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Warum nässt mein Kind nachts ein? Müssen wir deshalb zum Arzt gehen? Und ist eine Behandlung möglich? Mehr dazu in diesem Kapitel.

Basiswissen

Wie häufig kommt Bettnässen bei Kindern vor?

Beim Bettnässen (medizinisch: Enuresis) handelt es sich um eine der häufigsten Störungen im Kindesalter. Rund 20% der 5-Jährigen machen zumindest zeitweise nachts in ihr Bett. Bei den 6-Jährigen sind es noch 10%, bei den 7-Jährigen 5-7%.

Bis zur Pubertät verschwindet das Bettnässen in den meisten Fällen von selbst, meistens sogar schon deutlich früher. Bemerkenswerterweise nässen aber immer noch rund 1% der Jugendlichen nachts ein. Die Störung kann bis ins Erwachsenenalter andauern.

Bis zum 4. Geburtstag wird dem Geschehen kein Krankheitswert beigemessen, auch wenn die Mehrzahl der Kinder bis zum Ende des 3. Lebensjahres die Kontrolle über Blase und Darm erlernt haben. Das nächtliche Bettnässen ohne vorherige Trockenphase (primäre Enuresis nocturna) ist mit 80% die häufigste Form dieser Störung und wird als unkomplizierte Entwicklungsverzögerung betrachtet. Dabei handelt es sich überwiegend um Jungen. Das Einnässen am Tage (Enuresis diurna bzw. Inkontinenz) wird dagegen häufiger bei Mädchen beobachtet.

Ursachen

Welche Gründe kann es für Bettnässen geben?

Die möglichen Ursachen von Bettnässen sind extrem vielfältig und reichen je nach Ausprägung von genetischer Veranlagung über eine Unreife des Zentralnervensystems (ZNS) und hormonelle Störungen bis hin zu körperlichen und seelischen Auslösern. In den allermeisten Fällen aber verschwindet das Problem von allein wieder.

Im folgenden sind die möglichen Ursachen etwas genauer aufgeführt.

Primäres nächtliches Einnässen (Enuresis nocturna)

Primär bedeutet hier, dass das Bettnässen von vornherein besteht, das Kind also gar nicht erst "trocken wird". Dies wird vor allem als anlagebedingte Entwicklungsverzögerung des Kindes betrachtet. Als mögliche Ursachen wurden identifiziert:

  • familiäre Veranlagung
  • Reifeverzögerung von Nervenstrukturen, die für die Blasenentleerung wichtig sind
  • Mangel des antidiuretischen Hormons (ADH bzw. Vasopressin), das an der Steuerung des Wasserhaushalts im Körper und damit indirekt der Blasenfüllung beteiligt ist
  • geringe Blasenkapazität
  • falsche Trinkgewohnheiten
  • psychosoziale Faktoren, die den Lern- und Reifungsprozess beim Erwerb der Blasenkontrolle stören (häufiger allerdings sind seelische Probleme bzw. Verhaltensauffälligkeiten eher Folge des Betttnässens und der damit verbundenen Scham statt umgekehrt)

Wiedereinnässen (sekundäre Enuresis nocturna)

Hier geht es um die Form, bei der das Bettnässen nach einer schon bestandenden "Trockenphase" auftritt. Diese Variante steht oft in Zusammenhang mit psychoszialen Faktoren, d.h. Belastungen und Veränderungen im Leben des Kindes, wie z.B. Familienproblemen (Streit, Trennung, Zuwachs), schulischen Problemen oder Umzug.

Einnässen tagsüber (Enuresis diurna bzw. Inkontinenz)

Kommt es eher tagsüber zum Einnässen, ist das ebenfalls oft seelisch bedingt. Unter Umständen bestehen weitere psychische Störungen wie Einkoten oder Auffälligkeiten im Verhalten des Kinds.

