Glycopyrronium (Seebri / Tovanor): Wirkung & Nebenwirkungen
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- Zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08. Dezember 2021 09:21
Werden die Lungensprays Seebri® und Tovanor® nur bei COPD verordnet? Was muss ich bei der Anwendung beachten und welche Nebenwirkungen können bei der Behandlung auftreten? Diese und weitere Fragen beantworten wir im folgenden Beitrag.
Wirkung
Wie hilft Glycopyrronium bei COPD?
Damit Sie den Wirkmechanismus von Glycopyrronium verstehen, müssen Sie sich vor Augen führen, was bei einer COPD eigentlich passiert.
Bei Menschen mit COPD sind die Bronchien weniger elastisch und verkrampfen leicht. Besonders beim Ausatmen kann das Probleme verursachen, manchmal kollabieren die Bronchien sogar. Die Folge: Luftnot.
Bronchien werden entspannt
Der Wirkstoff Glycopyrronium sorgt dafür, dass die Atemwege sich wieder entspannen und weiter werden, dadurch wird das Atmen wieder leicher.
Wissenswertes zur Wirkungsweise und Anwendung
Auf einen Blick: Wie wirkt Glycopyrronium?
Das Glycopyrronium in Seebri® und Tovanor® blockiert in den Atemwegen die Muskarin-Rezeptoren. Das müssen Sie sich nicht merken, aber wichtig ist, dass damit die Bronchien entspannt und geweitet werden.
Wichtig: Das funktioniert nicht akut, sondern langfristig. Die beiden Lungensprays sind Dauermedikamente.
Das Zusammenziehen und Verkrampfen der Bronchien kann man medikamentös über zwei Andockstellen beeinflussen:
- die Beta-Adrenozeptoren: Das sind Rezeptoren in den Atemwegswänden, die auch auf Hormone wie Adrenalin ansprechen. Bei Aktivierung werden die Luftwege weiter gestellt.
- und die Muskarin-Rezeptoren: Die machen das Gegenteil. Sie verengen die Atemwege. Werden diese Rezeptoren aber blockiert, hat man den gleichen gewünschten Effekt.
Komplizierte Namen, einfaches Prinzip
- Will man die Beta-Adrenozeptoren aktivieren, gibt man Betamimetika: Dazu gehören zum Beispiel Berotec® oder Serevent®
- Will man die Muskarin-Rezeptoren blockieren, gibt man Seebri® , Tovanor®, Spiriva® oder Atrovent®.
Welche Medikamente mit Glycopyrronium gibt es?
Aktuell (Stand 2020) sind zwei Lungensprays mit dem Wirkstoff Glycopyrronium auf dem Markt:
- Seebri® Breezhaler® und Tovanor® Breezhaler®.
- Seebri® und Tovanor® sind dabei die Namen des Medikaments.
- Breezhaler® ist der Name des Inhalationsapparates.
Wie werden Seebri und Tovanor inhaliert?
Sie inhalieren den Wirkstoff Glycopyrronium mit Hilfe eines Inhalationsapparates. Das ist nicht weiter schwer. Sie müssen dazu eine Kapsel aus dem silbernen Blister herausnehmen und in den Apparat einlegen. Dann wird sie von außen zusammengedrückt, so dass der Wirkstoff freigesetzt wird und mit einem tiefen Atemzug eingeatmet werden kann. So gelangt das Mittel bis in die tiefen Atemwege.
Das Spray wird einmal täglich eingenommen.
Für wen sind Seebri und Tovanor geeignet?
Seebri® bzw. Tovanor® können prinzipiell in allen Stadien einer COPD eingesetzt werden. Befindet sich die Erkrankung im Anfangsstadium mit nur teilweise auftretender Atemnot (das sogenannte Stadium Gold A), werden jedoch meist kurzwirksame Wirkstoffe eingesetzt.
Ab dem Stadium Gold B hingegen gehören langwirksame Mittel wie Seebri® / Tovanor® fest zur Behandlung .
Je nach Beschwerdegrad und Ansprechen auf die Mittel werden teilweise auch andere langwirksame Sprays wie z.B. Oxis® oder Serevent® verordnet, mitunter auch als Kombination unterschiedlicher Wirkstoffgruppen.
Bei sehr stark ausgeprägter COPD wird unter Umständen ein Kortisonspray hinzugefügt. Gleichzeitig muss aber immer auch ein Wirkstoff wie Oxis® eingenommen werden. Mit Seebri oder Tovanor alleine sollte ein Kortisonspray nicht verwendet werden.
