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Im folgenden Beitrag haben wir für Sie nicht nur die wichtigsten Informationen zur Wirkungsweise, korrekten Einnahme und zu möglichen Nebenwirkungen von Atorvastatin (Sortis®) zusammengestellt, sondern auch kritische Meinungen zu Statinen unter die Lupe genommen. Warum zum Beispiel ältere Personen nicht immer von einer cholesterinsenkenden Therapie profitieren und welche Folgen die Statin-Einnahme für Diabetiker zum Teil haben kann, lesen Sie in diesem Artikel.

Mehr zum Thema: Statine – Schaden sie mehr als sie nutzen?

Lesen Sie auch: Kommentar: das zweifelhafte Geschäft mit Cholesterinsenkern

Basiswissen

Was für ein Medikament ist Atorvastatin (Sortis)?

Atorvastatin ist ein Cholesterinsenker aus der Gruppe der sogenannten Statine. Der Handelname ist Sortis®.

Statine hemmen die Aktivität eines bestimmten Enzyms (HMG-CoA-Reduktase), das bei der Herstellung von "schlechtem" Cholesterin", dem "Low Density Lipoprotein" (LDL), beteiligt ist.

Atorvastatin: die Wirkungsweise im Detail

Wie genau schützt Atorvastatin vor Herz- und Gefäßerkrankungen?

Dafür ist es wichtig zu wissen, dass Erkrankungen wie Atherosklerose, koronare Herzerkrankung und Herzinfarkt durch Ablagerungen in den Gefäßwänden entstehen. Diese Ablagerungen bestehen zum größten Teil aus bestimmten Lipiden und Cholesterin. Deshalb ist es ratsam, bei erhöhten Cholesterin-Werten, bzw. LDL-Werten, frühzeitig gegenzusteuern, um Schlimmeres zu verhindern.

Genau hier kommen Medikamente wie Statine, darunter auch Atorvastatin, zum Einsatz. Der Wirkstoff hemmt ein wichtiges Enzym (HMG-CoA-Reduktase), welches normalerweise die Produktion von LDL, also des „schlechten“ Cholesterins, erhöht. Durch die Einnahme des Atorvastatins, wird diese Produktion also langfristig reduziert und die LDL-Konzentration im Blut sinkt. Gleichzeitig wird die Aufnahme und dadurch auch der Abbau des übrigen LDL in der Leber gesteigert. Die LDL-Werte werden also über zwei unterschiedliche Ansatzpunkte gesenkt.

Wie lange dauert es, bis die Wirkung von Atorvastatin einsetzt?

Da erhöhte Cholesterin-Werte nicht direkt mit Beschwerden verbunden sind, merken Sie normalerweise auch keine Veränderungen durch die Einnahme von Atorvastatin. Was sich hingegen verbessern sollte, sind Ihre LDL-Werte im Blut.

In der Regel wird vor Beginn der Behandlung von Ihrem Arzt ein Zielwert für das LDL festgelegt. In regelmäßigen Abständen wird dann Blut abgenommen, um zu kontrollieren, welche Dosierung von Atorvastatin die richtige für Sie ist.

Einnahme

Wie muss ich Atorvastatin einnehmen?

Atorvastatin wird in Tablettenform eingenommen. Die Dosierung kann dabei langsam gesteigert werden, manchmal wird auch direkt mit der Zieldosis begonnen. Wenn die Dosis bei Ihnen langsam gesteigert wird, muss immer ein gewisser Abstand zwischen den Dosisänderungen liegen – in der Regel etwa vier Wochen. Von Mal zu Mal wird dann die Menge des Atorvastatin erhöht, bis die geeignete Dosis gefunden ist.

Im Gegensatz zu manchen anderen Statinen kann Atorvastatin zu jeder Tageszeit und unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden.

Atorvastatin: wichtige Tipps und Hinweise zur Anwendung

Was muss ich bei der Einnahme von Atorvastatin beachten?

Mehrere Dinge. Zunächst können bei der Einnahme von Statinen verschiedene Nebenwirkungen auftreten und der Wirkstoff kann sich in manchen Fällen schädigend auf die Leber auswirken. Um das rechtzeitig zu erkennen, werden gerade in der Anfangsphase der Einnahme regelmäßige Kontrollen der Leberwerte durchgeführt. Das heißt, Sie müssen in festgelegten Abständen zum Blutabnehmen gehen.