Allerdings muss beachtet werden, dass hinter dem Wiedereinnässen und dem Einnässen am Tage, für das neuerdings der Begriff der Harninkontinenz bevorzugt wird, auch häufig organische Ursachen stecken, die von der reinen Enuresis abzugrenzen sind und unbedingt ausgeschlossen werden müssen. Am häufigsten ist eine Infektion der Harnwege dafür verantwortlich.

Zu den seltener anzutreffenden körperlichen Grunderkrankungen zählen u.a. Epilepsie, Diabetes, neurologische Störungen sowie anatomische Fehlbildungen der Harnwege. Auch vergrößerte Gaumenmandeln können über eine behinderte Atmung während des Schlafens Kinder zu Bettnässern machen – nach Entfernung der Mandeln verschwindet dann häufig auch das Bettnässen.

Aber wie gesagt: Diese körperlichen Ursachen sind die Ausnahme, nicht die Regel.

Bettnässen bei Kindern: seelische, erbliche und andere Einflussfaktoren

Auf welche Weise können seelische Belastungen zum Bettnässen führen?

Der Erwerb der Blasenkontrolle ist ein Lern- und Reifungsprozess, an dem sowohl körperliche als auch psychische Vorgänge beteiligt sind. Wird die natürliche Entwicklung durch äußere Faktoren gestört, kann dies ein Auslöser des Bettnässens sein.

Psychosoziale Belastungen für das Kind, wie etwa eine zu frühe oder strenge Reinlichkeitserziehung der (gutmeinenden) Eltern, zählen zu derartigen Störfaktoren. Da sich wiederum das Einnässen als solches – vor allem bei entsprechend negativer Reaktion der Eltern – zum psychischen Problem für das Kind entwickeln kann, ist ein Teufelskreis nahezu vorprogrammiert.

Psychische Ursachen spielen beim Wiedereinnässen, wenn also das Kind vorher bereits längere Zeit trocken war, aller Wahrscheinlichkeit nach sogar die Hauptrolle. Häufig lassen sich dann unerwartete Veränderungen im Leben des Kindes damit assoziieren, die es verunsichern oder in seinem Wohlbefinden deutlich beeinträchtigen. Beispiele dafür sind Familienstreitigkeiten oder sogar eine Trennung der Eltern, aber auch die Geburt eines Geschwisterkinds, der Verlust eines Familienmitglieds oder ein Umzug.

Ist Bettnässen immer ein Zeichen für seelische Probleme?

Nein, dieser Mythos ist zwar immer noch verbreitet, aber trotzdem nicht zutreffend. Bettnässen kann viele Ursachen haben. Die häufigste Form, das nächtliche Einnässen ohne vorheriges Trockensein, gilt heute vor allem als eine unkomplizierte Entwicklungsverzögerung.

Das Wiedereinnässen und das Einnässen am Tag wird dagegen häufiger als Zeichen einer unbewussten Verunsicherung des Kindes gedeutet und mit seelischen Problemen in Verbindung gebracht. Suchen Sie sicherheitshalber einen Kinderarzt auf, um den Gründen der unangenehmen und schnell als Belastung empfundenen Situation nachzugehen – und seelische Probleme für Ihr Kind, die es erst aufgrund des Bettnässens und der damit verbundenen Scham entwickelt, zu vermeiden. Diese Kausalität ist nämlich definitiv kein Mythos.

Kann Bettnässen vererbt werden?

Ja, auch wenn es zunächst ein wenig merkwürdig klingt. Wenn beide Eltern Probleme mit dem Trockenwerden hatten, beträgt die Wahrscheinlichkeit für Bettnässen bei ihrem Kind fast 80%. Trifft dieser Umstand nur auf ein Elternteil zu, halbiert sich diese Wahrscheinlichkeit nahezu.

Ohne familiäre Belastung ist dagegen „nur“ bei 15% der Kinder im Alter von 5-6 Jahren mit einem potenziell behandlungsbedürftigen Bettnässen zu rechnen.

