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Ab wann ist schlechte Laune oder gedrückte Stimmung eine Depression? Warum sind auch Schlafstörungen oder mangelnder Appetit ein mögliches Anzeichen für eine Depression? Diese und zahlreiche weitere Fragen dazu beantworten wir im folgenden Beitrag.

Frühsymptome

Was sind typische Anzeichen für eine Depression?

Das Wichtigste vorab: Sowohl von den Betroffenen selbst als auch von den Angehörigen und Freunden werden die typischen Anfangssymptome einer Depression oft nicht als das erkannt, was sie sind. So vergeht oft eine längere Zeitspanne, ohne dass einem klar wird, um was es sich eigentlich handelt.

Doch was sind die typischen Frühwarnzeichen für eine beginnende Depression? Zwar gibt es hier eine enorme Vielzahl an möglichen Symptomen, aber die folgenden Anzeichen sind besonders häufig und charakteristisch.

Typische Frühsymptome:

  • Dauerhaftes oder häufig wiederkehrendes Stimmungstief, von einer starken Unlust und Antriebslosigkeit geprägt.
  • Kaum etwas erscheint es wert, getan oder angepackt zu werden
  • Relativ typisch ist das Stimmungstief am Morgen. Die Unlust und Niedergeschlagenheit sind nach dem Aufstehen oft am ausgeprägtesten.
  • Oft schlafen Menschen mit einer Depression auch schlecht (vor allem in der zweiten Nachthälfte) und wachen früh auf.

Weitere Anzeichen können sein:

  • mangelndes Interesse an den normalen Alltagsaktivitäten
  • mangelndes Interesse an den Mitmenschen
  • Tendenz zum Rückzug, zum alleine sein
  • Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme
  • innere Unruhe
  • Konzentrationsstörungen
  • Müdigkeit
  • kein sexuelles Verlangen
  • Schuldgefühle
  • Gedanken an den Tod

Manchmal treten im Verlauf der Erkrankung auch manische Phasen mit übersteigerter Erregung und sehr euphorischer Stimmung auf, die zusätzliche Probleme (z.B. finanzielle Probleme durch übersteigerte Kauflust) verursachen können. In einem solchen Fall spricht man von "bipolarer Störung".

Mehr zu frühen Symptomen der Depression

Wann ist schlechte Stimmung ein Hinweis auf eine Depression?

Stimmungsschwankungen haben alle Menschen. Wenn Sie aber spüren, Sie hängen immer wieder in einer Stimmung fest oder Sie sind Ihren Stimmungen mehr oder weniger ausgeliefert, dann sollten Sie genauer hinschauen.

  • Belastet Sie eine wiederkehrend schlechte Stimmung?
  • Nehmen die Stimmungsschwankungen und vor allem die schlechte Stimmung zu?
  • Spüren Sie zunehmend, dass da etwas nicht in Ordnung ist?
  • Und wichtig ist auch: Kennen Sie den einen oder anderen Zustand aus früheren Phasen? Oder haben Sie erst jetzt bemerkt, dass sich ihre schlechte Stimmung im Laufe der Zeit verstärkt? Und kommen Sie da auch nur schwer heraus?
Depression oder nur etwas betrübt: Was soll ich tun?

Wenn Sie unsicher sind, wie schwerwiegend Ihre Stimmungen oder Stimmungsschwankungen (oder die eines nahestehenden Menschen) sind, klären Sie es mit Fachleuten. Am besten mit einem Arzt oder Psychotherapeuten. Lieber einmal mehr um Rat fragen, als zu wenig Hilfe in Anspruch nehmen.

Selbsttest

Einen Anhaltspunkt kann auch ein Test geben (mehr aber auch nicht).

Habe ich eine Depression?

