Wie kann man mit Schizophreniekranken umgehen?
Zuletzt aktualisiert am 10. Januar 2019 um 12:37 Uhr 30. April 2010 um 14:09 Uhr
Menschen mit Schizophrenie sollten mit ihrer Krankheit akzeptiert und nicht ausgegrenzt werden. Der Umgang sollte grundsätzlich kein anderer sein als dies vor der Krankheit der Fall war.
Jede Erkrankung verläuft anders
Auch Angehörige und Freunde stellt die Diagnose Schizophrenie bei einem vertrauten Menschen vor große Herausforderungen. Oft kündigt sich die Erkrankung bereits lange im Vorfeld durch sogenannte Prodromalsymptome an; manchmal bricht sie aber auch ganz plötzlich und unerwartet ins Leben der Betroffenen und ihrer Mitmenschen ein.
So unterschiedlich der Beginn sein kann, so heterogen verläuft auch jede einzelne schizophrene Erkrankung. Wie schwer der Umgang mit dem Betroffenen fällt, hängt natürlich vor allem vom Verlauf und der jeweiligen Ausprägung ab. Eine Psychose kann chronisch verlaufen und langsam fortschreiten. Aber auch einzelne akute Phasen sind möglich, die sich immer wieder vollständig zurückbilden, so dass der Erkrankte zwischendurch ganz "der alte" ist und es vielleicht auch bleibt.
Eine Zerreißprobe: akute Psychosen
Schwierig für alle Beteiligten sich vor allem akute psychotische Krankheitsphasen sowie sogenannte Residualzustände, in denen sich bestimmte Symptome verfestigen. Ein akuter Schub kann sehr dramatisch verlaufen, wie es in den Kommentaren von einigen Lesern beschrieben wurde. Wie schwer muss es einer Mutter fallen, ihr eigenes Kind nicht mehr wiederzuerkennen? Wie kann die Freundin es aushalten, wenn ihr liebevoller, fürsorglicher Partner plötzlich aggressiv wird und ihr gegenüber Gewalt anwendet?
In solchen Situationen sind die Betroffenen nicht Herr über sich selbst. Es ist sehr wichtig, die Person von der Erkrankung zu trennen und die Symptome nicht dem Menschen selbst anzulasten. So führen in akuten Situationen Anschuldigungen und Vorwürfe nicht weiter. Gleichwohl kann der Betroffene durchaus ansprechbar und bis zu einem gewissen Grad zugänglich und auch beeinflussbar sein. Es erfordert allerdings viel Erfahrung und Einfühlungsvermögen, in Akutsituationen angemessen zu reagieren und den Betroffenen etwa von einer nötigen Behandlung zu überzeugen.
Zwangseinweisung als ultima ratio
Gerade die mangelnde Krankheitseinsicht und die Verweigerung von Medikamenten macht Nahestehenden oft zu schaffen. Ist der Betroffene zeitweise durchaus stabil, nimmt regelmäßig seine Tabletten und kommt im Alltag zurecht, sperrt er sich anderntags beharrlich gegen die Substanzen und vermutet, dass er vergiftet werden soll.
Und ja: Manchmal führt dann kein Weg daran vorbei, ihn auch gegen seinen Willen in eine psychiatrische Klinik einzuweisen und ggf. rechtlich unterzubringen.
Das andere Gesicht der Schizophrenie
Ganz anders, aber nicht weniger schwierig im Umgang verlaufen Residualzustände. Hier spielen weniger die meist bekannteren, eindrücklichen Symptome wie Halluzinationen, Wahnvorstellungen und starke innere Erregung eine Rolle. Vielmehr sind sie von einer zunehmenden Negativsymptomatik charakterisiert.
Darunter versteht man z.B. einen mangelnden Antrieb oder eine Verarmung der Gefühle. Betroffene ziehen sich immer mehr zurück, scheinen abwesend und emotional unterkühlt. Diese zunehmende Vereinnahmung der Persönlichkeit ist es vor allem, die die Schizophrenie zu einer so zehrenden und zerstörerischen Krankheit macht.