Was sich auf den ersten Blick so merkwürdig anhört, wird verständlicher, wenn man sich vor Augen führt, dass Betttnässen häufig einfach nur eine harmlose Entwicklungsverzögerung ist und längst nicht immer Folge seelischer Probleme. Seelische Probleme können zwar auch die Ursache sein. Noch häufiger sind sie aber die Folge des Bettnässens – aufgrund der damit verbundenen Scham, mitunter auch durch subtilen elterlichen Druck.

Welche Rolle spielt das Hormon ADH beim Bettnässen?

Von dem Hormon ADH hört man normalerweise nicht so oft. Beim Bettnässen kann es aber tatsächlich eine Rolle spielen. Das auch als Vasopressin bezeichnete antidiuretische Hormon (ADH) scheint eine wichtige Rolle bei der primären Enuresis nocturna zu spielen. Damit ist die Form des Bettnässens gemeint, bei der es gar nicht erst zu einer dauerhaften Trockenphase kommt, das kleine Problem also von vornherein auftaucht.

Der Zusammenhang ist folgender: Vasporessin wird in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) gebildet. Es hemmt die Wasserausscheidung und wirkt über die Steuerung des Wasserhaushalts im Körper auf die Blasenfüllung ein. Normalerweise sorgt der tageszeitlich geregelte Ausscheidungsrhythmus dieses Hormon dafür, dass sich die Blase nachts weniger füllt. Sowohl diese hormonelle Regulation als auch das Zusammenspiel zwischen Blasenkontrolle und Schlaftiefe ist bei der primären Enuresis offenbar noch unterentwickelt. Das kann anlagebedingt sein und ist in aller Regel ein vorübergehendes und harmloses Problem.

Warum ist es so wichtig, ob das Kind vor dem Einnässen schon mal dauerhaft trocken war?

Ärzte unterscheiden zwischen primärem und sekundärem Einnässen (medizinisch: Enuresis). Bei der primären Enuresis ist das Kind zuvor noch nie dauerhaft trocken gewesen. Dagegen ging der sekundären Enuresis definitonsgemäß eine über 6-monatige Trockenphase voraus, was in verständlicherem Deutsch auch als Wiedereinnässen bezeichnet wird.

Die Unterscheidung beider Formen ist wichtig, weil sich daraus möglicherweise ganz unterschiedliche Schlüsse ergeben. So gilt die primäre Form überwiegend als unkomplizierte, häufig veranlagungsbedingte Entwicklungsverzögerung. Beim Wiedereinnässen stehen dagegen eher seelische Ursachen im Vordergrund, die mitunter sogar psychotherapeutische Hilfestellung bedürfen.

Bei den seltenen organischen Ursachen von Bettnässen überwiegt die primäre Enuresis, die Kinder werden also meist gar nicht erst trocken. Aber wie gesagt, das ist die Ausnahme.

Arztbesuch und Untersuchungen

Bettnässen beim Kind: Wann sollte man zum Arzt?

Das Trockenwerden zählt zu den Disziplinen, über die Eltern im „Erfolgsfall“ häufig gerne stolz berichten – und andernfalls lieber schweigen. Was nicht unbedingt das Wissen in der Bevölkerung mehrt, ab wann und in welchen Formen das Bettnässen (oder auch ein anderes Problem mit dem Wasserlassen) als behandlungsbedürftiger Zustand zu betrachten ist.

Grundsätzlich sollten Sie sich immer an den Kinderarzt wenden, wenn Sie beunruhigt sind oder sich der Situation nicht gewachsen fühlen. Weitere Anhaltspunkte für die Notwendigkeit zum Arztbesuch sind:

  • Bettnässen oder Einnässen im Alter von 5 Jahren oder darüber (über länger als 3 Monate, dabei mindestens zweimal im Monat)
  • Wiedereinnässen nach längerer Trockenphase
  • Einnässen tagsüber in die Hose
  • Wasserlassen häufiger als 7-mal am Tag
  • Warten und Pressen sowie Unterbrechungen des Harnstrahls beim Wasserlassen
  • Schmerzen beim oder kurz nach dem Wasserlassen
  • strenger Geruch des Urins
  • gleichzeitig Verstopfung oder fehlende Kontrolle über den Stuhlgang
  • häufige Harnwegsinfektionen
Bettnässen: Welche Fragen stellt der Kinderarzt?

