei der MS wahrscheinlich maßgeblich beteiligt sind, erklärt sich hieraus ein therapeutischer Effekt.

Alemtuzumab wirkt über einen recht langen Zeitraum. Eine Hoffnung, die einige Experten an diese Antikörper knüpfen, ist, dass sich das Immunsystem nach der Behandlung dauerhaft erholt und nicht mehr so stark gegen das eigene Nervensystem vorgeht. In diesem Fall spricht man von Rekonstitution: Das Immunsystem könnte in der Folge also weniger aggressiv sein.

Ursprünglich gegen Leukämie entwickelt

Lemtrada wird gentechnologisch hergestellt. Ursprünglich wurde das Medikament zur Behandlung bestimmter Leukämie-Formen entwickelt, bei denen Lymphozyten entarten. Nachdem es hier bereits im Einsatz war, zog der Hersteller die Zulassung zurück, um Alemtuzumab in der MS-Therapie zu vermarkten. An dieser Vorgehensweise gab es aufgrund des eindeutig finanziell motivierten "Indikations-Hoppings" viel Kritik, denn für Leukämie-Patienten stand der Wirkstoff damit nicht mehr zur Verfügung, jedenfalls nicht offiziell.

Multiple Sklerose: Wann kommt eine Behandlung mit Alemtuzumab (Lemtrada) in Betracht?

Der medikamentöse Antikörper Lemtrada ist eine therapeutische Option bei schubförmig verlaufender MS und hoher Krankheitsaktivität. Mit hoher Krankheitsaktivität ist gemeint, dass es in relativ kurzen Abständen zu neuen Schüben gekommen ist oder der Behinderungsgrad zugenommen hat.

In den Zulassungsstudien senkte Alemtuzumab die Schubrate und verlangsamte das Voranschreiten krankheitsbezogene Einschränkungen und Behinderungen. Dabei zeigte sich im direkten Vergleich mit Interferon ein Vorteil von rund 75% zugunsten des neuen Antikörpers. Eine Heilung ist mit dem Wirkstoff nicht möglich (aber das gilt auch für alle anderen MS-Medikamente), immerhin aber eine Verlangsamung der Krankheitsprogression.

Einnahme

Wird Alemtuzumab (Lemtrada) eingenommen oder gespritzt?

Der Antikörper Alemtuzumab gegen die Multiple Sklerose muss als Infusion verabreicht werden. Allerdings sind dazu nur einige wenige Sitzungen notwendig, weil die Wirkung des Medikaments sehr lange vorhält.

Ein Jahr Pause nach dem ersten Zyklus

In der ersten Phase der Behandlung erhält man fünf Tage lang je eine Infusion. Danach hat man ein Jahr Ruhe, zumindest was die Infusionen angeht. Erst ein Jahr später beginnt die zweite Behandlungsphase mit drei weiteren Infusionen an drei aufeinander folgenden Tagen.

Allerdings sind nach den Infusionen regelmäßige ärztliche Kontrollen notwendig, unter anderem mit Blutuntersuchungen. Damit soll sichergestellt werden, dass das Immunsystem nicht zu stark in Mitleidenschaft gezogen ist oder sich daraus Komplikationen entwickeln.

Zum Hintergrund: Der Antikörper Alemtuzumab richtet sich gegen ein Oberflächen-Protein auf Lymphozyten. Diese körpereigenen Abwehrzellen werden durch die Bindung an das Medikament abgetötet. Das ist eine wirksame Maßnahme gegen die Entzündungsreaktionen bei der Multiplen Sklerose, geht aber natürlich auch mit Gefahren einher, insbesondere einer zu ausgeprägten Immunblockade.

Alemtuzumab als Infusion

Infusion von Alemtuzumab (Lemtrada): warum zusätzlich Kortison?

Da es bei den ersten Infusionen von Lemtrada häufiger zu – meist leichten – Reaktionen des Immunsystems kommt, verabreicht der Arzt im Vorfeld Kortison. Damit sollen stärkere Beschwerden verhindert werden.

Diese angesprochenen Reaktionen können direkt während der Gabe der Infusion oder auch bis zu 24 Stunden danach auftreten. Mögliche Symptome sind:

  • Fieber
  • Unwohlsein
  • Hautausschläge
  • Rötung des Gesichts und des Halses (Flush)
  • Abgeschlagenheit

Auch andere Medikamente können diese Infusionsreaktionen abschwächen. Kortison wird meist bei den ersten drei Infusionen einer jeden Therapiephase verabreicht.

Alemtuzumab: Warum kann man nach der Infusion nicht gleich nach Hause?

