Interferon beta-1a und beta-1b: Wirkung und Nebenwirkungen
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- Zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 22. Februar 2023 13:45
Welche Nebenwirkungen können unter einer Therapie mit Interferon bei Multipler Sklerose auftreten? Was hilft gegen Grippe-artigen Beschwerden? Und macht Rauchen immun gegen Interferon? Diese und weitere Fragen beantworten wir in folgendem Beitrag.
Einführung
Welche MS-Medikamente zählen zu den Interferonen?
Die drei Interferon-Präparate gegen Multiple Sklerose im deutschen Arzneihandel sind zur Zeit (Mai 2011) Avonex®, Betaferon® und Rebif®.
Alle drei gehören chemisch zur Klasse der sogenannten Beta-Interferone, Avonex® und Rebif® zur Untergruppe 1a, Betaferon® zur Untergruppe 1b.
Wirkung
MS: Stimmt es, dass die Wirkung des Interferons nach einiger Zeit nachlässt?
Pauschal stimmt das nicht. Aber bei einigen der Behandelten kann es unter der Interferon-Therapie zur Bildung von Antikörpern kommen, und die schwächen dann mitunter tatsächlich die Wirkung ab. Wenn das passiert, dann meist 6 bis 24 Monate nach Behandlungsbeginn.
Warum nur "mitunter"? Es gibt auch Antiköper, die die Wirksamkeit des Medikaments nicht herabsetzen. Aber die sogenannten neutralisierenden Antikörper können die Wirksamkeit des Interferons teilweise oder sogar ganz aufheben.
Bemerke ich, dass die Wirkung nachlässt?
Leider gibt es keinen sichtbaren Anhaltspunkt, der auf eine Antikörperbildung hindeutet. Man bemerkt das also nicht unbedingt. Deswegen empfehlen die Ärzte häufig eine intervallartige Testung der Blutwerte.
Einzelne Präparate
Sind Avonex und Rebif das gleiche Medikament?
Nein. Zwar handelt es sich bei beiden Basismedikamenten um Interferon Beta-1a, doch unterscheiden sie sich in der Verabreichungsform und Anwendungshäufigkeit.
Avonex® wird einmal pro Woche in den Muskel gespritzt, Rebif® wird dreimal pro Woche subkutan, d.h. ins Unterhautfettgewebe injiziert. Für beide Medikamente gibt es Injektionshilfen, die die Injektion erleichtern sollen.
Peginterferon beta
Wann ist Peginterferon (Plegridy) eine Option?
Wie Interferon beta-1a ist Peginterferon beta-1a (Plegridy®) ebenfalls für die schubförmig verlaufende MS zugelassen. Der Wirkstoff konnte in den bisherigen Studien die Schubhäufigkeit signifikant verringern und es traten weniger Läsionen im zentralen Nervensystem auf.
Zum Hintergrund: Peginterferon beta-1a ist im Prinzip der gleiche Wirkstoff wie Interferon beta-1a, also das herkömmliche Interferon in der MS-Therapie. Es ist durch eine chemische Modifikation (Die PEGylierung) nur länger im Körper verfügbar, weil es nicht so rasch abgebaut wird. Damit genügt eine Interferon-Spritze alle zwei Wochen, die Häufigkeit des Spritzen-müssens ist also reduziert.
Die Substanz soll wie alle MS-Basismedikamente die entzündliche Aktivität der Multiplen Sklerose bremsen.
Welchen Vorteil hat Peginterferon beta-1a gegenüber herkömmlichem Interferon?
Peginterferon beta-1a (Plegridy®) ist zwar auch ein Beta-Interferon wie die herkömmlichen Interferon-Präparate. Es ist aber durch eine spezielle Aufbereitung länger im Körper verfügbar. Dadurch muss es nur einmal in zwei Wochen gespritzt werden, also seltener als bei den älteren Interferon-Präparaten.
Das ist möglich, weil Polyethylenglykol (PEG) an den Wirkstoff gebunden ist. Das Arzneimittel ist PEGyliert, wie das die Wissenschaftler nennen. Damit ist die Wirksubstanz vor Abbauprozessen geschützt, so dass sie viel länger wirken kann. Peginterferon beta-1a ist besser löslich und zugleich stabiler als Interferon beta-1a.
Wohin und wie oft wird Peginterferon beta-1a gespritzt?
Peginterferon beta-1a (Plegridy®) muss seltener als das herkömmliche Interferon gespritzt werden. Und zwar alle zwei Wochen. Das Medikament wird also alle 14 Tage gespritzt.
