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Was tun, wenn beim Kind eine Hörbehinderung oder Gehörlosigkeit festgestellt wird? Wie lassen sich dann die weitere Entwicklung und der Spracherwerb fördern? Fragen und Antworten dazu finden Sie im folgenden Beitrag.

Unterstützung und Hilfe

Wie kann ich meinem Kind mit Hörschaden am besten helfen?

Die meisten Eltern sind zunächst mehr oder weniger schockiert, wenn der Arzt bei ihrem Kind eine Hörschädigung feststellt. Sie stehen vor einem Berg von Fragen und der Herausforderung neuer Gegebenheiten, die ihnen bisher fremd waren.

Bei Ihren Bemühungen, sich zusammen mit Ihrem Kind in der neuen Situation zurechtzufinden, die richtigen Entscheidungen zu treffen und den bestmöglichen Umgang mit diesem Handicap zu finden, sind drei Dinge besonders wichtig:

  • Erstens, dass es kein allgemein gültiges Rezept für den Umgang mit Schwerhörigkeit gibt. Das muss vielmehr für jedes Kind individuell entschieden und das Für und Wider der einzelnen Maßnahmen abgewogen werden.
  • Zweitens, dass Sie neben der medizinischen Betreuung unbedingt auch auf die Hilfe und Unterstützung durch Beratungsstellen und Frühförderzentren zurückgreifen sollten. Legen Sie dabei großen Wert auf eine umfassende, wertneutrale und ganzheitliche Beratung durch geeignete Fachleute, insbesondere solche mit Hörbehinderung. Dabei sollte nicht nur Ihr betroffenes Kind, sondern die ganze Familie im Blickpunkt der Betrachtung stehen.
  • Drittens, dass der Austausch mit anderen Eltern hörbehinderter Kinder eine große Hilfe sein kann, den eigenen Weg zu finden. Deren Erfahrungen sind genauso wertvoll einzuschätzen wie das Fachwissen der professionellen Experten – auch wenn man sich natürlich immer klar machen muss, dass auch viel von der Art der Hörstörung und dem Ausmaß abhängt, also nicht alles pauschal beurteilt werden kann.

Wie kann man eine Schwerhörigkeit bei Kindern behandeln?

In Abhängigkeit von der Ursache kann eine Schwerhörigkeit medikamentös, operativ und/oder medizintechnisch (Hörsysteme, Cochlea-Implantat) behandelt werden. Zusätzlich ist in jedem Fall eine umfassende Förderung der sprachlichen und sozialen Entwicklung des Kindes erforderlich, um ihm trotz des Handicaps die Entfaltung seiner Potenziale und ein weitgehend normales Leben zu ermöglichen.

Spracherwerb

Kann mein Kind trotz Hörbehinderung richtig sprechen lernen?

Ja. Der Spracherwerb ist zwar für ein hörbehindertes Kind erschwert und seine Aussprache wird sich möglicherweise etwas anders anhören als die eines hörgesunden Kindes. Dennoch kann es sprechen lernen.

Nutzen Sie auch die Gebärdensprache

Hinter dieser Frage steht häufig die Furcht von Eltern, aufgrund der Hörbehinderung des Kindes könnte auch die Kommunikation mit ihm und letztlich sogar der Aufbau einer starken emotionalen Bindung gefährdet sein. Diese Vermutung ist oft die größte Sorge, die Eltern nach der Diagnosestellung des kindlichen Hörschadens befällt. Sie ist verständlich, aber unbegründet. Denn der Aufbau einer liebevollen Eltern-Kind-Beziehung hängt glücklicherweise nicht vom Funktionieren des Hörorgans ab. Und zum Spektrum der Kommunikation gehört weit mehr als die Artikulation.

Den Eltern wird empfohlen, ihrem Kind – neben dessen Bemühungen um den Erwerb der gesprochenen Sprache – kommunikativ auch mit dem Angebot der Gebärdensprache entgegenzukommen, da es diese ungehindert verstehen kann. Erfährt Ihr Kind eine solche zweisprachige Förderung innerhalb der sensiblen Sprachentwicklungsphase in den ersten Lebensjahren, wirkt sich das positiv auf das Erlernen der Lautsprache aus. Unbenommen aller anderen Möglichkeiten der Kommunikation, die vor allem auf einer Grundregel fußt: Sie funktioniert nur gemeinsam.