Nach der Infusion von Alemtuzumab muss man noch etwa zwei Stunden in der Praxis oder Klinik bleiben, je nachdem, wo die Behandlung stattfindet. Das geschieht zur Sicherheit, falls starke allergische Reaktionen oder andere bedrohliche Immuneffekte auftreten. Das passiert zwar selten, ist dann aber ohne ärztliches Beisein gefährlich.

Zur Erklärung: Alemtuzumab ist ein Medikament mit einer sehr starken Wirkung auf das Immunsystem. Das gilt nicht nur langfristig (der erwünschte therapeutische Effekt), sondern auch kurzfristig direkt nach der Infusion. Diese akute Wirkung hat nichts mit dem eigentlichen Behandlungsziel zu tun, erklärt sich aber mit dem Therapieprinzip. Bei Alemtuzumab handelt es sich um einen Antikörper, der an Lymphozyten, also Abwehrzellen bindet und diese direkt angreift.

Nach zwei Stunden ist die Gefahr akuter Reaktionen weitgehend gebannt und sehr schwere Reaktionen sind dann nicht mehr zu befürchten.

Nebenwirkungen

Welche Nebenwirkungen können unter Alemtuzumab (Lemtrada) auftreten?

Die häufigsten Nebenwirkungen von Lemtrada sind direkte Reaktionen auf die Infusionen. Diese können bis zu 24 Stunden nach deren Verabreichung auftreten. Zu den typischen Beschwerden dieser unmittelbaren Infusionsfolge zählen:

  • Kopfschmerzen
  • Fieber
  • Unwohlsein
  • Jucken
  • Ausschlag oder Hautquaddeln
  • Rötung des Gesichts und des Halses (Flush)
  • Müdigkeit

Bei vielen Anwendern sind diese Beschwerden nur schwach ausgeprägt. Zudem kann man dem mit Medikamenten begegnen, die im Vorfeld verabreicht werden. Die Nebenwirkungen können aber auch stärker auftreten und die ersten Tage nach der Infusion sehr beeinträchtigen.

Achtung: gefährliche Nebenwirkungen

Können auch schwere Nebenwirkungen unter Alemtuzumab auftreten?

Ja, wie bei fast allen modernen Immunblockern gegen Multiple Sklerose kann es auch unter Alemtuzumab in Einzelfällen zu sehr schweren und bedrohlichen Nebenwirkungen kommen, die auf eine zu starke Unterdrückung der körpereigenen Abwehr zurückzuführen sind. Als schwere Nebenwirkung gilt zum Beispiel das Auftreten anderer Autoimmunerkrankungen. Durch Kontrolluntersuchungen von Blut und Urin kann man zumindest sicherstellen, dass solche Folgeerkrankungen im Fall des Falles frühzeitig entdeckt werden und dann noch gut zu behandeln sind.

Beispiele:

  • Es kann eine Blutungsstörung auftreten. Typische Symptome sind dann: kleine Hautblutungen, Blutergüsse, nicht aufhören wollende Blutungen, starke Menstruationsblutungen, Zwischenblutungen, Zahnfleischbluten, Nasenbluten, u.ä.
  • Eine weitere Autoimmunerkrankung, die auftreten kann, betrifft die Nieren. Das kann sich durch Blut im Urin (roter oder teefarbener Urin) oder angeschwollene Beine und Füße bemerkbar machen. Im Rahmen der Nierenerkrankung auch es auch zu einer Schädigung der Lunge kommen, die sich unter Umständen mit Bluthusten äußert.
  • Das Auftreten autoimmuner Schilddrüsenkrankheiten ist auch möglich. Darauf deuten möglicherweise Schwitzen, unklare Gewichtsabnahme, aber auch Gewichtszunahme, Augenschwellung, Nervosität, Herzrasen, Kältegefühl, zunehmende Müdigkeit oder neu auftretende Verstopfung hin.

Daneben kann es zu Störungen der roten und weißen Blutkörperchen kommen. Viele behandelte Patienten sind insbesondere ein bis zwei Monate nach den Infusionen für Infektionen anfälliger, weil das Immunsystem vorübergehend geschwächt ist.

Alemtuzumab gegen MS: Muss man wirklich so oft zur Blutkontrolle?

Ja, diese Kontrolluntersuchungen sind nach Infusionen mit Alemtuzumab wichtig. Nicht nur die Blutwerte werden dabei bestimmt, sondern auch der Urinbefund. Das Ganze ist eine Sicherheitsmaßnahme. Es geht darum, mögliche schwere Nebenwirkungen im Fall des Falles früh zu entdecken.