Ihre Hilfe ist entscheidend
Wie damit umgehen? Am wichtigsten ist es, den Betroffenen nicht alleine zu lassen und ihm so gut wie möglich beizustehen. Ein stabiles soziales Netz und feste familiäre bzw. partnerschaftliche Bindungen sind für die weitere Prognose sehr relevant.
Dass das Angehörigen und Freunden viel abverlangt, steht außer Frage. Trotz der heutigen therapeutischen Möglichkeiten verlaufen noch immer viele psychotische Erkrankungen chronisch, beeinträchtigen Ausbildung und Beruf, erschweren die soziale Integration und schränken statistisch gesehen die Lebenserwartung ein. Menschen im Umfeld der Erkrankten müssen sich daher oft dauerhaft mit der schwierigen Situation und dem ständigen Bangen, wie es wohl weitergeht, abfinden.
Die Krankheit ist nicht alles
Dabei hilft es, wie bereits erwähnt, Person und Erkrankung klar auseinanderzuhalten und den Menschen dahinter nicht aus dem Blick zu verlieren. Gleichzeitig müssen Sie sich unter Umständen darauf einstellen, dass der liebgewonnene Mensch eben nicht "der alte" bleibt, sondern sich stetig verändert – aber: wer tut das nicht? Wichtig ist, ihn einzubinden und zu bestärken in dem, was er kann und gerne machen möchte. Dabei muss die Erkrankung, wie ebenfalls schon von einem Leser angemerkt wurde, auch nicht ständig thematisiert werden.
Wie man am besten mit jemandem umgeht, der an einer Schizophrenie leidet, hat wohl Leserin Gerda auf den Punkt gebracht, indem sie schreibt, was jeder Mensch, ob gesund oder krank, braucht: Liebe und Vertrauen.
Autorin: Eva Bauer (Ärztin)
ich kann euch alle so gut verstehen und nachempfinden. Ich weiß momentan wirklich nicht, wie es mit mir und meinem Freund weiter gehen soll. Ich werde zunehmend beschuldigt fremdzugehen, ihn zu beleidigen, ihn vergiften zu wollen und ihn anzulügen. Es ist so schwer, weil ich immer versuchen muss ruhig und vernünftig zu bleiben bei Themen, die mich zutiefst verletzen. Ich werde um 3 Uhr nachts aus dem Bett geschubst oder geweckt, und muss stundenlange Befragungen durchstehen. Ich bin am Ende meiner Kräfte. Trotzdem muss ich für zwei Personen weiterkämpfen. So fühlt es sich meistens an. Ich erfahre kaum Unterstützung, weder von seiner Familie noch von seiner Therapeutin. Mir hat nie jemand erklärt, wie ich mit solchen Phasen umgehen soll oder kann, und bin einfach nur überfordert. Ich liebe ihn, und würde ihn niemals auch nur anlügen oder ihm etwas verschweigen. Manchmal bin ich an dem Punkt, an dem ich mit dem Gedanken spiele seinen Forderungen, dass ich ihn betrüge, nachzugeben und mir etwas auszudenken damit diese Gespräche endlich aufhören. Aber ich weiß, dass es nicht wahr ist und es nichts besser machen würde. Ich versuche meinen Weg und meinen Umgang damit zu finden. Aber aktuell ist es jeden Tag ein Kampf. Er ändert momentan stündlich seine Meinung zu mir. LG-Lou