Zwar ist Bettnässen in den meisten Fällen eher harmloser Natur. Aber allein, um auf Nummer sicher zu gehen, ist es bei längerem Anhalten des Problems trotzdem sehr sinnvoll, den Kinderarzt oder die Kinderärztin zu Rate zu ziehen. In der Praxis werden Sie dann wahrscheinlich zunächst ausführlich befragt, was für die Einordnung des Problems ganz wichtig ist.

Falls Sie ein wenig vorbereitet sein wollen, haben wir hier die häufigsten Fragen aufgelistet:

  • Wie oft nässt Ihr Kind ein?
  • Schläft Ihr Kind tief? (bei nächtlichem Einnässen)
  • Gibt es Auffälligkeiten beim Wasserlassen (z.B. Harndrang, Verzögerungen, geringer Harnflusss)?
  • Kommt es zum unfreiwilligen Harnabgang (z.B. beim Niesen)?
  • Wie wurde das Sauberkeitstraining bisher durchgeführt?
  • Sind bereits Behandlungsmaßnahmen erfolgt?
  • Nimmt Ihr Kind irgendwelche Medikamente (z.B. Diuretika zur Entwässerung) ein?
  • Hatten bereits Sie als Eltern oder andere nahe Verwandte Probleme mit dem Trockenwerden?
  • Hat Ihr Kind irgendwelche körperlichen oder seelischen (Begleit-) Probleme?
  • Gibt es familiäre oder andere Belastungen, die Ihr Kind aus seiner Perspektive belasten könnten (z.B. Trennungssituation, neues Geschwisterchen, Umzug etc.)?
Wie wird diagnostisch bei Bettnässen vorgegangen?

Wenn Sie mit Ihrem bettnässenden Kind den Arzt aufsuchen, besteht die erste diagnostische Maßnahme in einer ausführlichen Befragung. Dabei geht es um das beobachtete Beschwerdebild, das Verhalten von Kind und Eltern, die familiäre Situation und sonstige möglicherweise relevante Begleitumstände inklusive Medikamenteneinnahme. Das kann durchaus persönlich werden, muss es aber auch, wenn man der Ursache auf die Spur kommen will.

Im nächsten Schritt wird der Kinderarzt Ihren Sprössling körperlich untersuchen. Eine Harnprobe, seltener eine Blutentnahme kann mitunter notwendig ein. Zum sicheren Ausschluss einer körperlichen Fehlbildung dient die Ultraschalluntersuchung der Nieren und Harnwege. Auch Grunderkrankungen wie Diabetes müssen als Ursache ausgeschlossen werden.

Intensivere Gerätediagnostik nur bei starkem Verdacht einer körperlichen Ursache

In manchen Fällen kann auch eine stationäre Aufnahme zur allgemeinen Abklärung sinnvoll sein, um der Störungsursache in Ruhe auf den Grund zu kommen. Dabei werden psychologische Zusatzuntersuchungen und Verlaufsbeobachtungen durchgeführt sowie in einem 24-Stunden-Protokoll die Häufigkeit des Wasserlassens und die Urinmenge erfasst.

Bei (den seltenen) Hinweisen auf eine organische Erkrankung kommen weitere diagnostische Schritte in Betracht. Dazu zählen seltsam klingende Untersuchungen wie Miktionscystourographie, Beckenboden-EMG und Uroflowmetrie. Im Zweifel dienen sie auch der Sicherheit: Denn werden Fehlbildungen des Harntrakts oder chronische Entzündungszustände über Jahre nicht erkannt, können sie zu einer lebensbedrohlichen Zerstörung der Nieren führen. Aber wie gesagt, solche Fehlbildungen sind die seltene Ausnahme.