Das lässt sich mit ziemlicher Sicherheit dann sagen, wenn folgende Erlebnisse überwiegend oder zum größeren Teil für Sie zutreffen:

  • An erster Stelle steht oft ein Gefühl tiefer Erschöpfung. Nicht die Erschöpfung, die man nach einem anstrengenden Tag spürt. Es ist eher so, dass das Erschöpfungsgefühl von ganz tief innen kommt und stärker wird.
  • Oder Sie fühlen sich schon länger und jeden Tag bedrückter. Sie spüren immer weniger Lebensfreude. Sie haben über einen längeren Zeitraum schon das Gefühl, sich nicht mehr richtig freuen zu können. Auch Ihr Interesse an Dingen des Lebens nimmt ab. Sie leiden unter Schlaflosigkeit, grübeln viel. Aber die Gedanken scheinen ausweglos.
  • Möglich ist auch das Gegenteil, dass Sie am liebsten im Bett bleiben. Sie würden am liebsten gar nicht mehr aufstehen, fühlen sich immer müder.
  • Sie können sich immer weniger konzentrieren, auch viel Nachdenken fällt Ihnen schwer. Sich wertlos fühlen gehört auch dazu. Ebenso können Schuldgefühle dazu kommen. Manchmal oder öfter fragen Sie sich, welchen Sinn dieses Leben überhaupt noch für Sie hat. Lebensmüdigkeit ist ein Gedanke. Ein nächster Gedanke ist vielleicht, sein Leben einfach zu beenden. Wenn Sie solche Symptome bei sich feststellen, holen Sie sich Hilfe.

Verdacht auf Depression - was nun?

Doch wohin soll man sich wenden, wenn einen die bedrückenden Gefühle überwältigen? Die erste Anlaufstelle sollte der Hausarzt sein. Haben Sie keine falsche Scheu, ihm von Ihrem Gemütszustand zu berichten. Depressionen sind keine Seltenheit und durchaus häufig der Grund einen Arzt zu konsultieren. Dieser kann Ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen und Sie gleich an die zuständigen Stellen vermitteln.

Besteht Verdacht auf eine depressive Verstimmung, wird Ihr Hausarzt zunächst einen Termin beim Psychotherapeuten empfehlen und Ihnen eine Überweisung ausstellen. Der Therapeut wird mit Ihnen erörtern, welche Behandlungsmöglichkeiten es prinzipiell gibt und welche für Sie die beste ist. Zudem kann er Ihnen auch empfehlen, einen Psychiater aufzusuchen. Denn dieser ist der richtige Ansprechpartner zur Einleitung einer medikamentösen Behandlung mit Antidepressiva.

Therapeutensuche: freie Plätze sind rar

Übrigens, lassen Sie sich nicht entmutigen, wenn ein Psychologe keine freien Termine anbieten kann. Viele Therapeuten sind nämlich regelrecht ausgebucht. Lange Wartezeiten müssen Sie trotzdem nicht in Kauf nehmen; Hilfe bei der Suche bietet nämlich die Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Denn über die Webseite der KV des jeweiligen Bundeslands (z. B. KV Hamburg) erhalten Sie Namen und Telefonnummern von Psychotherapeuten, die Vakanzen für neue Klienten haben. So sparen Sie sich Zeit und Energie bei der Suche und können rasch mit einem Therapeuten Ihrer Wahl die Behandlung beginnen. Sie werden sehen, es lohnt sich.

Symptome der manischen Depression

Bei der manischen Depression oder bipolaren Störung werden die depressiven Phasen unterbrochen von Phasen der Hochstimmung. Alles weitere dazu haben wir in einem separaten Beitrag zusammengefasst.  

Typische Begleiterscheinungen 

Kann man eine Depression äußerlich erkennen?

Nein, nur selten ist ein depressiver Zustand von außen erkennbar, zum Beispiel an einer gebückten Haltung, der Bewegung oder dem Aussehen. Und auch diese Anzeichen sind eher unspezifisch und lassen allerhöchstens den Rückschluss zu, dass mit der Person „etwas nicht stimmt“.

Das hat auch damit zu tun, dass viele Betroffenen versuchen, ihre Krankheit vor Anderen zu überspielen – aus begründeter oder unbegründeter Furcht vor Unverständnis und Stigmatisierung als psychisch Kranke (und damit „Verrückte“). Wenn ihnen denn überhaupt bewusst ist, dass sie an einer Depression leiden...

Begleiterscheinungen einer Depression

Wie kann man zwischen Traurigkeit und Depression unterscheiden?