ich schreibe diesen Kommentar eigentlich nur, um es mir mal von der Seele zu reden. Mein Freund ist schizophren. Ich liebe ihn aber. Es ist wirklich sehr hart. Und es tut mir so weh, ihn so leiden zu sehen. Mir ist bewusst, dass das nicht sein wahres "Ich" ist. Trotzdem ist es schwer, das nicht alles an sich heranzulassen. Aber er/wir machen auch Fortschritte. Nach 2 Jahren Beziehung vertraut er sich mir endlich voll an, und redet mit mir darüber. Es ist nicht so, dass wir es vorher nicht wussten, aber alle Versuche dies zu besprechen wurden stark abgeblockt. Ich weiß mittlerweile wie ich die Situation händeln muss, wenn die 'andere Person' sich einschaltet und mit ihm spricht, ihm Anweisungen gibt usw. Aber vor ca. einem Jahr verfiel er in eine sehr schwere und belastende Phase, die fast 7 Monate anhielt. Er stieß mich immer wieder weg und einen Tag später änderte sich seine Stimmung wieder. Ein ständiges auf und ab. Er zog sich komplett zurück, und vernachlässigte auch Körperhygiene etc. Zum Ende dieser 7 Monate beendete er auch die Beziehung. Er wollte nur noch allein sein. Ich bereue es heute, so sauer gewesen zu sein. Aber manchmal kann man eben seine Gefühle nicht mehr zurückhalten. Auch nicht als verständnisvoller Partner. Nach einer weiteren zweimonatigen Pause fanden wir wieder zusammen. Es ging ihm besser, er meisterte sein Leben und versuchte, immer sehr reflektiert zu sein. Naja - dann kam die Quarantäne. Ich denke, es war noch nie so schlimm wie jetzt. Sein Zustand verschlechtert sich täglich, und aufgrund der Reisebestimmungen (es ist teils eine Fernbeziehung) musste ich das Land verlassen. Ich konnte nicht bei ihm bleiben. Ich hoffe, dass das alles schnell vorüber geht, und wüsche allen viel Kraft in dieser Zeit.
mir geht es genauso. Ich kann Dich so gut verstehen. Mein älterer Bruder, jetzt 57, ist schizophren. Zur Zeit ist er wieder in der Psychiatrie, wie schon so oft. Er lebt in einem Heim, weil er nicht alleine für sich sorgen kann. Er lehnt alle Hilfe ab, zieht sich komplett zurück und lässt keinen an sich ran. Mittlerweile hat er eine Betreuerin, da wir als Familie das nicht mehr leisten konnten. Man möchte so gerne dass es ihm gut geht, aber man kann nicht helfen. Er spricht nicht mit einem, ist manchmal sogar beleidigend und gemein. Und man selbst ist ohnmächtig. Du musst Dich davon abgrenzen, sonst frisst es dich auf. Du bist nicht dafür verantwortlich.
Liebe Grüsse Vivian
mein Bruder ist 24 Jahre und leidet nun auch an der Krankheit. Das Schlimmste, was ihm passiert ist, ist: Keiner aus seiner Familie hat ihm geholfen. Jetzt ist er in der Psychiatrie, weil er jemanden verletzt hat. Ich hoffe, dass ich bald mit der Krankheit umgehen kann.
Ich unterstütze meinen Partner in sehr vielen Dingen, versuche ihn zu ermutigen, an alltäglichen Dingen dran teilzunehmen (in einem Verein z.B.)!
Bloß nicht ausgrenzen, es gibt nichts Schlimmeres!
habe selbst einen schizophrenen Sohn (momentan in einer Klinik, er wurde zwangseingewiesen).