Behandlung

Wann ist bei Bettnässen eine Behandlung erforderlich?

Das hängt vom Alter Ihres Kindes, der Art der Störung und letztlich vom Leidensdruck ab, den das Bettnässen auslöst. Bei nur gelegentlichem nächtlichen Einnässen wird aus medizinischer Sicht in der Regel auf eine weitere Abklärung und Behandlung bis zum 6. Lebensjahr verzichtet. Einfache Maßnahmen wie eine wasserdichte Unterlage im Bett reichen dann als „Behandlung“ zunächst aus. Wichtig ist aber auch die emotionale Unterstützung des Kindes (vermeiden Sie Druck und schlechtes Gewissen).

Tritt das Bettnässen aber häufiger auf oder hält über den 5. Geburtstag hinaus an, sollten Sie in jedem Fall den Kinderarzt aufsuchen und sich beraten lassen. Einerseits, um nicht zu risskieren, dass eine organische Ursache übersehen wird. Andererseits aber auch, um einem Teufelskreis aus Einnässen, psychischer Belastung und Verhaltensproblemen vorzubeugen.

Verschiedene Behandlungsmöglichkeiten bei Bettnässen

Wie behandelt der Arzt das Bettnässen?

Meistens muss er gar nicht behandeln, weil sich das Problem als überschaubar und vorübergehend erweist. Ist das Bettnässen sehr häufig oder besteht es schon sehr lange oder noch nach dem 5. Geburtstag, muss aber – je nach Ursache – eine Behandlung erwogen werden. Allerdings immer erst nach (!) einer ausführlichen Diagnostik und Beratung.

Dann stehen verschiedene Behandlungsansätze zur Verfügung, die sich am Alter des Kindes, an der Art und Ursache des Bettnässens, dem bestehenden Leidensdruck und der Familiensituation orientieren.

Als Behandlungsansätze in Frage kommen:

  • verhaltenstherapeutische Methoden (Urotherapie, Alarmtherapie/Klingelhose, ggf. Biofeedback)
  • medikamentöse Behandlung (Desmopressin, Anticholinergika, ggf. Alpha-Blocker)
  • alternative Heilmethoden (Akupunktur, Hypnose)
  • Behandlung psychischer Probleme, die dem Bettnässen zugrunde liegen
  • Behandlung einer auslösenden Grunderkrankung
  • ggf. stationäre Behandlung
Wie funktioniert die Klingelhose® bei der Behandlung des Bettnässens?

Wenn einfachere Maßnahmen zur Behebung des nächtlichen Bettnässens nicht ausreichen, wird von einigen Ärzten das Training mit Klingelgerät empfohlen. Das ist eine Form der apparativen Verhaltenstherapie bzw. eine Alarmtherapie.

Hilfsmittel mit Alarmsignal

Ab einem Alter von 7 Jahren soll Ihr Kind dabei lernen, auf die körpereigenen Signale zu achten und entweder trocken durchzuschlafen oder bei gefüllter Blase wach zu werden. Als Hilfsmaterial wird dazu die Klingelhose® (Klingelhose® ist eine eingetragene Wortmarke der Stero Medizinische Geräte Prof. Dr. H. Stegat GmbH & Co. KG und der Herren Prof. Harry Stegat und Martin Stegat) oder Klingelmatten zurückgegriffen, die bei den ersten Tropfen ein Klingelsignal von sich geben.

Die Behandlung dauert 8-12 Wochen (mindestens 6, höchstens 16 Wochen). Nach 10-14 trockenen Nächten hintereinander kann die Klingelhose® abgelegt (und wegen Rückfallgefahr aufbewahrt!) werden. Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft für Urotherapie im Kindes- und Jugendalter handelt es sich bei der seit nahezu einem Jahrhundert bekannten Klingelhose® um die „erfolgreichste Behandlungsmethode des nächtlichen Einnässens“.