Im Gegensatz zur Krankheit Depression ist Traurigkeit ein Gefühl und die Trauer eine normale Reaktion auf einen schweren Verlust oder Schicksalsschlag. Die Beschwerdebilder können sich allerdings durchaus ähneln und vor allem im höheren Lebensalter kann der Übergang fließend verlaufen.

Niedergeschlagenheit, Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme und Schlafstörung können sich beim Trauern ebenso einstellen wie Schuldgefühle. Diese kreisen dann aber im Unterschied zur Depression in der Regel um nachvollziehbare Skrupel wie einen früheren Streit oder ein tatsächliches Fehlverhalten.

Konkrete Suizid-Gedanken eher Zeichen für Depression

Todesgedanken können zwar auch Trauernden in den Sinn kommen, beschränken sich aber gewöhnlich auf die Überlegung, dass es „vielleicht besser wäre, ebenfalls tot zu sein“. Im Gegensatz zur Depression halten sich die düsteren Gedanken jedoch in Grenzen und schließen keine konkreten Selbsttötungsphantasien ein.

Die eigene Gefühlslage wird bei Trauer auf jeden Fall noch für "normal" gehalten, selbst wenn man beispielsweise wegen Schlafstörungen ärztliche bzw. medikamentöse Hilfe sucht. Bei einer krankhaften depressiven Störung wird dagegen die Verstimmung nicht nur als quälend, sondern auch als fremd und unlösbar erlebt, verbunden mit bedrängenden oder sogar beherrschenden Gefühlen von Schuld und Unfähigkeit, empfunden als ein „nicht Können trotz Wollen“.

Gehören Schwermut und Tränen immer zum Bild einer Depression?

Nein, Depressionen müssen nicht unbedingt mit erkennbarer Schwermut und erst recht nicht mit Tränen einhergehen. Weinen ist oft erst möglich, wenn man sich – bereits im Zustand der Besserung begriffen – über diesen Weg Erleichterung verschaffen und den eigenen „Gemütspanzer“ sprengen kann.

Früher gab es für ein Krankheitsbild ohne die typischen Depressionssymptome die ärztliche Bezeichnung „depressio sine depressione“. Besonders gefährlich ist diese Situation, wenn sich hinter einer scheinbar heiteren Fassade in Wahrheit Selbsttötungsabsichten verbergen („lächelnde Depression“).

Körperliche Symptome

Eine Depression äußert sich häufig auch durch körperliche Beschwerden: zum Beispiel durch chronische Schmerzen oder auch durch Herzprobleme. 

Wenn man Probleme oder Unwohlsein in der Herzgegend verspürt oder sogar Schmerzen im Brustraum, dann ist der erste Gedanke meist der an einen drohenden Herzinfarkt. Aber oftmals entstehen solche Beschwerden gar nicht durch das Herz, sondern sind Ausdruck einer Depression. 

Depression und körperliche Beschwerden

Können körperliche Beschwerden Vorboten einer Depression sein?

Ja, eine Depression muss sich längst nicht immer primär durch eine seelische Verstimmung äußern. Gerade bei älteren Menschen verursacht die depressive Stimmungslage häufig zunächst einmal körperliche Symptome: Schmerzen, Unwohlsein, Schwindel – die Gewänder der Depression sind vielfältig.

Für die Betroffenen ist es oft schwierig, einen solchen Zusammenhang zu akzeptieren. Sie empfinden Herzschmerzen und lehnen, auch nachdem alle Untersuchungen Entwarnung gegeben haben, eine Verdachtsdiagnose Depression ab. Deshalb ist es einerseits für die behandelnden Hausärzte, aber auch für die Angehörigen wichtig, bei anhaltenden Herzbeschwerden ohne auffindbare organische Ursache an die Möglichkeit einer Depression zu denken.

Was ist eine larvierte Depression?

Unter einer larvierten oder somatisierten Depression versteht man ein depressives Zustandsbild, das sich hinter der Maske (lateinisch: larva) körperlicher Beschwerden verbirgt. Es handelt sich also um kein eigenständiges Krankheitsbild, sondern um eine „Diagnose“, die eigentlich nur im Rückblick gestellt werden kann.