Außerdem kann es zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und Wirkstoffen kommen. Daher ist es wichtig, dass Ihr Arzt vor Beginn der Atorvastatin-Behandlung alle Ihre Medikamente sorgfältig mit Ihnen durchgeht – geben Sie hier auch alle pflanzlichen Wirkstoffe an, die Sie einnehmen.

Was ist besser, Atorvastatin oder Rosuvastatin?

Beide Wirkstoffe gehören zur Gruppe der Statine und senken den Cholesterin-Spiegel. Welches der beiden Medikamente für Sie besser geeignet ist, entscheidet meistens Ihr behandelnder Arzt. Rosuvastatin wird etwas anders abgebaut als Atorvastatin und ist dadurch weniger anfällig für Wechselwirkungen mit bestimmten Medikamenten, das kann beispielsweise ein Kriterium für die Auswahl des Wirkstoffs sein.

Wenn es unter der Statin-Einnahme zu Nebenwirkungen kommt, wird außerdem häufig auf ein anderes Präparat gewechselt. Welches Statin bei welchem Betroffenen am besten wirkt und vertragen wird, ist aber sehr individuell und kann oftmals auch erst im Verlauf der Behandlung herausgefunden werden.

Nebenwirkungen

Welche Nebenwirkungen können bei Atorvastatin auftreten?

Wie bei allen Statinen können bei der Einnahme von Atorvastatin Nebenwirkungen auftreten. Zu den typischen Beschwerden gehören:

Außerdem kann es unter der Behandlung mit Statinen generell und auch bei Atorvastatin zu einer Schädigung der Leber kommen. Diese kündigt sich im frühen Stadium durch eine Erhöhung der Leberwerte an, weswegen diese gerade in der Anfangszeit der Einnahme regelmäßig über eine Blutabnahme kontrolliert werden müssen.

In schweren Fällen kann es zu „Muskelzerfall“ kommen

Bei ausgeprägten Muskelschmerzen kann auch eine schwere Komplikation der Statin-Einnahme dahinterstecken, die sogenannte Rhabdomyolse. Darunter versteht man in der Medizin die Auflösung bestimmter Muskelfasern, also einen Gewebezerfall der Muskulatur.

Deshalb ist es wichtig, neu aufgetretene Muskelschmerzen bei der Einnahme eines Statins immer zeitnah von Ihrem Arzt untersuchen zu lassen. Möglicherweise hilft bei Ihnen bereits ein Wechsel des Statins, ansonsten kann die Behandlung auch auf andere Medikamente zur Cholesterin-Senkung umgestellt werden.

Muskelschmerzen & Co. bei Atorvastatin: das sollten Sie wissen

Wie schädlich sind Cholesterinsenker?

Statine wie Atorvastatin und andere Cholesterinsenker sind in allererster Linie wichtige Medikamente, die nachgewiesen das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen senken können. Wie bei anderen Medikamenten jedoch auch, können unter der Einnahme Nebenwirkungen auftreten.

Damit diese frühzeitig erkannt und bei der Behandlung berücksichtigt werden können, werden bei der Verordnung von Statinen regelmäßige Kontrollen beim Arzt durchgeführt – zu Beginn in sehr kurzen, später auch in größeren Abständen.

Kann man Atorvastatin einfach absetzen?

Selbstständig und ohne Absprache mit Ihrem Arzt sollten Sie Atorvastatin oder andere Statine nicht einfach absetzen. Wenn Sie Nebenwirkungen feststellen oder den Verdacht haben, dass Sie das Medikament nicht vertragen, suchen Sie aber unbedingt zeitnah Ihren Arzt auf.

Es gibt eine Reihe verschiedener Statine, auf die Sie umgestellt werden können, und auch ein Wechsel auf ein ganz anderes Präparat zur Lipidsenkung ist möglich.

Welche Muskeln schmerzen durch Atorvastatin?

Statine wie Atorvastatin können zu Muskelschmerzen und in seltenen, sehr schweren Fällen auch zu einem Zerfall der Muskulatur führen. Die Schmerzen betreffen die sogenannte Skelettmuskulatur, nicht die glatte Muskulatur der inneren Organe.