Erfolgsquote recht hoch, Aufwand aber auch

Allerdings erfordert die Klingeltherapie meist die Anwesenheit der Eltern, da Kinder das Signal häufig überhören. Das bedeutet, dass Sie in dieser Zeit mit Ihrem Kind im selben Zimmer nächtigen und dafür Sorge tragen müssen, dass es bei jedem Klingelsignal vollkommen aufwacht und zur Toilette kommt. Angesichts des für Kind und Eltern großen Aufwands empfiehlt es sich, das Verfahren vorher ausführlich mit dem Arzt und der Familie zu besprechen. Besondere Beachtung sollten Sie der Motivation Ihres Kindes und einer altersgemäßen Übertragung von Verantwortung im Rahmen des Trainings schenken.

Bei korrekter Durchführung darf mit einer Erfolgsquote von 70-80% gerechnet werden, bei erneutem Einsatz nach Rückfall (mit dem bei der Hälfte der Kinder zu rechnen ist!) mit 90%. Nicht zu verschweigen ist allerdings, dass auch die Abbruchrate dieser Therapieform zu Höchstwerten neigt. Angesichts der hohen Anforderungen und einer permanent gefährdeten Nachtruhe für die Familie nicht unbedingt verwunderlich.

Selbsthilfe

Bettnässen: Wie kann ich meinem Kind helfen?

Für das Einnässen ohne organische Ursache gilt: Elterliche Geduld und Zuwendung sind die beste Therapie.

Das Wichtigste: Machen Sie das Bettnässen nicht zu einem (noch größeren) Problem. Die meisten Kinder leiden ohnehin in dieser Situation. Drohungen, Bestrafungen, Beschimpfungen oder Bloßstellen vor Freunden oder anderen Menschen verschlimmern dieses Leid und wirken vorzugsweise kontraproduktiv.

Auch gutes Zureden, das einen hohen Erwartungsdruck aufbaut, ist für Ihr Kind nicht hilfreich.

Klären Sie es stattdessen in einem ruhigen, kindgerechten Gespräch darüber auf, dass das Bettnässen nichts Schlimmes ist und dass es nichts „falsch“ macht. Unterstützen Sie Ihren Nachwuchs emotional, damit er sein Selbstbewusstsein wieder kräftigen kann.

Mit einer wasserdichten Unterlage im Bett, aber ohne Windeln, vermitteln Sie Ihrem Kind, dass Sie es für fähig halten, seine Blase zu kontrollieren. Indem es nach dem Einnässen sein Bett selbst mit frischer Bettwäsche bezieht, lernt Ihr Kind, sein Problem eigenhändig aus der Welt schaffen zu können. Nicht als Strafe, sondern als Hilfe zur Stärkung des Selbstwertgefühls. Und nicht nur nach jeder trockenen Nacht sollte gelten: Loben Sie Ihr Kind, wann immer es Anlass dazu gibt!

Tipps und Hinweise für Eltern bei Bettnässen

Was kann ich im Alltag tun, um Bettnässen bei meinem Kind zu verhindern?
  • (gemeinsamer) Toilettengang vor dem Zubettgehen
  • Frühstück mit ausreichend Flüssigkeit
  • Erwerb von waschbarer Bettdecke und ggf. Beinschutz etc.
  • Verzicht auf unsinnige Maßnahmen wie Flüssigkeitseinschränkung am Abend (ohne ärztliche Absprache) oder nächtliches Wecken zum Toilettengang
  • kinderärztliche Beratung, spätestens bei Ausbleiben einer Trendwende nach einigen Monaten
Wie hilft der „Sonne-und-Wolken-Kalender“ gegen Bettnässen?