Statt vordergründig eine schlechte Stimmung zu empfinden, kommt es zum Beispiel zu Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit oder anderen Symptomen, die auf den ersten Blick nichts mit einer Depression zu tun haben. Das führt dazu, dass weder man selbst als Betroffener noch die Personen um einen herum auf die Idee kommen, was hinter diesen körperlichen Beschwerden in Wirklichkeit steckt. Selbst Ärzte übersehen bei einer solchen Gemengelage häufig über lange Zeit eine Depression.

Wenn eine Depression einmal als solche erkannt und diagnostisch eingeordnet ist, ist sie zwangsläufig nicht mehr larviert. Dennoch ist dieser Begriff wichtig und hilfreich: als dauerhaft präsente Mahnung vor allem für Ärzte, auf dieses häufige Phänomen zu achten.

Geschlechtsunterschiede

Leiden depressive Männer anders?

Ja und nein. Zwar treten die Grundbeschwerden der Depression, wie niedergeschlagene Stimmung, Antriebslosigkeit, negative Gedankengänge und Schlafstörungen bei beiden Geschlechtern gleich häufig auf.

Dennoch sind sie bei Männern oft schwerer erkennbar, weil sie im Gegensatz zu Frauen eher körperliche Beschwerden in den Vordergrund stellen und Symptome wie Traurigkeit und Selbstzweifel bewusst verschweigen („maskierte Depression“).

Zu den Besonderheiten, die bei einer „männlich“ ausgeprägten Depression auftreten können, gehören:

  • Reizbarkeit und Verstimmung
  • generelle Unzufriedenheit mit sich selbst und anderen
  • schnelles Aufbrausen und verminderte Selbstbeherrschung
  • Wutausbrüche, Zorn, unbändiger Ärger
  • Neigung zu Schuldzuweisungen und nachtragendem Verhalten
  • geringe Stresstoleranz
  • hohe Risikobereitschaft
  • sozial unangepasstes Verhalten
  • höhere Bereitschaft, eine Straftat zu begehen
  • vermehrter Gebrauch von Suchtmitteln (vor allem Alkohol und Nikotin)
  • erhöhtes Selbstmordrisiko

Studie: Depressionen bei Männern

Warum reagieren Männer auf Depressionen anders als Frauen?

Männer gehen mit Depressionen völlig anders um als Frauen. Und nicht zu ihrem Vorteil. Sie suchen seltener einen Arzt auf und begehen – unter anderem deshalb – häufiger Selbstmord. Dies ist das Ergebnis einer Studie an der Universität Freiburg unter Leitung von Professor Mathias Berger.

Warum das so ist, erklären sich Depressions-Experten so: Frauen neigen eher dazu, über ihre Probleme zu reden und suchen auch mit Depressionen in der Regel schneller einen Arzt auf. Männer hingegen empfinden das Reden über die Depression häufig als ein Zeichen von Schwäche. Also nehmen sie lieber keine Hilfe in Anspruch.

Und hinzu kommt: Auch die Ärzte übersehen beim Mann gern mal eine Depression. Studien zeigen: Mediziner erkennen die Krankheit bei Männern nur in 20% der Fälle. Auch bei Frauen ist dieser Wert nicht üppig, mit 40% aber immerhin doppelt so hoch.

Sind Männer besser im Verdrängen negativer Gedanken?

Was Berger und seine Kollegen außerdem ermittelt haben: Männer mit Depressionen erweisen sich oft als wahre Verdrängungskünstler. Statt sich mit der depressiven Verstimmung auseinanderzusetzen, stürzen sie sich lieber in ihre Arbeit. Oder sie reagieren mit übertriebenen sportlichen Aktivitäten. Und wenn das alles nicht hilft, dann suchen viele ihre Erlösung im Alkohol.

Für Berger bedeuten diese Erkenntnisse vor allem Aufklärungsbedarf. Denn gerade bei Depressionen kann eine frühzeitige Behandlung den Verlauf entscheidend beeinflussen und furchtbare Ausgänge wie Suizid verhindern.