Wie lernen Kinder mit Hörbehinderung das Sprechen?

Besonders effektiv verläuft der Spracherwerb bei jedem Kind in der sogenannten sensiblen Phase der Sprachentwicklung, die in etwa die ersten vier Lebensjahre umfasst. In dieser Phase können sich die für Sprache und deren Verarbeitung zuständigen Regionen und Strukturen im Gehirn am besten ausbilden.

Das gilt für die Lautsprache – es gilt aber auch für die Gebärdensprache. Deren frühes Erlernen aktiviert bei vielen Kindern die natürliche Sprachkompetenz und unterstützt damit auch das Erlernen der gesprochenen Sprache. Denn natürlich ist die Lautsprache hörbehinderten Kindern nur begrenzt zugänglich und kann daher nur verzögert und unter erschwerten Bedingungen erworben werden.

Beim Aneignen der Gebärdensprache werden dabei dieselben Sprachentwicklungsschritte durchlaufen wie beim normalen Lautspracherwerb. Deshalb wird empfohlen, hörbehinderten Kindern eine doppelgleisige Sprachförderung möglichst frühzeitig, also innerhalb der sensiblen Phase, anzubieten.

Gebärdensprache

Gebärdensprache für hörbehinderte Kinder: Ja oder Nein?

Was lange Zeit verpönt war, wird heute von fachlicher Seite empfohlen: der Einsatz der Gebärdensprache in der Frühförderung hörbehinderter Kinder. Denn über die Kommunikation mithilfe der Gebärden wird auch die Kunst des Sprechens indirekt gefördert.

In Verbindung mit einer individuell an das Kind angepassten medizinisch-technischen Versorgung soll dem Kind ein zweisprachiger Bildungsweg ermöglicht und damit sichergestellt werden, dass es auch in späteren Lebensphasen über die erforderlichen Ressourcen verfügt (z.B. für ein Studium mithilfe von Gebärdensprach-Dolmetschern). Zudem unterstützt das Erlernen der barrierefreien Gebärdenkommunikation als Erstsprache den durch die Hörbehinderung erschwerten Erwerb der Lautsprache.

Verzicht auf Gebärdensprache schadet mehr als deren Anwendung

Damit hat sich die frühere Einschätzung um 180 Grad gedreht, als die Sprachförderung noch ausschließlich darauf ausgerichtet war, dass die Kinder sprechen und von den Lippen ablesen lernen. Offenbar wirkt sich aber nicht die Gebärdensprache nachteilig auf die sprachliche und geistige Entwicklung der hörgeschädigten Kinder aus, sondern der Verzicht auf sie.

Wo können Eltern die Gebärdensprache lernen und wer trägt die Kosten?

Gebärdensprachkurse werden von Gehörlosen-Verbänden, an Volkshochschulen oder von privaten Gebärdensprachschulen angeboten. Sie können sich auch um einen Familiengebärdensprachkurs, der zu Hause durchgeführt wird, bemühen.

Um die Kursgebühr finanziert zu bekommen, müssen Sie den Anspruch Ihres Kindes bei der Krankenkasse geltend machen und in diesem Zusammenhang auch die Kostenübernahme für den Elternkurs beantragen. Sie können sich dabei auf das Sozialgesetzbuch (SGB) berufen, genauer: auf die Paragraphen 26 und 55 SGB IX. Auf dieser gesetzlichen Grundlage sollte die Finanzierung möglich sein. Eine Garantie können wir aber leider nicht geben, zumal die Erstattungspraxis nicht überall gleichermaßen gehandhabt wird.

