Verursacht eine Multiple Sklerose Schmerzen?
Zuletzt aktualisiert am Mittwoch, den 24. April 2019 um 12:14 Uhr Dienstag, den 28. Februar 2012 um 12:57 Uhr
Schmerz ist sicher kein Leitsymptom der Multiplen Sklerose. In der Regel stehen andere Beschwerden im Mittelpunkt. Und die MS-Herde selbst sind auch nicht schmerzhaft.
Daraus aber den Schluss zu ziehen, Menschen mit Multipler Sklerose hätten kein Problem mit Schmerzen, ist definitiv falsch. Denn auf vielfältige Art können auch bei der MS Schmerzen entstehen, die im Verlauf der Erkrankung sogar zunehmen und chronisch werden können – mit nachvollziehbar negativer Auswirkung auf die Lebensqualität.
Verschiedene Schmerztypen
Bei der Multiplen Sklerose werden in der Regel zwei Hauptarten von Schmerzen unterschieden:
- neurogene/neuropathische Schmerzen
- nozizeptive Schmerzen
Die neurogenen bzw. neuropathischen Schmerzen entstehen durch Schädigungen schmerzleitender Nervenfasern oder schmerzverarbeitender Nervenzellen infolge der MS-Entzündungsherde im ZNS (Gehirn und Rückenmark).
Nozizeptive Schmerzen werden hingegen durch eine Stimulierung der Schmerzrezeptoren für Gewebeverletzungen (Nozizeptoren) hervorgerufen. Diese liegen überwiegend in der Haut und in den inneren Organen. Sie warnen das Gehirn vor möglichen Schädigungen an Muskeln, Knochen und anderen Geweben.
Schmerzhafte Missempfindungen durch verletzte Nerven
Infolge der MS-Entzündungsläsionen im ZNS (Zentralnervensystem) kann es dazu kommen, dass insgesamt der Empfang, die Verarbeitung und Weiterleitung von Signalreizen (Wärme, Kälte, Schmerz etc.) gelegentlich oder gar dauerhaft gestört werden. Die Nervenschädigungen führen dann zu Wahrnehmungsstörungen bestimmter Reize, bei denen beispielsweise bereits eine leichte Berührung der Haut plötzlich als schmerzhaft empfunden wird.
Zu den neuropathischen Schmerzen bei MS gehören u. a.:
- Trigeminusneuralgie (starke, einschießende Gesichtsschmerzen)
- Lhermitte-Zeichen (elektrisierendes Schmerzgefühl, das bei Beugung des Kopfes nach vorn durch den ganzen Körper zieht)
- brennende, kribbelnde Missempfindungen der Beine und Füße ("Ameisenlaufen")
- Einschnür- oder Schwellungsgefühl der Gelenke oder des Brustkorbs ("Panzergefühl")
- Optikusneuritis (bei einer Sehnervenentzündung auftretende, stark stechende Schmerzen unter Augenbewegungen)
Schmerzen durch gereizte Signalempfänger
Bei den im Rahmen der MS auftretenden nozizeptiven Schmerzen stehen dagegen u. a. Muskel- und Kopfschmerzen im Vordergrund. Diese gehören zu dem Typus, den wir alle als "normalen" Schmerz kennen. Er entsteht durch eine Reizung der Schmerzrezeptoren.
Vor allem MS-Betroffene mit Muskelsteifheit, Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen haben infolgedessen nicht selten mit schmerzhaften Überlastungen im Bereich der Arm-, Bein- und Rückenmuskulatur zu kämpfen. Aber auch die durch eine Spastik provozierten schmerzhaften Muskelverspannungen gehören in diese Kategorie.
Individuelle Behandlungsstrategie wählen
Je nachdem, unter welcher Schmerzart Sie leiden, wird entschieden, welche Therapie für Sie die vielversprechendste ist. Während nozizeptive Schmerzen zum Teil recht gut auf klassische Schmerzmedikamente (z. B. Ibuprofen, Paracetamol) ansprechen, wird zur Behandlung neurogener Schmerzen eher auf Antidepressiva, Antiepileptika oder auch Opioide (morphinähnliche, stark wirkende Arzneimittel) zurückgegriffen.
Meist treten im Verlauf der MS jedoch beide Schmerztypen kombiniert auf. In der Behandlung dieser oft chronisch verlaufenden Schmerzen hat es sich deshalb bewährt, unterschiedliche Therapiemaßnahmen miteinander zu verknüpfen.
Behandlung von Schmerzen bei Multipler Sklerose durch eine Kombination aus:
- Medikamenten
- Physio- und Ergotherapie
- Verhaltenstherapie
- Entspannungsverfahren
- ggf. Operation (im Einzelfall, z. B. bei therapieresistenter Trigeminusneuralgie)
Fazit am Schluss
Unabhängig von der individuellen Schmerzbehandlung sollten alle Betroffenen eines gemeinsam haben: eine effektive MS-Basistherapie mit einem verlaufsmodifizierenden Arzneimittel. Schließlich ist die Ursache des ganzen Dilemmas ja die MS, und die sollte vorrangig in Angriff genommen werden.
Autoren: Dr. med. Julia Hofmann, Dr. med. Sonia Trowe