Welche Muskeln genau schmerzen und wie ausgeprägt, kann dabei zwischen den Betroffenen variieren. Häufig sind die Waden, Oberschenkel sowie Schulter und Rücken betroffen. Wenn Sie solche Muskelschmerzen bemerken, suchen Sie am besten zeitnah Ihren Arzt auf.

Hilft Coenzym Q10 gegen Muskelschmerzen bei Atorvastatin?

Das ist bis jetzt nicht eindeutig bewiesen, obwohl schon zahlreiche Untersuchungen zum Thema Statine und Q10 veröffentlicht wurden. Allerdings spricht recht viel für eine Q10-Einnahme bei muskulären Beschwerden.

In mehreren Forschungsarbeiten wurde nachgewiesen, dass die Einnahme von Statinen den Q10-Status signifikant reduziert. Es zeigte sich zudem, dass die Cholesterinsenker die Funktion der Mitochondrien (das sind unsere kleinsten Zellkraftwerke) durch die Senkung des Q10 beeinträchtigen können. Laut den Ergebnissen einer tierexperimentellen Studie lassen sich diese Effekte durch eine Vorbehandlung mit Q10 vermeiden.

Fazit

Auch wenn der Q10-Mangel eine wichtige Rolle beim Muskelzerfall spielen könnte (bedingt durch die Fehlfunktion der Mitochondrien), wird derzeit nicht allgemein zur Q10-Einnahme geraten. Dies könnte unter anderem daran liegen, dass nicht ausreichend hochqualitative Studien vorliegen, die zweifellos einen positiven Effekt der Q10-Einnahme belegen.

Somit bleibt es jedem selbst überlassen, ob er einen Therapieversuch mit Q10 bei Muskelbeschwerden starten möchte.

Vergessen Sie aber bitte nicht, Ihre Symptome auch zeitnah mit Ihrem Hausarzt zu besprechen und nehmen Sie nicht nur stillschweigend Q10 ein; denn eventuell kann auch eine gefährliche Rhabdomyolyse (ein starker Muskelzerfall) vorliegen, die durch eine Blutentnahme abgeklärt bzw. ausgeschlossen werden kann.

Gegenanzeigen

Wann darf ich Atorvastatin nicht einnehmen?

Wenn Sie eine bekannte Allergie oder Überempfindlichkeit gegen Atorvastatin haben, dürfen Sie den Wirkstoff auf keinen Fall einnehmen. Auch bei Leber- und Nierenerkrankungen ist Vorsicht geboten.

Außerdem ist der Wirkstoff nicht für die Behandlung von Kindern zugelassen.

Darf Atorvastatin während der Schwangerschaft und Stillzeit eingenommen werden?

Nein, Atorvastatin darf nicht bei Frauen während der Schwangerschaft und Stillzeit eingenommen werden, weil die Gefahr besteht, dass der Wirkstoff das Kind schädigt.
Das Gleiche gilt für Frauen mit Kinderwunsch. Deshalb muss während der Einnahme von Atorvastatin auch strikt auf eine sichere Verhütung geachtet werden, um eine Schwangerschaft unbedingt zu verhindern.

Kritik an der Statintherapie

Atorvastatin und Co. aus einem anderen Blickwinkel

Dass Statine dabei helfen können, einen erneuten Herzinfarkt und Schlaganfall abzuwenden, ist nicht zu bezweifeln. Allerdings gibt es auch Studiendaten und Stimmen, wie z. B. die Verfasser des „Arzneimittelbriefs“ (einer Fachzeitschrift, die sich kritisch mit den Wirkungen und Nebenwirkungen von Arzneimitteln auseinandersetzt), welche die möglichen negativen Aspekte der Statintherapie aufzeigen.

Leider werden all diese Aspekte im Praxisalltag nicht immer ausführlich genug besprochen, weshalb wir für Sie neben den Informationen rund um Effektivität, Indikation und Wirkung der Cholesterinsenker auch einige interessante Ansichten und Forschungsergebnisse zusammengetragen haben, die den Einsatz der Statine kritisch beäugen.

Wir wollen Sie weder von der Einnahme der Cholesterinsenker abbringen, noch Werbung dafür machen – die Medikamente haben ihre Berechtigung in der Medizin und können bei vielen Personen Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhindern. Stattdessen möchten wir Sie gründlich zum Thema Statine informieren und Ihnen dabei helfen, sich selber ein Bild von der aktuellen Daten- und Wissenslage rund um Atorvastatin, Simvastatin und Co. zu machen.