Die Spritzen erfolgen in das Unterhautgewebe (subkutane Verabreichung), also zum Beispiel in den Bauch oder Oberschenkel. Im Normalfall erhält man dazu Fertigspritzen und kann sich den Wirkstoff selbst injizieren.
Zum Hintergrund: Die etwas geringere Spritz-Frequenz rührt daher, dass Peginterferon beta-1a langsamer im Körper abgebaut wird als dies bei den herkömmlichen Interferon-Präparaten der Fall ist. Dadurch können die Abstände zwischen den Spritzterminen größer sein.
Nebenwirkungen
Welche Nebenwirkungen können unter Interferon oder Peginterferon auftreten?
Die möglichen Nebenwirkungen von Peginterferon beta-1a entsprechen in etwa denen von anderen Interferon-Präparaten. Es handelt sich ja praktisch auch um den gleichen Wirkstoff, nur dass er länger im Körper verweilt und deshalb seltener gespritzt werden muss.
Nebenwirkungen treten vor allem zu Beginn der Behandlung auf. Dabei kommen hauptsächlich Nebenwirkungen an der Einstichstelle vor. Hautötungen, Schwellungen, Entzündungen, Verfärbungen und Schmerzen sind möglich. Relativ häufig beschreiben Anwender auch grippeartige Beschwerden nach der Injektion. Dies können zum Beispiel Kopf- und Gliederschmerzen, Fieber, Muskelschmerzen und Übelkeit sein.
Darüber hinaus sind in seltenen Fällen auch schwere bis bedrohliche Nebenwirkungen möglich, wie das auch bei den anderen MS-Basismedikamenten der Fall ist. Eine vollständige Liste aller jemals dokumentierten Nebenwirkungen entnehmen Sie bitte dem Beipackzettel.
Nebenwirkungen von Interferon beta: Was muss ich beachten?
Verschwinden anfängliche Nebenwirkungen unter einer Interferon-Therapie?
Ja, das ist sogar recht häufig der Fall. Probleme wie Hautreaktionen und grippeähnliche Beschwerden verflüchtigen sich erfahrungsgemäß oft mit längerer Behandlungsdauer, so dass es meistens nicht notwendig wird, das Medikament abzusetzen.
Verbessern sich die Nebenwirkungen aber auch langfristig nicht, sollten Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin den Wechsel auf ein anderes Therapie-Schema besprechen.
Die drei Interferon-Präparate gegen Multiple Sklerose im deutschen Arzneihandel sind zur Zeit (Mai 2011) Avonex®, Betaferon® und Rebif®.
Interferon-Behandlung: Was kann man gegen die Nebenwirkungen tun?
Um die Nebenwirkungen besonders zu Beginn der Interferon-Therapie gering zu halten, ist es sinnvoll, die Behandlung einschleichend zu starten. Das heißt, man nimmt zunächst eine geringere Dosis und steigert die dann langsam.
So kann man anfangs durchaus erst mit der halben oder einem Viertel der vorgesehenen Dosis beginnen. Auf diese Weise lassen sich unter anderem die Reaktionen rund um die Einstichstelle reduzieren. Auch eine Kühlung der betreffenden Hautstelle vor und nach der Injektion ist hilfreich, um Hautirritationen wie Brennen oder Rötungen zu vermindern.
Mit welchen anderen Medikamenten muss man vorsichtig sein, wenn die MS mit Interferon behandelt wird?
Interferone können die Leberfunktion stören. Deshalb muss man insbesondere bei weiteren Arzneimitteln, die dem Leberstoffwechsel unterliegen, aufpassen und ggf. die Leberwerte engmaschig kontrollieren.
Zu nennen sind hier Medikamente gegen Krampfanfälle (Epilepsie), Depressionen, Herzrhythmusstörungen oder auch Hormonpräparate. Regelmäßige Kontrollen des Blutes und der Leberfunktion sind dann besonders wichtig.
Interferone können zudem die Anzahl der für die Blutgerinnung wichtigen Blutplättchen reduzieren. Deshalb ist Vorsicht geboten bei der hochdosierten Verabreichung gerinnungshemmender Substanzen wie Heparin oder Marcumar®.
Wie häufig müssen während einer Interferon-Behandlung die Blutwerte kontrolliert werden?
Eine Interferon-Behandlung kann die Leber belasten. Deshalb sind zur Sicherheit regelmäßige Kontrollen der "Leberwerte" im Blut notwendig.