SABA, SAMA, LABA, LAMA
Es klingt ein bisschen albern, aber mit diesen vier Bezeichnungen unterscheiden Ärzte die COPD- und Asthma-Sprays.
- SABA und SAMA sind kurzwirksame (SA = short acting) Betamimetika (BA) und Muskarin-Blocker (MA).
- LABA und LAMA sind die langwirksamen Varianten.
- Das Glycopyrronium ist also ein LAMA.
Nebenwirkungen
Welche Nebenwirkungen können bei den Lungensprays Seebri® und Tovanor® auftreten?
Beide Sprays sind insgesamt gut verträgliche Lungenmittel. Wie bei fast allen Medikamenten gibt es jedoch ein paar unerwünschte Effekte, die auftreten können.
Häufige Nebenwirkungen (bei 1-10% aller Anwender)
- Mundtrockenheit
- Beschwerden im Magen-Darm-Trakt
- Kopfschmerzen
- Schlafprobleme
- Entzündungsprozesse im Nase-Rachen-Raum
- Harnwegsinfekte
Seltenere Nebenwirkungen (bei 0,1-1% aller Anwender)
- Herzstolpern
- Vorhofflimmern, eine Herzrhythmusstörung
- Husten
- Nasenbluten
- Ausschlag
- Glieder- und Muskelschmerzen
- Müdigkeit und allgemeine Schwäche
- Harnverhalt
Vorsicht bei Harnverhalt und erhöhtem Augeninnendruck
Wenngleich Seebri® bzw. Tovanor® gut verträglich sind, gibt es einige Situationen, in denen das Medikament nur unter großer Vorsicht eingesetzt werden darf. Das gilt zum Beispiel, wenn Sie Probleme beim Wasserlassen haben, aber auch bei Personen mit einem Grünen Star (Engwinkelglaukom), bei denen der Augeninnendruck erhöht ist.
Auch bei schwerer Nierenfunktionsstörung (GFR < 30) darf das Mittel nur benutzt werden, wenn die Nierenwerte regelmäßig kontrolliert werden. Für Kinder und Jugendliche ist der Arzneistoff generell nicht zugelassen.
Selten und Grund zum Stopp: starke Luftnot
Mediziner sprechen von einem paradoxen Bronchospasmus, wenn nach dem Gebrauch von einem Lungenspray wie beispielsweise Seebri® starke Luftnot auftritt. Obwohl das Mittel die Atemwege entspannen soll, verkrampfen sie. Bei einer solchen Reaktion muss das Medikament abgesetzt werden.
Wechselwirkungen mit anderen Sprays
Kann es bei der Anwendung mit anderen COPD-Sprays zu Wechselwirkungen kommen?
In der Regel nein. Bei einer COPD werden sogar häufig verschiedene Medikamente kombiniert, um die Erkrankung besser behandeln zu können. Die verordneten Sprays haben dabei unterschiedliche Wirkungsorte und beeinflussen sich nicht gegenseitig.
Ist eine Kombination verschiedener Medikamente sogar von Vorteil?
Das kann man so sagen, Seebri® wird häufig mit anderen Lungenmedikamenten kombiniert, wenn es darum geht, eine COPD einzustellen und zu behandeln. Die verschiedenen Wirkstoffe der oben beschriebenen Arzneigruppen ergänzen sich dabei, da sie über unterschiedliche Andockstellen im Lungengerüst ihren Effekt erzielen.
Probleme bei der Gabe von Seebri® zusammen mit einem Mittel wie Oxis® (Formoterol) oder Onbrez® (Indacaterol) sind bisher nicht beschrieben. Ganz im Gegenteil, zum Teil sind sogar schon feste Kombinationen von zwei Wirkstoffen in einem Spray auf dem Markt.
Noch ein Extra-Tipp:
Können natürliche Wirkstoffe bei Asthma sowie COPD hilfreich sein?
Unsere Empfehlungen dazu finden Sie hier.
Quellen:
- Rote Liste PatientenInfoService Gebrauchsinformationsverzeichnis Deutschland. Gebrauchsinformation: Information für Anwender Seebri® Breezhaler® 44 Mikrogramm, Hartkapseln mit Pulver zur Inhalation. Stand: 07/2018.
- Wirkstoff AKTUELL. Ausgabe 2/2014. Eine Information der KBV im Rahmen des § 73 (8) SGB V in Zusammenarbeit mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft online unter: HTTP://AIS.KBV.DE. Glycopyrronium