Veränderte Grenzwerte und Verschreibungspraktiken

Werden Statine zu häufig verordnet?

Eine eindeutige, klare Antwort auf diese Frage können wir nicht geben, denn auch die Fachleute sind sich hier uneinig.

Kritische Stimmen beanstanden eine zu großzügige Rezeptierung von Statinen und fordern einen sparsameren Einsatz; doch woran kann die zunehmende Verschreibung der Statine liegen? Ein Grund hierfür ist sicherlich die immer weitere Absenkung der Cholesterin-Grenzwerte. Ein Blutfettspiegel, der früher noch als in Ordnung eingestuft wurde, gilt heute schon als bedenklich und therapiebedürftig: So galt zum Beispiel in den 1980ern ein Gesamtcholesterin-Wert von 250 mg/dl als akzeptabel, wohingegen heutzutage der tolerierbare Spiegel bei unter 190 mg/dl liegt. Sind bei den Betroffenen zudem Risikofaktoren bekannt (z. B. Nikotinkonsum, Bluthochdruck oder Diabetes) sinkt der Grenzwert noch weiter.

So mancher Kritiker wird vermuten, dass dies nicht nur an neuen Studien liegt, die den Vorteil eines immer niedrigeren Cholesterinspiegels aufzeigen, sondern teilweise auch am Interesse der Pharmalobby noch mehr Statine zu verkaufen und ihrem nicht unbeträchtlichen Einfluss.

Niedrigere Cholesterinwerte laut den fachmedizinischen Leitlinien empfohlen

Tatsache ist aber, dass Fachgesellschaften wie die European Society of Cardiology (ESC) und European Atherosclerosis Society (EAS) in ihren Leitlinien die aktuellen, niedrigen Grenzwerte befürworten. Dies basiert auf der fachlichen Meinung anerkannter Experten, welche den Nutzen und das Risiko der Behandlung gegeneinander abwägen und die Aussagekraft neuer Studienergebnisse kritisch beurteilen. Hier wird also eine objektiv begründete, seriöse Meinung vertreten, an der sich die meisten Ärzte in der Praxis orientieren.

„Interessengeleitetes Positionspapier einer industrienahen Fachgesellschaft“?

Doch es gibt auch Stimmen, die mit der letzten Aktualisierung der europäischen Leitlinien nicht zufrieden sind. So wird etwa in einem Artikel der Zeitschrift „Arzneimittelbrief“ kritisiert, dass in den neuen Leitlinien der ESC und EAS aus dem Jahr 2019 die Zahl der behandlungsbedürftigen Menschen erheblich erweitert wurde. Zudem würden nun neben den Statinen auch andere Medikamente empfohlen, ohne dass es stichhaltige Belege für ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis gebe.

Zitat aus dem „Arzneimittelbrief“: „Die Zielvorgabe „as low as possible“ scheint aber nicht nur für das LDL-Cholesterin, sondern auch für das Evidenzniveau der Leitlinie zu gelten, denn diese ist in vielen formalen Punkten kritikwürdig, sodass sie nach unserer Einschätzung allenfalls als interessengeleitetes Positionspapier einer industrienahen Fachgesellschaft bezeichnet werden kann.“1

Amerika vs. Europa: Verschreiben US-Ärzte zu viele Statine?

Im Vergleich zu europäischen Ärzten vermutlich schon. So neigen amerikanische Ärzte sehr viel eher dazu, ihren Patienten Statine zu verordnen. In Europa hingegen wird eine etwas zurückhaltendere Herangehensweise vertreten. Diese internationale Diskrepanz spiegelt sich übrigens auch in den Empfehlungen der jeweiligen Fachgesellschaften zur Statintherapie wider. Was der Grund für die unterschiedlichen Ansichten ist, bleibt aber die große Frage.

Statinunverträglichkeit: Werden Muskelschmerzen und Co. von den Ärzten heruntergespielt?