Eine Untersuchung des Blutbildes mit besonderem Augenmerk auf die Leberenzyme wird bereits vor Behandlungsbeginn vorgenommen, um später vernünftig vergleichen zu können. Weitere Kontrollen folgen nach vier bis sechs Wochen und dann nach drei Monaten.
Im weiteren Verlauf reichen Blutbildkontrollen und die Bestimmung der Leberfunktion alle drei bis zwölf Monate.
Welche Alternativen gibt es bei Haut-Nebenwirkungen des Interferons?
Bei Hautunverträglichkeiten durch subkutan gespritztes Interferon kann man auf eine intramuskuläre Verabreichungsform wechseln. Das ist generell eine Alternative, also auch ohne, dass Nebenwirkungen an der Haut auftreten.
Aber auch andere Basismedikamente als Interferone kommen natürlich in Betracht. Da es hier sehr auf die individuelle Situation ankommt, gerade was das Ausmaß der Hauterscheinungen angeht, sollten Sie diese Entscheidung gemeinsam mit Ihrem behandelnden Arzt sorgsam abwägen. Eine Pauschalempfehlung kann man hier gar nicht geben.
Grippebeschwerden, Depressionen & Co.: Was kann ich tun?
Was kann man gegen Grippe-Beschwerden durch die Interferon-Behandlung tun?
Grippeähnliche Beschwerden nach der Behandlung mit Interferon sind relativ häufig. Um das abzumildern, empfiehlt es sich, etwa vier Stunden vor der Behandlung und möglicherweise wiederholt vier Stunden danach ein Schmerzmedikament wie Paracetamol oder Ibuprofen einzunehmen.
Ibuprofen erwies sich in einer Studie als am wirksamsten. Außerdem sollte man das Interferon abends vor dem Schlafengehen spritzen, denn während des Schlafes nimmt man die Beschwerden kaum wahr.
Leberwerte unter Interferon-Behandlung erhöht: Was tun?
Das kommt darauf an, wie hoch die Leberwerte im Blut tatsächlich ansteigen. Und das auch in Bezug auf die Ausgangswerte vor Beginn der Behandlung.
Beim Auftreten stark erhöhter Leberwerte (bis zum Zwanzigfachen des Normalwerts) muss die Behandlung mit Interferon vorübergehend ausgesetzt werden, bis sich die Werte wieder normalisiert haben. Ansonsten würde man die Leber zu stark belasten. Anschließend kann mit der Behandlung – zunächst meist mit einer geringeren Dosierung – wieder begonnen werden.
Bekommt man das Problem überhaupt nicht in den Griff, muss natürlich auch der Wechsel auf ein anderes therapeutisches Vorgehen erwogen werden.
Stimmt es, dass eine Interferon-Behandlung zu Depressionen führen kann?
Zumindest gibt es Beobachtungen, dass eine Interferon-Therapie bei Menschen, die schon einmal unter einer Depression gelitten haben, ein Wiederauftreten begünstigen kann.
Allerdings ist das nach Ansicht von Experten kein Grund, auf eine Interferon-Therapie zu verzichten, wenn es in der Vorgeschichte eine Depression gab. Dafür ist der Zusammenhang nicht eindeutig genug. Der Entstehungsmechanismus einer Depression ist so komplex, dass es ohnehin fast nie gelingt, eine einzige Ursache auszumachen. Hier spielen genetische, körperliche und seelische Faktoren zusammen. Außerdem kann natürlich allein die Diagnose MS Auslöser einer depressiven Verstimmung sein, manchmal in der unklaren Anfangsphase oder auch während eines MS-Schubes.
Besteht allerdings eine akute Depression, raten viele Ärzte von einer Interferon-Behandlung ab und empfehlen den Wechsel auf einen anderen Wirkstoff.
Absetzen
Interferon wegen Nebenwirkungen abgesetzt: Muss ich mit einem MS-Schub rechnen?
Wenn die Basisbehandlung mit einem Interferon-Präparat abgesetzt wird, zum Beispiel wegen zu hoher Leberwerte, ist ein plötzlich auftretender Schub eher unwahrscheinlich. Denn die Wirkung des Interferons hält normalerweise noch eine ganze Weile an.
Generell gibt es hier kaum verlässliche Vorhersagemöglichkeiten. Ob und wann sich eine Zunahme der MS-Aktivität wegen des Absetzen der Medikamente einstellt, ist individuell sehr unterschiedlich. Studien, was die Prognose beeinflusst, gibt es nicht. Im besten Fall kann es auch passieren, dass auf lange Sicht überhaupt nichts passiert.