Gebärdensprache von großer Bedeutung für Ihr Kind

Neben den Sprachkursangeboten gibt es übrigens auch zahlreiche Selbstlernmaterialien, die eine sinnvolle Unterstützung beim Erlernen der Gebärdensprache sein können. Ratsam ist es ferner, den Kontakt zu gehörlosen Erwachsenen und gleichgesinnten Eltern zu suchen. Auch sollten Sie die eigenen Sprachkenntnisse fortlaufend trainieren und vertiefen. Denn mit der sicheren Beherrschung der Gebärdensprache leisten Sie einen zentralen Beitrag für die geistige Entwicklung Ihres Kindes sowie für die vertiefte emotionale und kommunikative Beziehung zu ihm.

Implantate und Hörgeräte

Was ist für mein hörbehindertes Kind besser: Cochlea-Implantat oder Hörgerät?

Diese Frage kann nicht allgemeingültig beantwortet, sondern immer nur individuell abgewogen werden. Eine eindeutige Situation liegt nur bei den Kindern vor, für die eine Implantation nicht in Frage kommt, etwa wenn der Hörnerv fehlt oder die Hörschnecke (Cochlea) verknöchert ist.

In den anderen Fällen wird meistens von ärztlicher Seite frühzeitig vom Cochlea-Implantat (CI) gesprochen. Dabei sollten Sie sich aber nicht vorschnell in diese Richtung drängen lassen (wie es des öfteren von betroffenen Eltern zu hören ist). Die CI-Versorgung von hochgradig schwerhörenden oder gehörlosen Kleinkindern gilt zwar heute als medizinischer Standard. Damit werden im Schnitt bessere Ergebnisse bezüglich Hörvermögen und Sprachfähigkeiten erzielt als mit einem Hörgerät. Allerdings gibt es auch Dinge zu bedenken.

Folgendes ist zu beachten:

  • Bei einer CI-Operation handelt es sich um einen schwerwiegenden Eingriff mit Risiken und lang anhaltenden Folgen für Ihr Kind.
  • Angesichts des laufenden techischen Fortschritts in der Entwicklung digitaler Hörgeräte sollten Sie vorab genau klären, ob nicht eine ausreichende Versorgung mit Hörgeräten möglich ist.
  • Nur beim Einsatz von Hörgeräten können eventuell vorhandene Hörreste optimal ausgenutzt werden. Nach einer CI-Implantation sind diese dagegen unwiederbringlich zerstört.
  • In der Regel werden hohe Erwartungen in die Behandlung mit einem CI gesetzt, wodurch sich ein enormer Erfolgsdruck für das Kind ergeben kann, dessen psychische und psychosoziale Folgen nicht ausreichend bekannt sind.
  • Auch nach der Implantation wird Ihr vorher gehörloses Kind an kommunikative Barrieren im Alltag stoßen. Im Unterschied zu hörgesunden Menschen wird es immer dann, wenn es die äußeren CI-Teile abnehmen muss (z.B. zum Schlafen oder Schwimmen), zeitweilig komplett gehörlos sein. Drohenden Identitätskonflikten muss entsprechend begegnet werden.
  • Die publizierten Ansichten von Betroffenen, die ihr Leben mit CI bewerten, fallen sowohl positiv als auch negativ aus.

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Autor unseres Artikels
 
Dr. Hubertus Glaser, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gesundheit e.V. (DEUGE) und medizinischer Fachautor

Dr. Hubertus Glaser
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gesundheit e.V. (DEUGE) und medizinischer Fachautor

    Studium:
  • Ludwig-Maximilians-Universität in München
    Berufliche Stationen:
  • Medizinischer Chefredakteur im wissenschaftlichen Springer-Verlag
  • freiberuflich als Entwickler, Berater und Publizist

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Medizinische Prüfung
des Artikels
Dr. med. Monika Steiner, Ärztin / Gutachterin für medizinische Fortbildung

Medizinisch geprüft von
Dr. med. Monika Steiner
Ärztin / Gutachterin für medizinische Fortbildung

    Studium:
  • Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn
    Berufliche Stationen:
  • Leitung Medizin-Online / Chefredakteurin Springer Nature
  • Medizinische Gutachterin für ärztliche CME-Fortbildung bei esanum.de

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