Erkrankte wollen sich nicht helfen lassen, sie weigern sich vehement. Wollte meinen Sohn früher auch immer überzeugen, um ihm eine Zwangseinweisung zu ersparen, aber es half nichts, bis er schließlich so aggressiv gegen mich wurde und mir auch gedroht hat mich und sich umzubringen und ich schließlich die Polizei rief. Es war das schrecklichste Erlebnis für mich, meinen eigenen Sohn von der Polizei abgeholt zu sehen. Er verweigerte die ersten 6 Wochen die Medikamente und als er sie dann nahm, ging es ihm auch bald besser und wir konnten wieder richtig miteinander reden. Er wurde nach 10 Wochen entlassen und er war wieder so richtig mein Sohn. Ich durfte ihn auch wieder umarmen und ich sah wie er sich freute, doch leider nahm er seine Medikamente nicht mehr und er veränderte sich wieder. Das Zusammenleben wurde zusehends schwieriger und mein Mann und ich mieteten Ihm eine Wohnung in einer anderen Stadt. Er zog am 15.07.2016 in diese Wohnung ein. Beim Umzug war er relativ gut gelaunt, er freute sich über unsere Umzugshilfen (einräumen, putzen, einkaufen etc.). Ich glaube einen Tag später bekam er eine Akutpsychose. Er hatte Wahnvorstellungen, Erscheinungen, konnte 8 Tage am Stück nicht schlafen und wurde schließlich erneut in dieser anderen Stadt zwangseingewiesen (Nachbarn riefen die Polizei, weil er einen Schreianfall hatte). Das war am 22.07.2016 genau 8 Wochen nach seinem ersten Psychiatrieaufenthalt. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, solche Menschen einweisen zu lassen, aber gibt es denn eine andere Möglichkeit?
Ich war das erste Mal so glücklich, als er wieder zuhause so ganz normal neben mir saß und ich mich mit ihm völlig zwanglos unterhalten habe. Aber er ist so gegen diese Medikamente, welche sein Gehirn auffressen. Ich weiß, wenn er wieder entlassen wird, wird er wieder alles absetzen und die ganze Misere beginnt von vorn. Aber man darf die Hoffnung nicht aufgeben, vielleicht gibt es irgendwann ein Einsehen und wir bekommen unsere Söhne zurück. Kopf hoch!
Ich würde ihn wieder einweisen lassen, man kann doch nicht zusehen, wie sie sich selber zugrunde richten. Allerdings muss für eine Einweisung immer eine Selbst- bzw. Fremdgefährdung vorliegen, d.h. er muss drohen sich oder anderen was anzutun.
An mich 'kommt man ganz gut ran', solange die Absicht positiv ist. Ebenfalls "realisiere" ich ganz gut, dass das eingebildet ist.. Allerdings gibt es einige Sachen, die Wissenschaftler noch nicht wissen (möchte hier Beispiele nennen, tritt aber bei jedem Menschen auf). Damit sie (dummerweise) nicht glauben, ich hätte es durch meinen schizophrenen Zustand ausgedacht; ich habe die Info von 'Gesunden' Menschen.
Beigefügt: Sie werden in Ihrem Leben wohl nie drauf kommen, aus welchem Grund Leute erkranken. Auch das ist von einer 'Gesunden' Quelle ;)
ich bin 15 Jahre alt und habe heute erfahren, dass mein ein jahr jüngerer Bruder an dieser Krankheit leidet.
Wir wussten schon immer, dass er nicht wie alle anderen ist, aber die Ärzte meinten, als er 7 Jahre alt war, dass es das ist, was sich aber erst heute rausstellte, dass es ja nicht so ist. Ich würde gerne mit ihm mehr unternehmen, ihn ganz oft sehen, aber er lebt weit weg in einem Heim, seit er 9 Jahre alt ist.
Jetzt ist er 14 und fängt an, mir echt Sorgen zu machen. Er kapselt sich ab, redet mit niemandem, er denkt, er ist ein Außenseiter und niemand liebt und versteht ihn, aber wie kann ich ihm das gegenteil beweisen?
Ich weiß nicht mehr weiter, immerhin ist er mein kleiner Bruder, den ich von ganzem Herzen liebe!
wiedergesehen. Er hat sein leben gut im Griff. Seit wir beide uns kennen, geht es ihm wesentlich besser. Ich bin die erste Frau, der er sich öffnet und der er vertraut. Auch das Hören von Stimmen hat sich wesentlich verbessert. Diese Menschen brauchen viel Liebe und Vertrauen. Wir haben uns sehr lieb.