Probleme
MS: Was sind neutralisierende Antikörper?
Neutralisierende Antikörper können unter der Behandlung mit Interferonen entstehen und die Wirksamkeit der Therapie einschränken oder aufheben. Etwa ein Drittel der Behandelten bildet solche neutralisierenden Antikörper.
Dies macht sich möglicherweise durch vermehrt auftretende Schübe, Vermehrung und Vergrößerung von Läsionen und einer symptomatischen und klinischen Verschlechterung bemerkbar.
Allerdings ist die Bedeutung der Antikörper noch nicht ganz klar. So kann die Menge der Antikörper innerhalb kurzer Zeit sehr schwanken, so dass sich zunächst sehr hohe Antikörpertiter nachweisen lassen, die drei Monate später nicht mehr messbar sind. Zudem können auch Menschen mit hohen Antikörpertitern einen normalen Behandlungsverlauf aufweisen. Und es haben auch einige Menschen diese Antikörper, obwohl sie noch niemals Interferon Beta erhielten.
Sollte man bei einer Interferon-Behandlung testen, ob sich neutralisierende Antikörper gebildet haben?
Inwieweit eine Antikörper-Testung als Routinemaßnahme durchgeführt werden sollte, ist umstritten. Dafür spräche, dass man den damit einhergehenden Wirkungsverlust sonst oft erst dann bemerkt, wenn sich die Symptome verschlechtern.
Spätestens aber, wenn die Beschwerden und Befunde auf einen Wirksamkeitsverlust der Interferon-Therapie hindeuten, ist es sinnvoll, die Antikörper zu bestimmen. Bei nachgewiesenen hohen Blutwerten ist nach einiger Zeit eine Wiederholungsuntersuchung nötig. Bei weiterhin bestehenden hohen Antikörper-Titern sollte die Behandlung umgestellt werden.
Rauchen kann gegen Interferon immun machen - stimmt das?
Wer als MS-Betroffener Interferon spritzt und gleichzeitig raucht, hätte jetzt vielleicht noch einen Grund mehr, sich künftig vom Glimmstengel fernzuhalten:
Eine aktuelle Studie mit 695 Teilnehmern zeigte, dass MS-Patienten, die während ihrer Therapie mit Interferon-Beta-1a regelmäßig rauchen, deutlich öfter Antikörper gegen das Medikament entwickeln als Nichtraucher.
Diese Antikörper neutralisieren das Interferon und können dazu führen, dass seine Wirkung und damit der Behandlungserfolg relevant absinkt. Auf diesen negativen Effekt haben bereits früher mehrere kleine Erhebungen hingewiesen.
Für die vorliegende schwedische Studie wurden nun gezielt und in größerem Umfang Krankenblätter, Blutwerte und Rauchgewohnheiten von Patienten ausgewertet. Interessanterweise war die Antikörperbildung wieder normal niedrig, wenn die Patienten im Jahr vor Therapie und Untersuchung mit dem Rauchen aufgehört hatten.
Zugrundeliegende Studie
Smoking and risk of treatment-induced neutralizing antibodies to interferon β-1a. Multiple Sclerosis Journal, first published on August 7, 2013
Kommentar
Dass Rauchen der Gesundheit schadet, gilt für MS-Patienten offenbar in ganz besonderem Maße. Die Ergebnisse der Studie fügen dieser Erkenntnis nur noch ein weiteres Indiz hinzu. Auch andere Untersuchungen deuten immer wieder den besonders negativen Zusammenhang zwischen Zigarettenkonsum und Multipler Sklerose an: So zeigen einige Studien, dass bei Rauchern die Krankheit oft deutlich schneller voranschreitet und auch Ausfälle signifikant häufiger bzw. stärker sind als bei nichtrauchenden Vergleichsgruppen mit MS. Viele Gründe also, ernsthaft ans Aufhören zu denken – nicht nur, wenn man gleichzeitig Interferon spritzt.
Wann nicht?
MS: In welchen Situationen sollte auf Interferon verzichtet werden?
Interferon-Präparate gehören zur Basistherapie bei der Multiplen Sklerose (MS), aber es gibt auch Situationen, in denen sie nicht in Betracht kommen. So ist zumindest Vorsicht ist angebracht, wenn zusätzlich zur MS eine Depression besteht. Denn eine Interferon-Therapie kann Depressionen verschlimmern.