Wir denken nein, bzw. wir hoffen, dass Sie bei Beschwerden wie Schmerzen, Steifheit oder Krämpfen von Ihrem Arzt ernst genommen werden. Das Problem ist leider nur, dass es zum einen keinen eindeutigen diagnostischen Test gibt, der eine solche Statinunverträglichkeit zweifelsfrei beweist, zum anderen man nicht genau weiß, wie hoch das Risiko für diese Nebenwirkung tatsächlich ist. Und je niedriger die angenommenen Zahlen sind, umso weniger mag so mancher Arzt an die Statine als Auslöser denken.

Häufigkeit der Muskelschmerzen bleibt unklar

Schaut man sich die Daten an, wie viele behandelte Personen unter muskulären Problemen durch Statine leiden, finden sich Angaben von 7 % bis 29 % – je nachdem, wo man nachliest. Die American Heart Association geht sogar von Zahlen unter 0,1 % aus und gibt an, dass die häufig beklagten Muskelschmerzen meistens nicht auf das Statin zurückzuführen sind, sondern durch das Lesen des Beipackzettels oder durch negative Medienberichte ausgelöst werden.

Klare Definition der Statinunverträglichkeit ist schwierig

Dass die Zahlen so variieren, liegt nicht zuletzt auch daran, dass es bis dato keine einheitliche Definition der Statinunverträglichkeit gibt. Viele Fachleute gehen davon aus, dass bereits das Auftreten von muskulären Symptomen als Unverträglichkeit interpretiert werden sollte; andere legen zusätzlich Wert auf den Nachweis erhöhter Keratinkinase-Werte (CK) in der Blutuntersuchung. Das Problem hierbei: Die CK steigt erst bei stärkerem Muskelzerfall, weshalb ein normaler Wert eine Intoleranz kaum ausschließen kann.

Fazit

Muskelschmerzen sind eine mögliche Nebenwirkung der Statine. Und unabhängig davon, wie sie von verschiedenen medizinischen Organisationen oder Fachleuten gedeutet werden, können sie die Lebensqualität der Betroffenen deutlich einschränken. Zwar gibt es durchaus auch andere Ursachen für die unangenehmen Beschwerden, doch ist bei der Einnahme von Atorvastatin und Co. eine Statinunverträglichkeit in Betracht zu ziehen.

Von Todesfällen, überschätzter Wirkung im Alter und Problemen für Diabetiker unter Statinen

Sind Atorvastatin und Co. nach dem 75. Lebensjahr nutzlos?

Nein, pauschal lässt sich das nicht sagen. Es gibt aber eine interessante spanische Studie zu diesem Thema. Die hier erhobenen Daten weisen darauf hin, dass eine neu begonnene Behandlung mit Statinen zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Menschen über dem 75. Lebensjahr weder das Risiko für derartige Krankheiten senkt noch die Lebenszeit verlängert. Nur wenn zugleich Diabetes mellitus Typ 2 vorliegt, profitieren die Betroffenen von der Statintherapie; ab einem Lebensalter von 85 Jahren waren aber auch in dieser Subgruppe die positiven Effekte nicht mehr nachweisbar.

Wie die Zeitschrift „Arzneimittelbrief“ anmerkt, sollte aufgrund dieser Befunde die weitverbreitete Neuverordnung von Statinen bei älteren Menschen, die bis dato unter keinen Herz-Kreislauf-Erkrankungen litten, sogar gänzlich unterbleiben.

Fazit

Ältere Personen nehmen oft ohnehin tagtäglich eine beträchtliche Menge an Tabletten ein. Ob diese auch noch um Statine erweitert werden sollte, muss individuell und anhand der persönlichen Risikofaktoren für Herzinfarkt, Schlaganfall und Co. entschieden werden. Die vorgestellte Studie zeigt aber auf, dass nicht immer mit einem Benefit durch die Cholesterinsenkung zu rechnen ist. Dies gilt vor allem dann, wenn bisher keine Herz-Kreislauf-Erkrankung vorliegt und die Senioren zudem nicht an Diabetes erkrankt sind.

Statine: Sind Atorvastatin und Co. schlecht für Diabetiker?

