Wie bemerkt man bei anderen eine Schizophrenie?
Zuletzt aktualisiert am 22. Dezember 2017 um 09:31 Uhr 22. Dezember 2017 um 07:28 Uhr
Sind Ihnen in letzter Zeit bei einem Angehörigen oder einem guten Freund merkwürdige Dinge aufgefallen? Verhält er oder sie sich irgendwie anders als sonst oder redet manchmal unverständlich daher? Eine Schizophrenie kann sich auf vielfältigen Wegen anbahnen.
Verkehrte Wirklichkeit
Oft sind es enge Bezugspersonen, denen die ersten Veränderungen auffallen. Der Betroffene selbst nimmt die Anzeichen oft nicht war. Es gehört zum Wesen der Erkrankung, dass sie dem Gehirn etwas vorgaukelt, was gar nicht real ist und von anderen nicht wahrgenommen wird.
Für den Schizophrenen wird es in dem Moment jedoch mit jeder Faser seines Körpers und Geistes zur gefühlten Wirklichkeit. Ihm erscheint sein Verhalten daher keineswegs sonderbar. Er ist überzeugt davon, das Richtige zu tun. Was kann das nun alles sein?
Anders denken, fühlen und handeln
Die Symptome einer Schizophrenie lassen sich unterschiedlichen Bereichen zuordnen. Sie spielen sich auf der Ebene des Denkens, der Wahrnehmung, des Gefühls, des Handeln und des Erlebens des eigenen Ichs in seiner Umwelt ab.
Wie sich die Erkrankung bemerkbar macht, ist individuell ganz verschieden. Es hängt u.a. von der jeweiligen Form der Schizophrenie ab, die man oft erst im Verlauf erkennen kann. Eine wichtige Rolle spielt auch der Krankheitsbeginn. In der Kindheit fallen typischerweise andere Symptome auf als im frühen Erwachsenenalter.
Ein paar Beispiele aus der Praxis können vielleicht eine Ahnung vermitteln, unter welchen Gesichtern sich eine Schizophrenie zeigen kann:
Die Intrige
Jemand erzählt Ihnen im vertraulichen Gespräch, dass es im Moment schwierig sei auf der Arbeit. Er fühle sich nicht mehr wohl dort, weil seine Kollegen offensichtlich etwas gegen ihn hätten und versuchten, ihn loszuwerden. Dabei griffen sie in letzter Zeit zu immer drastischeren Mitteln. Die Sache würde ihm langsam zu bunt.
Neulich etwa hätte ihn einer ganz scheel von der Seite angesehen und beim Arbeiten beobachtet. Wahrscheinlich, um etwas zu finden, womit er ihn kompromittieren könne. Außerdem verliere er zunehmend die Kontrolle über seine Gedanken. Er fühle sich wie ein offenes Buch, das von allen gelesen werden könne.
Es lebe der neue König!
Aufgekratzt und guter Dinge eröffnet der Ehemann seiner Frau beim Frühstück, dass heute seine Krönung zum König bevorsteht. Gestern schon hätten ihm die Leute auf der Straße zugewunken und ihm gehuldigt. Und die Autos hätten im zugeblinkt. Ihm stünden von nun an große Aufgaben bevor.
Die gläserne Wohnung
Ihre Freundin macht sich in letzter Zeit an der gemeinsamen Wohnung zu schaffen. Anfangs dachten Sie, sie wolle sie nach all den Jahren einfach mal etwas umgestalten und empfanden das selbst als gute Idee. Doch dann kamen ihnen die Maßnahmen irgendwie seltsam und übertrieben vor.
Sie sprechen Ihre Freundin also an, was es mit den vielen Vorhängen und Tüchern auf sich habe und ob die Wohnung so nicht zu dunkel wird. Völlig perplex reagiert sie und fragt, ob es Ihnen vielleicht lieber wäre, wenn alle Welt ihr Privatleben mitverfolgen würde. Sie sollten nur mal aus dem Fenster sehen. Das schwarze Auto gegenüber sei mit einer kompletten Abhörmaschinerie ausgestattet. Als nächstes würden sie ihre Wohnung verwanzen.
Wie im Himmel
Ein guter Bekannter zeigt Ihnen Urlaubsfotos und erzählt von einer schönen Gebirgswanderung. Unterwegs sei er an einer kleinen Kapelle vorbeigekommen. Plötzlich habe sie zu schweben begonnen und in den herrlichsten Farben geleuchtet. Genauso müsse beim Jüngsten Gericht die Pforte zum Paradies aussehen!
Oft auch viel unscheinbarer
Das sind alles sehr drastische und eindrückliche Beispiele. Nicht immer zeigt sich eine Schizophrenie derart ausgeprägt. Gerade am Anfang können auch nur sehr flüchtige, unmerkliche Anzeichen aufkommen, die lange auch dem Umfeld gar nicht auffallen.
Die eindeutigen Symptome wie Halluzinationen und Wahnvorstellungen, wie sie oben beschrieben sind, werden oft als erstes mit der Erkrankung in Verbindung gebracht. Man nennt sie auch Positiv- oder Plussymptome, da sie von einem Überschuss im Erleben, Wahrnehmen und Handeln gekennzeichnet sind.
Im Verlauf ist die Erkrankung jedoch oft vielmehr von einer fortschreitenden Negativ- oder Minussymptomatik geprägt, was weniger bekannt ist. Hierzu gehören Antriebs- und Freudlosigkeit sowie ein zunehmender sozialer Rückzug.
Wichtig: Spätestens dann, wenn das normale Leben nicht mehr funktioniert, berufliche Verpflichtungen und soziale Kontakte vernachlässigt werden und der Alltag nicht mehr gemeistert werden kann, ist es wichtig, sich Hilfe zu holen. Hier sind meist die Bezugspersonen gefragt, den oft langwierigen, mühsamen Weg zum Arzt zu bahnen.
Autorin: Eva Bauer (Ärztin)
es ist sehr verständlich, dass Dich das Verhalten Deines Freundes beunruhigt und Du Dich fragst, was mit ihm los ist und wie Du ihm helfen kannst. Wir können und dürfen aus der Ferne allerdings keine Mutmaßungen anstellen oder gar diagnostische Aussagen treffen. Dein Freund scheint immerhin betreut und in ärztlicher Behandlung zu sein. Wenn Du selbst weitere Fragen hast und Dich um ihn sorgst, kannst Du Dich z. B. an eine psychologische Beratungsstelle wenden. Vielleicht findest Du auch in Selbsthilfegruppen für Angehörige psychisch kranker Menschen Ansprechpartner, die Dich unterstützen können.
Alles Gute für Dich und Deinen Freund!
Redaktionsteam Navigator
MfG Jacqueline Rehn