Symptome bei älteren Menschen

Altersdepression: Unterschätzt, verkannt, verdrängt

Wenn ältere Menschen eine Depression bekommen, wird diese häufig nicht erkannt. Die missmutige Stimmung und der soziale Rückzug werden dann oft auf das Alter geschoben, ohne an eine Erkrankung zu denken ("Opa ist ein bisschen komisch geworden"). Ärzte verkennen die merkwürdige Stimmungslage als beginnende Demenz.

Das Problem an der übersehenen Depression im Alter ist: sie ist gefährlich. Fast 40% aller Selbstmorde werden von über 60-jährigen Menschen begangen. Oft steckt eine Depression dahinter. Aber auch ohne dieses furchtbare Ende bedeutet eine Depression für die Betroffenen viel Leid. Unnötiges Leid, denn mit einer frühzeitigen Behandlung kann den Patienten sehr gut geholfen werden.

Denken Sie auch bei Ihren Angehörigen an diese Möglichkeit

Da die Betroffenen aber selbst meist als allerletztes merken, dass es sich bei ihrer tristen und traurigen Stimmung um eine manifeste Depression handelt, sind vor allem die Partner, Angehörigen und Freunde aufgefordert, bei entsprechenden Anzeichen zu einem Arztbesuch zu motivieren.

Die Anzeichen einer Altersdepression sind nicht grundlegend anders als bei Depressionen in jungen Jahren. Typisch sind neben der schlechten Stimmung u.a. Abgeschlagenheit, Verwirrtheit, Schlafprobleme, Stimmungsschwankungen im Tagesverlauf bis hin zu Selbstmordgedanken. Das falscheste ist, diese Stimmungslage für normal oder alterstypisch zu halten.

Wissenswertes

Warum geht eine Depression so oft mit Angstzuständen einher?

Weil das eine oft aus dem anderen folgt. Eine länger bestehende depressive Stimmungslage führt bei vielen Betroffenen dazu, dass sich Ängste aufbauen. Ängste vor beruflichen oder privaten Belastungen, Ängste vor bestimmten Situationen oder Ängste vor Menschen. Dem zugrunde liegt fast immer eine Angst vor dem Scheitern, also Versagensängste.

Solche Angstzustände können so ausgeprägt sein, dass sich die Betroffenen praktisch nicht mehr vor die Tür wagen und sich zunehmend abschotten. Die gleichen Tendenzen gibt es bei der Depression, woran man sieht, wie verwaschen hier die Grenzen sind. Nicht wenige Experten gehen davon aus, dass Depressionen und Angststörungen im Grunde genommen fast als Symptome ein und derselben Störung angesehen werden können. Aus nach wie vor nicht eindeutig geklärtem Grund spielen die Botenstoffe im Gehirn verrückt und verursachen trübe Stimmung und Ängste.

Henne oder Ei?

Wenn man aber doch von einem Ursache-Wirkungs-Prinzip ausgeht, ist in den meisten Fällen sicher eher die Depression die Ursache der Angstzustände. Das ist in der äußerlich wahrnehmbaren Reihenfolge der Erscheinungen jedenfalls der häufigere Fall.

Es geht aber auch andersherum. Dass also aus einer Angststörung eine Depression erwächst. Wir allen kennen – zumindest vom Hörensagen – die Platzangst, die Höhenangst oder auch die Angst vor Spinnen. Das ist oft eher harmloser Natur (ein kleiner spitzer Schrei beim Erblicken einer Spinne, und dann ist wieder alles gut), kann sich aber im Falle einer fulminanten Angststörung auch sehr viel dramatischer äußern. Dann sind die Ängste so schlimm, dass sich die Betroffenen kaum mehr normal und unbeschwert durch die Welt bewegen können. Weil überall Bedrohungen lauern. Und in einem solchen Fall ist die Depression nicht mehr weit. Denn natürlich ist dann zusätzlich zu der Angst auch die soziale Isolation eine enorme psychische Belastung für die Betroffenen.

Was ist das „Sissi-Syndrom“?