Solche schweren Nebenwirkungen betreffen vor allem das Immunsystem. Sie sind sehr selten, dann aber auch sehr bedrohlich. Alemtuzumab kann unter anderem Autoimmunprozesse auslösen, also andere Erkrankungen, bei denen sich die Abwehrzellen gegen körpereigenes Gewebe richten. Dazu zählen vor allem Störungen der Blutbildung, an den Nieren und an der Schilddrüse.

Anhand der Blut- und Urinwerte lassen sich derartige Veränderungen der Blutzellen, der Nierenfunktion und der Schilddrüse recht gut erkennen. Dann kann man im seltenen Fall der Gefahr rasch und damit rechtzeitig reagieren. Gelingt das, sind diese Nebenwirkungen in der Regel auch gut beherrschbar.

Wissenswertes

MS: Warum bieten so wenig Ärzte Alemtuzumab als Therapieoption an?

Die Wirksamkeit von Alemtuzumab (Lemtrada®) ist in Studien recht gut belegt. Sowohl die Häufigkeit von Schüben als auch die Zunahme von Behinderungen wird gegenüber einer Interferon-Behandlung stärker reduziert. Viele Ärzte sorgen sich aber um die potentiellen Nebenwirkungen von des Antikörpers.

Tatsächlich kann es in Einzelfällen zu schweren Nebenwirkungen kommen, vor allem zu Entgleisungen des Immunsystems (siehe hierzu auch unsere anderen Beiträge zum Thema Alemtuzumab). Das gilt allerdings auch für viele andere MS-Medikamente. Und mit den regelmäßig angesetzten Blut- und Urinuntersuchungen ist es möglich, solche bedrohlichen Nebenwirkungen früh aufzudecken und diesen rechtzeitig gegenzusteuern.

Nicht (nur) der Arzt ist der Entscheider

Therapeutisch können Patienten mit einer schubförmig verlaufenden MS und hohem Aktivitätsrat (viele Schübe) von den Vorteilen gegenüber anderen Behandlungen profitieren. Vor allem, weil das Immunsystem offenbar langfristig gebremst wird. Studien konnten bei diesen Patienten gegenüber einer Behandlung mit Beta-Interferonen eine deutlich verringerte Krankheitsaktivität nachweisen, sprich weniger Schübe.

Fazit: Ob man es mit Alemtuzumab probieren will, ist letztlich auch eine persönliche Entscheidung. Die sollte aber nicht der Arzt treffen, sondern der Patient – nach ausführlicher Information über alle Risiken durch den Arzt.

Einsatz bei Leukämie

Wie wirkt Alemtuzumab gegen Leukämie?

Alemtuzumab ist ein sogenannter monoklonaler Antikörper. Er wird gentechnologisch hergestellt.

Das Mittel richtet sich gegen ein bestimmtes Oberflächenprotein auf entarteten Lymphzellen und ist zur Behandlung der chronisch lymphatischen Leukämie (CLL) geeignet.

Alemtuzumab hat sich bei der CLL im Vergleich zu einer herkömmlichen Chemotherapie als überlegen erwiesen, zumindest, was die Zeitdauer des Krankheitsstillstands angeht. Eine Heilung ist aber auch mit der Antikörper-Behandlung nicht möglich.

Vom Hersteller wurde die Zulassung zur Behandlung der CLL allerdings 2012 aufgegeben. Alemtuzumab wird daher heute nur noch in Ausnahmefällen eingesetzt.

Da der Wirkmechanismus auf einer Wachstumshemmung von Lymphzellen beruht, ist ein Einsatz bei der chronisch myeloischen Leukämie (CML) nicht möglich.

Quellen:

  • Fachinformation Lemtrada® 12 mg. Herausgeber: Sanofi. www.mein.sanofi.de.
  • Rote Liste, verfügbar unter: https://www.patienteninfo-service.de/a-z-liste/pq/praluent-150-mg-injektionsloesung-in-einem-fertigpen

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Autoren unseres Artikels
 
Dr. med. Jörg Zorn, Arzt

Dr. med. Jörg Zorn
Arzt

    Studium:
  • Universitätsklinik Marburg
  • Ludwig-Maximilians-Universität in München
    Berufliche Stationen:
  • Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg
  • Medizinischer Chefredakteur im wissenschaftlichen Springer-Verlag

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Dr. med. Julia Hofmann
Ärztin und medizinische Fachautorin

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Medizinische Prüfung
des Artikels
Dr. med. Monika Steiner, Ärztin / Gutachterin für medizinische Fortbildung

Medizinisch geprüft von
Dr. med. Monika Steiner
Ärztin / Gutachterin für medizinische Fortbildung

    Studium:
  • Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn
    Berufliche Stationen:
  • Leitung Medizin-Online / Chefredakteurin Springer Nature
  • Medizinische Gutachterin für ärztliche CME-Fortbildung bei esanum.de

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