Weitere sogenannte Gegenanzeigen (Kontraindikationen) für Interferon Beta sind:
- schwere Leberfunktionsstörungen
- schwere Nierenerkrankungen
- Allergien gegen Interferon-Wirkstoffe
Und dann gibt es natürlich auch noch die "persönliche Kontraindikation": Es gibt auch Menschen mit Multipler Sklerose, die eine Interferon-Therapie für sich ablehnen. Weil sie an der Wirksamkeit zweifeln und/oder die Nebenwirkungen für zu heftig halten. Das ist zwar allem Anschein nach eine Minderheit und die meisten "Experten" raten von einer solchen Haltung ab, aber Erwähnung finden sollte sie schon.
Kinderwunsch, Schwangerschaft und Stillzeit
Sowohl während der Schwangerschaft als auch in der Stillzeit kann die Therapie mit Interferon laut dem Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie und dem Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité Berlin fortgesetzt werden (Stand 2023).
Ob Sie die Medikation während der Schwangerschaft weiternehmen sollten oder eine Pause angebracht ist, besprechen Sie am besten mit Ihrem Neurologen; ein kurzzeitiges Absetzen des Interferons ist eventuell möglich, da die Krankheitsaktivität der MS im Laufe der Schwangerschaft (v. a. im dritten Trimenon) häufig sinkt. Fällt die Entscheidung zugunsten einer durchgängigen Therapie, ist dies laut Experten während der gesamten Schwangerschaft vertretbar. Denn nach aktuellem Wissensstand sind keine negativen Konsequenzen für das Kind zu befürchten.
Gefahr von Fehlgeburt und Missbildungsrisiko durch Interferon – wahr oder falsch?
Früher stand man der Interferon-Behandlung während der Schwangerschaft noch kritisch gegenüber, denn es bestand der Verdacht auf ein erhöhtes Fehlgeburts- und Fehlbildungsrisiko. Neue Studiendaten sprechen allerdings gegen eine schädigende Wirkung auf das ungeborene Kind, sodass heutzutage für werdende Mütter ein Weiterführen der Therapie mit Interferon akzeptabel ist.
Schadet Stillen unter Interferon dem Kind?
Nein. Unter Interferon beta-1b und -1a kann uneingeschränkt gestillt werden. Bei gestillten Kindern von Interferon-behandelten Müttern sind bisher keine Krankheitszeichen oder sonstige Auffälligkeiten aufgetreten (Stand 2023).
Wissenswertes
Kommt Interferon auch natürlicherweise im menschlichen Körper vor?
Ja, Interferon gehört mit seinen zahlreichen Untergruppen (Alpha-Interferone, Beta-Interferone u.a.) zu den sogenannten Zytokinen. Zytokine sind körpereigene Botenstoffe, die eine zentrale Rolle im Immunsystem des Menschen spielen.
Interferone sind im Prinzip Abwehrzellen, die einerseits das Immunsystem aktivieren, andererseits auch direkt gegen Tumorzellen oder Viren vorgehen können. Interferone werden von den weißen Blutkörperchen (Leukozyten) gebildet (z.B. den T-Lymphozyten), aber auch von Monozyten und Fibroblasten, also weiteren Blut- und Bindegewebszellen, die im Körper Polizeiaufgaben haben.
Warum heißen Interferone Interferone?
Die Bezeichnung Interferon ist abgeleitet vom englischen Verb "to interfere" (= sich einmischen, eingreifen). Nimmt man es genau, könnten also alle (wirksamen) Medikamente Interferon heißen.
Es handelt sich bei den Interferonen um körpereigene Botenstoffe, die in zahlreiche Prozesse des Immunsystems eingebunden sind. Sie gehören zur Gruppe der sogenannten Zytokine.
Quellen:
- Gebrauchsinformation: Avonex® 30 Mikrogramm/0,5 ml Injektionslösung. Herausgeber: Biogen Idec Limited. www.biogen.at.
- Gebrauchsinformation: Plegridy® 63 Mikrogramm Injektionslösung in einer Fertigspritze. Herausgeber: Biogen Idec Limited. www.biogen.at.
- Rebif® 44 Mikrogramm Injektionslösung (2018). Herausgeber: Merck Europe B.V. www.merckgroup.com.
- Betaferon® Professional Information (2021). Herausgeber: Bayer (Pty) Ltd. www.bayer.com.
- Interferon beta-1a. Herausgeber: Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie und Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité Berlin. www.embryotox.de.
- Interferon beta-1b. Herausgeber: Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie und Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité Berlin. www.embryotox.de.