Das „Sissi-“oder „Sisi-Syndrom“ ist nach der österreichischen Kaiserin Elisabeth benannt, die durch rastlose (Über-) Aktivität ihre Depression zu "behandeln" bzw. zu überspielen suchte. Das Beschwerdebild des "Sisi-Syndroms" wird durch Unrast, Sprunghaftigkeit, körperliche Hyperaktivität, rasche Stimmungsschwankungen, Fasten, übertriebenen Körperkult, Selbstwertprobleme und zahlreiche Selbstbehandlungsversuche charakterisiert.

Auch zu Werbezwecken genutzt

Fraglich ist, ob sich das Sisi-Syndrom tatsächlich als eigenständige Depressionsform abgrenzen lässt. Der Name tauchte, erfunden von einer PR-Firma, zum ersten Mal 1998 in einer Werbeanzeige auf, die in einer führenden deutschen Fachzeitschrift für Psychiatrie erschien. Das beworbene Arzneimittel (Paroxetin) wurde als Mittel der ersten Wahl bei diesem Krankheitsbild positioniert. Im Rahmen einer breiter angelegten Kampagne und im Zusammenspiel mit öffentlichen Medien wuchs der Bekanntheitsgrad dieser neuen „Diagnose“ und führte schließlich auch in der medizinjournalistischen Fachwelt zu einem gewissen Widerhall – allerdings nur auf Deutschland begrenzt.

Fest steht nach ärztlicher Erfahrung, dass es diesen Patienten-Typ tatsächlich gibt, nicht als „neue“ Depressionsform, sondern eher im Zusammenhang mit einer Ess-Störung. Um ein quälendes und folgenschweres Leidensbild handelt es sich allemal. Und wenn diesem mit einer psychiatrischen Mode-Strömung mehr Aufmerksamkeit verschafft wurde und mehr Betroffene erfolgreich (vor allem psychotherapeutisch) behandelt werden konnten – umso besser …

Quellen:

  • Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF): Unipolare Depression - Nationale Versorgungs-Leitlinie, Download: http://www.awmf.org, Zugriff August 2019.
  • Stichwort lavierte Depression: Pressemitteilungen der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, Deutsche Gesellschaft für Neurologie, European Depression Association, 22.09.2011.
  • Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), Prof. Dr. med. Frank Schneider, Dr. Thomas Nesseler: Depressionen im Alter – Die verkannte Volkskrankheit, Herbig Verlag, München, 2011.

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Autoren unseres Artikels
 

Christa Kosmala
Psychologin / medizinische Fachautorin

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Dr. med. Jörg Zorn, Arzt

Dr. med. Jörg Zorn
Arzt

    Studium:
  • Universitätsklinik Marburg
  • Ludwig-Maximilians-Universität in München
    Berufliche Stationen:
  • Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg
  • Medizinischer Chefredakteur im wissenschaftlichen Springer-Verlag

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Dr. Hubertus Glaser, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gesundheit e.V. (DEUGE) und medizinischer Fachautor

Dr. Hubertus Glaser
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gesundheit e.V. (DEUGE) und medizinischer Fachautor

    Studium:
  • Ludwig-Maximilians-Universität in München
    Berufliche Stationen:
  • Medizinischer Chefredakteur im wissenschaftlichen Springer-Verlag
  • freiberuflich als Entwickler, Berater und Publizist

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Dr. med. Michaela Hilburger, Fachärztin für Urologie / Medikamentöse Tumortherapie

Dr. med. Michaela Hilburger
Fachärztin für Urologie / Medikamentöse Tumortherapie

    Studium:
  • Ludwig-Maximilians-Universität in München
    Berufliche Stationen:
  • Klinikum Landshut gemeinnützige GmbH, Abteilung Urologie, Landshut

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Medizinische Prüfung
des Artikels
Dr. med. Monika Steiner, Ärztin / Gutachterin für medizinische Fortbildung

Medizinisch geprüft von
Dr. med. Monika Steiner
Ärztin / Gutachterin für medizinische Fortbildung

    Studium:
  • Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn
    Berufliche Stationen:
  • Leitung Medizin-Online / Chefredakteurin Springer Nature
  • Medizinische Gutachterin für ärztliche CME-Fortbildung bei esanum.de

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Christa Kosmala
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