Jein. Statine sollen die Gefahr für Herzinfarkt, Schlaganfall und andere kardiovaskuläre Krankheiten, zu denen Diabetiker durchaus häufiger neigen, senken. So viel zum positiven Effekt. Ein mögliches Problem sind allerdings Störungen des Blutzuckerhaushaltes, die mit den Cholesterinsenkern in Verbindung gebracht werden. Dies wurde z. B. in einer Studie an 83.022 Diabetikern aufgezeigt; ein Forscherteam untersuchte die Auswirkungen einer neu begonnen Statintherapie und wies nach, dass die Einnahme der Cholesterinsenker einhergeht mit

  • einem Fortschreiten des Diabetes (u. a. Eskalation der Diabetestherapie auf Insulin),
  • ausgeprägter Unterzuckerung,
  • akuten Komplikationen (z. B. Ketoazidose) und
  • zunehmender Verordnung blutzuckerregulierender Medikamente.

Interessant ist auch, dass bei einer stärkeren LDL-Cholesterin-Senkung auch der Diabetes rascher voranschreitet. Die Studienleiter geben zu bedenken, dass bei einer Neuverschreibung von Statinen die Effekte auf den Stoffwechsel der Diabetiker berücksichtigt werden sollten und diese in die Nutzen-Risiko-Kalkulation einfließen müssen.

Fazit

Die Ergebnisse dieser Studie sollten nun aber bitte nicht dazu führen, dass Sie Ihr Statin sofort absetzen wollen. Vergessen Sie nicht, dass viele Nutzer das Medikament gut vertragen und keinesfalls jeder unter negativen Auswirkungen leidet. Auch bringt es nichts, wenn die Zuckerwerte zufriedenstellend sind, dafür aber der Cholesterinspiegel in die Höhe schnellt. Aber wie so oft in der Medizin müssen Vor- und Nachteile der medikamentösen Therapie gegeneinander abgewogen werden.

Todesfälle durch die Statineinnahme: Stimmt es, dass deswegen ein Cholesterinsenker schon vom Markt genommen wurde?

Ja, der Verkauf des Wirkstoffs Cerivastatin wurde deshalb im Jahr 2001 eingestellt. Der Grund dafür: Es kam gehäuft zu Nierenschäden und zum Teil tödlich verlaufenden Rhabdomyolysen (Muskelzerfall). Auch wenn diese dramatischen Nebenwirkungen ebenso unter der Therapie mit anderen Statinen wie z. B. Atorvastatin auftreten können, war das Risiko unter Cerivastatin besonders hoch.

Statine: Erschöpfung, Gedächtnisstörung, aggressives Verhalten und Testosteronmangel

Führen Statine zur rascheren Erschöpfung und Müdigkeit?

Das kann durchaus sein. Oft berichten Anwender von einer reduzierten körperlichen Belastbarkeit unter der Statintherapie. Diese Nebenwirkung wurde schon vor mehreren Jahren in einer randomisierten Studie belegt: Die Teilnehmer, die entweder ein Statin oder ein Placebo erhielten, dokumentierten ein halbes Jahr lang ihre Ermüdung bei körperlicher Aktivität. Hierbei wurde gezeigt, dass sich die Statintherapie deutlich negativ auf die Belastbarkeit auswirkte.

Schadet Atorvastatin und Co. meinem Gedächtnis?

Die Fachleute sind sich bezüglich der Auswirkung der Cholesterinsenker auf die Denkleistung noch unklar. Dies liegt unter anderem daran, dass es schwierig ist, eine Abnahme der Gedächtnisleistung objektiv zu messen.

Machen Statine aggressiv?

Möglicherweise. In einer Studie aus dem Jahr 2015 wurde der Zusammenhang zwischen Statinen und Aggression analysiert. Im Rahmen der Forschungsarbeit wurde das Aggressionsverhalten der Teilnehmer über einen Zeitraum von sechs Monaten mithilfe einer Bewertungsskala dokumentiert. Schließlich wurden die Daten geschlechtergetrennt ausgewertet. Das überraschende Ergebnis: Unter der Behandlung stieg die Aggressivität der weiblichen Testpersonen (wobei alle Teilnehmerinnen bereits die Wechseljahre hinter sich hatten) und die Männer wurden friedlicher.

Es wird spekuliert, dass sich die Cholesterinsenker eventuell auf den Testosteron-Spiegel auswirken, und dieser wiederum aggressives Verhalten beeinflusst.

Testosteronmangel und Impotenz unter Statinen: Besteht ein Zusammenhang?