Der „Sonne-und-Wolken-Kalender" hat sich als zusätzliche Maßnahme zur Behandlung des Bettnässens bewährt, die bei manchen Kindern schon alleine zum Erfolg führt. Dabei zeichnet Ihr Kind mindestens zwei Wochen lang selbst in einem Kalender auf, ob es trocken (Sonne) oder nass (Wolke) war. Fortschritte können auf diese Weise gut sichtbar gemacht und mit Lob bekräftigt werden. Werden andere Symbole zur Markierung gewählt, heißt der Kalender natürlich anders …

Wie sinnvoll ist das nächtliche Wecken bei Bettnässern?

Das nächtliche Wecken des bettnässenden Kindes, um es anschließend auf die Toilette zu setzen, ist eine Tortur für Kinder und Eltern, die offenbar noch häufig praktiziert wird. Dadurch kann zwar möglicherweise die Anzahl der nassen Laken vermindert, nicht oder nur selten aber das dahinter liegende Problem gelöst werden.

Jedenfalls profitieren nicht viele Kinder von dieser wenig sinnvollen Form des Weckversuchs. Das Blasentraining mit Klingelhose ist zwar ebenfalls mit einem hohen Aufwand verbunden, weist aber ihren medizinischen Befürwortern zufolge mit etwa 70-90% die höchste Erfolgsquote bei der Behandlung des nächtlichen Bettnässens auf. Und soweit es sich nur um gelegentliches Bettnässen handelt, fährt man oft mit "Abwarten und das Kind liebevoll unterstützen" am besten.

Wissenwertes

Was ist eine Enuresis nocturna?

Enuresis ist der medizinische Fachbegriff für das unwillkürliche Einnässen. Wenn das beim Kind überwiegend nachts passiert, spricht man von Enuresis nocturna. Wie Sie in den anderen Fragen zu diesem Thema nachlesen können, ist das Phänomen in den allermeisten Fällen vorübergehend und harmlos.

Typisch für die primäre Form (keine dauerhafte Trockenphase zuvor) sind ein häufiges nächtliches Einnässen mit großen Urinmengen und der tiefe Schlaf des bettnässenden Kindes. Es ist trotz des Harnabgangs nur schwer aufweckbar, zeigt ansonsten aber ein normales Schlafverhalten. Psychische Begleitsymptome sind selten zu beobachten. Dies steht im Gegensatz zur sekundären Enuresis nocturna, bei der es nach einer mindestens 6 Monate dauernden Trockenphase zum Wiedereinnässen kommt.

Seltenere Varianten

Übrigens: Auch für das vorwiegende Einnässen tagsüber gibt es natürlich einen Namen: Enuresis diurna. Alle Formen der Enuresis können – wenn auch selten – mit einer Blasenfunktionsstörung kombiniert sein, insbesondere die Tagesvariante. Abhängig von der Ursache bestehen dann noch folgende Symptome:

  • häufiges Wasserlassen
  • „Haltemanöver“ (z.B. Aneinanderpressen der Oberschenkel, Hüpfen von einem Bein aufs andere, Hockstellung)
  • Inkontinez bei starkem Harndrang
  • stakkatoartiges Urinieren mit unvollständiger Blasenentleerung
  • ungewolltes Wasserlassen bei Anspannung der Bauchmuskulatur (z.B. beim Husten oder Niesen)

Quellen:

  • S2k-Leitlinie: Enuresis und nicht-organische (funktionelle) Harninkontinenz bei Kindern und Jugendlichen (2015). Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie und Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (www.awmf.org).

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Autoren unseres Artikels
 
Dr. med. Jörg Zorn, Arzt

Dr. med. Jörg Zorn
Arzt

    Studium:
  • Universitätsklinik Marburg
  • Ludwig-Maximilians-Universität in München
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  • Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg
  • Medizinischer Chefredakteur im wissenschaftlichen Springer-Verlag

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Dr. Hubertus Glaser, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gesundheit e.V. (DEUGE) und medizinischer Fachautor

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Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gesundheit e.V. (DEUGE) und medizinischer Fachautor

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Dr. med. Monika Steiner, Ärztin / Gutachterin für medizinische Fortbildung

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Dr. med. Monika Steiner
Ärztin / Gutachterin für medizinische Fortbildung

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