Ein Absinken des Testosteron-Spiegels kann eine mögliche Folge der Statintherapie sein, wie in einer Studie bestätigt wurde.

Obwohl sich ein Testosteronmangel negativ auf die erektile Funktion auswirken kann, wird die Potenz aber durch die cholesterinsenkende Therapie positiv beeinflusst. Der Grund hierfür: Die Statine verbessern die Gefäßfunktion, und zwar auch im Penis. Es wird vermutet, dass dieser positive Effekt überwiegt. Eine erektile Dysfunktion als Nebenwirkung der cholesterinsenkenden Therapie ist deshalb recht unwahrscheinlich.

Quellen:

  • Rote Liste, verfügbar unter: www.rote-liste.de
  • Perez-Calahorra S, Laclaustra M, Marco-Benedi V, Pinto X, Sanchez-Hernandez RM, Plana N, Ortega E, Fuentes F, Civeira F. Comparative efficacy between atorvastatin and rosuvastatin in the prevention of cardiovascular disease recurrence. Lipids Health Dis. 2019 Dec 11;18(1):216. doi: 10.1186/s12944-019-1153-x. PMID: 31829197; PMCID: PMC6905000.
  • Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) und der European Atherosclerosis Society (EAS) zur Lipidsenkung, verfügbar unter: https://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/AVP/Artikel/2020-1-2/021.pdf.
  • Große Metaanalyse zur Statin-Unverträglichkeit: Prävalenz und Risikofaktoren. Der Arzneimittelbrief. 2022. www.der-arzneimittelbrief.de.
  • Look, M P. Ist die Depletion von Ubichinon (Coenzym Q10) ein kritischer Faktor bei Therapie mit Statinen? Arzneiverordnung in der Praxis 2004; 31(3): 64–65. www.akdae.pdf.
  • Mansi IA, Chansard M, Lingvay I, Zhang S, Halm EA, Alvarez CA. Association of Statin Therapy Initiation With Diabetes Progression: A Retrospective Matched-Cohort Study. JAMA Intern Med. 2021 Dec 1;181(12):1562-1574. doi: 10.1001/jamainternmed.2021.5714. PMID: 34605849; PMCID: PMC8491130.
  • Krieg, B. Das Risiko der Statine. DAZ online. 2015. www.deutsche-apotheker-zeitung.de.
  • Meyer, R. Cholesterinsenker: Statine in stetem Diskurs. Deutsches Ärzteblatt. 2019. www.aerzteblatt.de.
  • Cholesterinsenker - was dafür spricht und was dagegen. GEO. 2017. www.geo.de.
  • Meiners, M. Gestern gesund, heute Patient: Gewicht, Blutdruck, Cholesterin: So machen uns neue Grenzwerte plötzlich krank. FOCUS online. 2015. www.focus.de.
  • Brodmerkel, A. Bald keine Statine mehr für Typ-2-Diabetiker? Wie ein deutscher Experte neue Daten zum Progressionsrisiko interpretiert. 2021. Medscape. http://deutsch.medscape.com.
  • Statine zur Primärprävention nur bis zum 75. Lebensjahr? Der Arzneimittelbrief. 2018. www.der-arzneimittelbrief.de.
  • Ambitionierte neue Grenzwerte für Cholesterin – je niedriger desto besser oder alles nur Pharmalobbyismus? Praxis Westend Berlin, Kardiologie. 2020. https://www.kardiologie-praxiswestend-berlin.
  • 1Neue europäische „Leitlinie“ zur Lipidsenkung: As low as possible? Der Arzneimittelbrief. 2019. www.der-arzneimittelbrief.de.
  • Auffällige Cholesterinwerte. Praxisklinik für Diagnostik und Präventivmedizin Bornheim. www.cholesterinspiegel.de.

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Kommentare  
Muskelschmerzen
Auch ich leide an Muskelschmerzen. Am ganzen Körper. Man bewegt sich immer weniger. Ein Teufelskreis. Die Hausärztin nimmt das nicht ernst. Habe die Dosis selbst reduziert, was man natürlich nicht machen soll.
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Autoren unseres Artikels
 
Dr. med. Chiara Grabmann, Ärztin

Dr. med. Chiara Grabmann
Ärztin

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  • Ludwig-Maximilians-Universität in München
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Dr. med. Jörg Zorn, Arzt

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